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Ostafrika
Somalische Richter unter Beschuss

Seit September 2012 hat Somalia mit Präsident Hassan Sheikh Mohamud wieder ein international anerkanntes Staatsoberhaupt und eine Regierung. Die Gewalt hält trotzdem an. Mitglieder der islamistischen Shabaab-Miliz kämpfen weiter gegen Regierung und Institutionen. Auch die Richter sind im Fokus der Attentäter.

Von Bettina Rühl |
    Die Tür öffnet sich quietschend, dahinter liegt ein einfaches Wohnzimmer. Die schlichten Möbel sind in die Jahre gekommen. Das auffälligste ist der Heimtrainer, der in der Mitte des Raumes steht. Hier wohnt Aideed Ilkahanaf, der oberste zivile Richter Somalias. Er ist ein wichtiger Vertreter der jungen staatlichen Institutionen.
    "Es macht mir nichts, so einfach zu wohnen. Ich mag keinen luxuriösen Lebensstil. Aber ich versuche mein Möglichstes, um mich hier wohlzufühlen."
    Wer nur Ilkahanafs Adresse hört könnte meinen, er schwelge im Luxus: Der oberste Richter an Somalias Berufungsgericht bewohnt drei schlichte Zimmer in der sogenannten Villa Somalia. Die einst pompöse Anlage, ehemals Sitz von Diktator Siad Barre, wird inzwischen von Präsident Hassan Sheikh Mohamud genutzt. Der weitläufige Gebäudekomplex ist von dem jahrzehntelangen Krieg gezeichnet und verkommen. Ilkahanafs Zimmer liegen am Ende eines verwahrlosten Flures. Er ist allein bis auf seine Leibwächter, die in einem der leeren Zimmer campieren. Und bis auf seine Haushaltshilfe, die in einem weiteren der leeren Zimmer für ihn kocht.
    "Ich darf im Präsidentensitz wohnen, weil mein Leben bedroht ist. Es ist ein Versuch, mein Leben zu retten. Ich bin nicht der einzige. Viele ehemalige oder amtierende Minister leben auch hier."
    Eine Notgemeinschaft, bewacht von Militärs einer Eingreiftruppe der Afrikanischen Union namens AMISOM. Die Soldaten am Eingang des Geländes tragen Helm und kugelsichere Weste, sie verschanzen sich hinter Sandsäcken. Der Amtssitz des somalischen Präsidenten, er wirkt wie ein schwer gesichertes militärisches Hauptquartier.
    "Ich fühle mich hier nicht besonders wohl, aber ich habe keine andere Wahl. Ich muss entweder meinen Job aufgeben und vielleicht sogar das Land verlassen - oder an einem gesicherten Ort leben. Aber letztlich kann nichts und niemand Attentate verhindern. Attentäter haben ja sogar schon die Villa Somalia gestürmt und versucht, hier alles zu sprengen. Aber es ist hier immer noch sicherer, als an jedem anderen Ort."
    Selbst durch das geschlossene Fenster dringt Baulärm, die Sicherung der Villa Somalia wird die Sicherung weiter verstärkt. Wegen der Bauarbeiten liegt eine feine Staubschicht auf Ilkahanafs Schreibtisch - der Richter nutzt einen der Räume an dem fast leeren Flur als Büro. Er vermeidet alle nicht unbedingt nötigen Fahrten zu Gericht, denn jeder Weg durch die Stadt ist gefährlich. Ilkahanaf hat schon mehrere Anschläge überlebt.
    Angriff auf das Gericht von Mogadischu
    Im April 2013 griffen islamistische Attentäter das Gericht von Mogadischu an, vermutlich war Ilkahanaf ihr Ziel. Er überlebte, weil er am Tag des Attentats zufällig einen anderen Raum benutzte als sonst.
    "16 Richter des Zivilgerichts wurden ermordet. Die Überlebenden haben immer noch keine Leibwächter."
    Ein weiteres Mal kam Ilkahanaf nur knapp davon: Im Juli 2014 stürmten islamistische Attentäter die Villa Somalia, mindestens neun Menschen starben. Die Täter ließen ein Auto voller Sprengstoff am Kontrollposten in die Luft gehen, zerstörten so die Sicherheitssperren und hatten freien Zugang zum Gelände.
    "In Mogadischu kann niemand seines Lebens sicher sein. Jeder geht davon aus, dass er jederzeit sterben kann."
    Ilkahanaf lacht häufig, und vielleicht muss man den Aberwitz in diesem Leben sehen, um nicht daran zu verzweifeln.
    Vor dem Gerichtsgebäude von Mogadischu stehen Panzersperren. Aber die Attentäter sprengten sich im April 2013 den Weg einfach frei.
    Verhandelt wird in einem achteckigen Saal in der Mitte der Anlage. Die 18 Angeklagten des Vormittags warten in einer Ecke des Saales, auf dem Boden sitzend und hinter einem Metallgatter eingeschlossen wie Schafe. Hashi Elmi Noor ist Präsident des Gerichts von Mogadischu. In vielen Verfahren gehe es um Landfragen, sagt er.
    "Wer den Eigentümer eines begehrten Grundstücks beseitigen will, kleidet sich einfach wie die Kämpfer der Al-Shabaab und kopiert deren Methoden. Die Islamisten werden dann für den Mord verantwortlich gemacht. Dabei ging es in Wirklichkeit um den Besitz eines Grundstücks."
    Widrige Umstände am Gericht
    Eine funktionierende Justiz wäre dringend nötig. Tatsächlich aber sind die Umstände am Gericht so widrig, dass eine wirkliche Rechtsprechung kaum zu gewährleisten ist. Ein Hohn angesichts der Tatsache, die Richter für ihren Beruf allesamt ihr Leben riskieren. Hashi Elmi Noor hat vier Attentatsversuche überlebt, darunter den Angriff auf das Gericht im April 2013. Er wirkt wie ergeben in ein Schicksal, dem er nicht entgehen kann.
    "Nach dem Gesetz der Shabaab-Miliz bist du zum Tod verurteilt, wenn du in leitender Position für die Regierung gearbeitet hast. Ob ich meinen Beruf jetzt noch aufgebe oder nicht, ändert nichts mehr. Und Somalia verlassen kann ich nicht. Oder wissen Sie einen Ort, an den ich gehen könnte?"