"Ich bin mit meiner Freundin hier in Berlin unterwegs gewesen und meine Freundin wollte ein Museum zur DDR besuchen. "
So beschreibt der junge Freiburger Völkerkundler Robert Rückel die profane Entstehung des ersten DDR-Museums in Berlin 17 Jahre nach dem Fall der Mauer.
"Wir hatten uns dann informiert, hatten nachgefragt und sind im Grunde nach Amsterdam geschickt worden. "
Denn neben dem "Dokumentationszentrum für Alltagsgegenstände” in Eisenhüttenstadt gibt es nur in Amsterdam, genauer gesagt in der beschaulichen Ortschaft Monnickendam, eine halbe Autostunde östlich von Amsterdam, ein winziges Museum, in dem man in kleinen Vitrinen eine untergegangene Welt bewundern kann, die das Leben von 16 Millionen Deutschen 40 Jahre geprägt hat und mit der Ost-Berlin international noch als erstes verbunden wird: die DDR.
"Daraufhin dachte ich, das kann ja wohl nicht war sein, das es hier ein Informationsbedürfnis gibt und dieses Informationsbedürfnis nicht befriedigt wird. "
Gemeinsam mit dem Stuttgarter Architekten Frank Wittmer und dem namhaften DDR-Historiker Stefan Wolle, setzte sich Rückel zusammen, schrieb ein Konzept, lieh sich bei den Banken 600.000 Euro und legte los. In einer Rekordzeit von nur zwei Jahren sammelte das Team ein Magazin von 10.000 Ausstellungsstücken zum DDR-Alltag: Lackschuhe der Jugendweihe, Wimpel der besten Brigade, Bücher zur Sexualaufklärung und zum Marxismus-Leninismus, aber auch Abhöranlagen, Trabbis, Wanzen, Uniformen und so exquisite Gegenstände wie die illegale Druckpresse Robert Havemanns und Walter Ulbrichts Filmvorführgerät.
Historiker Stefan Wolle, Ex-DDR-Bürger, Mitarbeiter des Forschungsverbundes SED Staat an der FU Berlin, der wissenschaftliche Leiter des Projektes, hat diese Fundstücke auf nur 400 qm in einen inhaltlichen Zusammenhang gesetzt:
"Man betritt also eine etwas gruftige Fläche mit Säulen und betritt sie durch eine Mauersituation, dann geht man so ein par Treppchen runter und ist mitten drin im DDR-Alltag, man geht zunächst auf ein Modell des Palastes der Republik zu, da kann man reinschauen durch die Fensterchen, da wird Erich Honecker reden auf dem 9. Parteitag, auf der anderen Seite sieht man die Eisdiele und die Bowlingbahn und insofern ist der Palast der Republik ja auch als symbolisch empfunden worden für diese beiden Seiten der DDR für Diktatur wie für Idylle. Was auf keinen Fall hier stattfinden wird ist eine musealisierte Ostalgieshow. Wir haben den Alltag der DDR eingeordnet und eingebunden in das politische System der DDR. "
Die Ausstellung ist überschaubar. Sie besteht aus einem original eingerichteten DDR-Plattenbau-Wohnzimmer, einem Filmvorführraum, einer Stasi-Abhöranlage mit Fernseher, Kassettenrecorder und Kopien von IM-Akten und 13 mannshohen Schränken mit kleinen beleuchteten Vitrinen und Schubläden zum aufmachen. Sie stehen für die 13 Themen der Ausstellung unter anderem Bildung, Familie, Wohnen, Einkauf, Mauer, Stasi.
Für den Besucher sollen die Eindrücke von Diktatur und Idylle hier erfahrbar werden. Es gelingt weitgehend, auch weil man fast alle Gegenstände in die Hand nehmen kann, in allen Büchern blättern, private Aufzeichnungen, auch Abhörprotokolle lesen, im Fernsehen von ARD auf DDR 1 schalten und im Radio von Stimme der DDR auf Berliner Rundfunk. Ständig kommt man mit anderen Besuchern des Museums oder mit den Führern ins Gespräch.
Das diffuse Gefühl jederzeit bespitzelt werden zu können, inszeniert das Museum durch echte Wanzen, durch die der Besucher fremde Leute in anderen Räumen abhören kann. Alltag einer untergegangen Gesellschaft. Auch auf Witze, Slogans, Sprüche stösst man hier, Zeugnisse, einer Welt, die heute nicht mehr vorstellbar ist:
"Was mich am meisten fasziniert hat, sind im Grunde auch Sachen, die sich schwer ausstellen lassen. Das sind diese Brigadetagebücher. Das rührt einen so an. Diese Fotos und diese Sprüche, liebevoll gemalt zum ersten Mai und zum Frauentag und all diese Sachen. Da wird wieder so eine Welt lebendig, die einen zum Teil so traulich anrührt und zum Teil auch wirklich brechreizerregend ist für mich. "
Dass das Konzept aufgehen wird, daran zweifeln die Macher nicht. Nur etwa 250 zahlende Besucher pro Tag brauchen sie, um mit einem kleinen Gewinn arbeiten zu können. Das ist machbar, denn das DDR-Museum bietet nicht nur die Ausstellung, sondern auch Führungen in fünf Sprachen. Für Schulklassen und internationale Besucher mag es schnell ein Muss werden.
Laufkundschaft ist durch die Nähe zur Touristenmeile "unter den Linden” garantiert. Dass die Macher ausdrücklich auf eine Zusammenarbeit mit der Kulturbürokratie des Bundes und Berlins verzichtet haben, wirft hingegen kein schräges Licht auf sie, sondern auf die Berliner Politik und ihre Expertenkommissionen.
Seit Jahren streiten sie darüber, ob auch der DDR-Alltag, nicht nur die Unterdrückungsmaschinerie, museal aufgearbeitet werden soll. Säulenmodelle werden diskutiert. Gedenkinstitutionen fürchten Mittelkürzungen. Vom Berliner Kultursenator ist dabei wenig richtungweisendes zu hören, wie von der Berlinischen Galerie, dem Stadtmuseum, ebenso wenig vom Kulturstaatsminister der Bundesregierung und seinen Vorgängern. Sie alle werden inzwischen von der Realität überholt.
Das private GmbH Mauermuseum am Checkpoint Charlie, und nun die private GmbH DDR-Museum im Domaquaree und wenn man will bald auch das geplante private West-Berlin Museum sind faktisch die wichtigsten Institutionen geworden, welche DDR und Teilungsgeschichte vermitteln. Man kann nun über diese kaum fassbare politische Verdrängungsleistung beklagen. Oder sich über die Ironie freuen, dass gestern die DDR als kapitalistische Initiative auferstanden ist und – wie der Schriftsteller Lutz Rathenow zur Eröffnung sagte: die Abstimmung über ihre weitere Existenz mit den Füßen vor der Kasse stattfindet.
So beschreibt der junge Freiburger Völkerkundler Robert Rückel die profane Entstehung des ersten DDR-Museums in Berlin 17 Jahre nach dem Fall der Mauer.
"Wir hatten uns dann informiert, hatten nachgefragt und sind im Grunde nach Amsterdam geschickt worden. "
Denn neben dem "Dokumentationszentrum für Alltagsgegenstände” in Eisenhüttenstadt gibt es nur in Amsterdam, genauer gesagt in der beschaulichen Ortschaft Monnickendam, eine halbe Autostunde östlich von Amsterdam, ein winziges Museum, in dem man in kleinen Vitrinen eine untergegangene Welt bewundern kann, die das Leben von 16 Millionen Deutschen 40 Jahre geprägt hat und mit der Ost-Berlin international noch als erstes verbunden wird: die DDR.
"Daraufhin dachte ich, das kann ja wohl nicht war sein, das es hier ein Informationsbedürfnis gibt und dieses Informationsbedürfnis nicht befriedigt wird. "
Gemeinsam mit dem Stuttgarter Architekten Frank Wittmer und dem namhaften DDR-Historiker Stefan Wolle, setzte sich Rückel zusammen, schrieb ein Konzept, lieh sich bei den Banken 600.000 Euro und legte los. In einer Rekordzeit von nur zwei Jahren sammelte das Team ein Magazin von 10.000 Ausstellungsstücken zum DDR-Alltag: Lackschuhe der Jugendweihe, Wimpel der besten Brigade, Bücher zur Sexualaufklärung und zum Marxismus-Leninismus, aber auch Abhöranlagen, Trabbis, Wanzen, Uniformen und so exquisite Gegenstände wie die illegale Druckpresse Robert Havemanns und Walter Ulbrichts Filmvorführgerät.
Historiker Stefan Wolle, Ex-DDR-Bürger, Mitarbeiter des Forschungsverbundes SED Staat an der FU Berlin, der wissenschaftliche Leiter des Projektes, hat diese Fundstücke auf nur 400 qm in einen inhaltlichen Zusammenhang gesetzt:
"Man betritt also eine etwas gruftige Fläche mit Säulen und betritt sie durch eine Mauersituation, dann geht man so ein par Treppchen runter und ist mitten drin im DDR-Alltag, man geht zunächst auf ein Modell des Palastes der Republik zu, da kann man reinschauen durch die Fensterchen, da wird Erich Honecker reden auf dem 9. Parteitag, auf der anderen Seite sieht man die Eisdiele und die Bowlingbahn und insofern ist der Palast der Republik ja auch als symbolisch empfunden worden für diese beiden Seiten der DDR für Diktatur wie für Idylle. Was auf keinen Fall hier stattfinden wird ist eine musealisierte Ostalgieshow. Wir haben den Alltag der DDR eingeordnet und eingebunden in das politische System der DDR. "
Die Ausstellung ist überschaubar. Sie besteht aus einem original eingerichteten DDR-Plattenbau-Wohnzimmer, einem Filmvorführraum, einer Stasi-Abhöranlage mit Fernseher, Kassettenrecorder und Kopien von IM-Akten und 13 mannshohen Schränken mit kleinen beleuchteten Vitrinen und Schubläden zum aufmachen. Sie stehen für die 13 Themen der Ausstellung unter anderem Bildung, Familie, Wohnen, Einkauf, Mauer, Stasi.
Für den Besucher sollen die Eindrücke von Diktatur und Idylle hier erfahrbar werden. Es gelingt weitgehend, auch weil man fast alle Gegenstände in die Hand nehmen kann, in allen Büchern blättern, private Aufzeichnungen, auch Abhörprotokolle lesen, im Fernsehen von ARD auf DDR 1 schalten und im Radio von Stimme der DDR auf Berliner Rundfunk. Ständig kommt man mit anderen Besuchern des Museums oder mit den Führern ins Gespräch.
Das diffuse Gefühl jederzeit bespitzelt werden zu können, inszeniert das Museum durch echte Wanzen, durch die der Besucher fremde Leute in anderen Räumen abhören kann. Alltag einer untergegangen Gesellschaft. Auch auf Witze, Slogans, Sprüche stösst man hier, Zeugnisse, einer Welt, die heute nicht mehr vorstellbar ist:
"Was mich am meisten fasziniert hat, sind im Grunde auch Sachen, die sich schwer ausstellen lassen. Das sind diese Brigadetagebücher. Das rührt einen so an. Diese Fotos und diese Sprüche, liebevoll gemalt zum ersten Mai und zum Frauentag und all diese Sachen. Da wird wieder so eine Welt lebendig, die einen zum Teil so traulich anrührt und zum Teil auch wirklich brechreizerregend ist für mich. "
Dass das Konzept aufgehen wird, daran zweifeln die Macher nicht. Nur etwa 250 zahlende Besucher pro Tag brauchen sie, um mit einem kleinen Gewinn arbeiten zu können. Das ist machbar, denn das DDR-Museum bietet nicht nur die Ausstellung, sondern auch Führungen in fünf Sprachen. Für Schulklassen und internationale Besucher mag es schnell ein Muss werden.
Laufkundschaft ist durch die Nähe zur Touristenmeile "unter den Linden” garantiert. Dass die Macher ausdrücklich auf eine Zusammenarbeit mit der Kulturbürokratie des Bundes und Berlins verzichtet haben, wirft hingegen kein schräges Licht auf sie, sondern auf die Berliner Politik und ihre Expertenkommissionen.
Seit Jahren streiten sie darüber, ob auch der DDR-Alltag, nicht nur die Unterdrückungsmaschinerie, museal aufgearbeitet werden soll. Säulenmodelle werden diskutiert. Gedenkinstitutionen fürchten Mittelkürzungen. Vom Berliner Kultursenator ist dabei wenig richtungweisendes zu hören, wie von der Berlinischen Galerie, dem Stadtmuseum, ebenso wenig vom Kulturstaatsminister der Bundesregierung und seinen Vorgängern. Sie alle werden inzwischen von der Realität überholt.
Das private GmbH Mauermuseum am Checkpoint Charlie, und nun die private GmbH DDR-Museum im Domaquaree und wenn man will bald auch das geplante private West-Berlin Museum sind faktisch die wichtigsten Institutionen geworden, welche DDR und Teilungsgeschichte vermitteln. Man kann nun über diese kaum fassbare politische Verdrängungsleistung beklagen. Oder sich über die Ironie freuen, dass gestern die DDR als kapitalistische Initiative auferstanden ist und – wie der Schriftsteller Lutz Rathenow zur Eröffnung sagte: die Abstimmung über ihre weitere Existenz mit den Füßen vor der Kasse stattfindet.