"Dort hinten, wo Sie diesen Mast sehen, das ist eine Hanse 588, die zweitgrößte Hanse, die wir hier bauen".
Unterwegs mit Florian Nierich auf dem weitläufigen Gelände der HanseYachts-Werft. In einem Caddy geht es vorbei an aufgestapelten Paletten für lange Masten und für diverse Deckskomponenten. Aus einer Produktionshalle ragen gerade zwei weiß gestrichene, mindestens 30 Meter lange Jachten der Hausmarke "Hanse". Einige Bootsbauer wuseln auf den Decks umher, um die Boote für die 150 Meter entfernt fließende Ryck fertigzumachen. Nur noch eine Seemeile auf dem Fluss, und schon sei man im Greifswalder Bodden mit Verbindung zur offenen Ostsee. Ein unschlagbarer Standortvorteil, erklärt Florian Nierich.
"Jedes dritte Schiff, das wir hier bauen, wird hier unten ins Wasser gelegt und wird auch von den Kunden abgeholt. Wir haben auch Kunden aus Australien. Die kommen dann mit der Familie her, nehmen zwei Jahre frei und segeln das Schiff dann über den Seeweg zurück nach Hause nach Australien."
Andere Wettbewerber deutlich teurer
Das müssen die ozeantauglichen Wohnjachten der Marke "MOODY" sein, von denen kurz zuvor Geschäftsführer Jens Gerhardt berichtet hatte. Nur diese Segelboote seien mit einem Deckshaus und bodentiefen Fenstern nach allen Seiten versehen. Kein Kochen mehr unter Deck, sondern mit Blick auf die See und Essen sowieso.
"Einige Kunden verkaufen ihr Haus, ziehen auf die Moody und bleiben da für immer. Und da haben wir dann fünf von diesen großen Moodys in Tasmanien. Das gibt´s auch im Wettbewerb. Aber die Wettbewerber, die so was bauen, sind meistens viel, viel kleiner als wir, kaufen schlechter ein, sind schlechter ausgelastet. Dadurch sind die Produkte deutlich teurer."
Die HanseYachts AG könne die wirtschaftlichen Vorteile einer Serienwerft an die Kunden weitergeben, bestätigt Florian Nierich und öffnet die Tür zu einer riesigen Halle, wo unter anderem eine computergesteuerte Fräse Bretter millimetergenau zuschneidet.
"Wir befinden uns jetzt in der größten Tischlerei Mecklenburg-Vorpommerns, wo alle Möbel für unsere Schiffe gefertigt werden. Hier stehen wir vor der Küche von der Hanse 588. Was gerade groß im Trend ist, das ist eine Mittelinsel im Schiff. Die Module werden hier fertig zusammengebaut. Sie werden ins Schiff gehoben, werden dort montiert und angeschlossen, und somit können wir den Fertigungsprozess beschleunigen und auch die Qualität verbessern. Und das ist schon eine Revolution im Bootsbau, was auch die Werft ausmacht."
Weltweit die ersten Segeljachten mit Elektroantrieb
Hinauf in den zweiten Stock und durch eine Tür in die Nachbarhalle. Von dieser Ebene aus gelangen die Bootsbauer ins Innere der werdenden Jachten, von denen hier eine neben der nächsten steht - und jede für Preise zwischen 77.000 und anderthalb Millionen Euro längst verkauft.
Pro Jahr entwerfen über 30 hausinterne Ingenieure, Designer und technische Zeichner fünf bis sieben neue Segel- und Motorboote. Ihretwegen kann die Greifswalder Werft zudem die weltweit ersten seriengefertigten Segeljachten ohne Dieselverbrennung, dafür mit Elektroantrieb anbieten.
Doch die meisten der insgesamt 1.200 Kollegen am Stammsitz Greifswald und im polnischen Stettin sind damit beschäftigt, die Boote zusammenzubauen und auszustatten, sie zu schleifen, zu streichen, zu laminieren. Da sind Mundschutz für die eigene Gesundheit und Füßlinge zum Schutz der teuren Holzplanken Pflicht. Entsprechende Hinweisschilder finden sich überall in der Halle. Doch auf die Leute sei Verlass, sagt CEO Jens Gerhardt. Auch das verdanke man Unternehmensgründer Michael Schmidt. Denn der einstige Gewinner der prestigereichen Seglertrophäe "Admiral´s Cup" habe gleich nach der Wende 1990 das Greifswalder Potenzial erkannt.
"Ja, der Gründer hat das sehr gut ausgesucht, das Grundstück. Also zum einen hat man hier Boote gebaut seit 800 Jahren. Entsprechend sind auch alle unsere Leute am Band maritim affin. Da gibt es welche, die haben ein kleines Angelboot oder der Vater hat ein Schiff oder irgendwie. Die wissen, was sie bauen. Das ist hier Schiffbau."
Aktienwert im letzten Jahr verdoppelt
Das Geschäft sei so gut gewachsen, dass sich das Unternehmen 2007 an der Börse frisches Kapital besorgen musste, um damit eine neue, größere Werftanlage zu finanzieren. Kurz darauf folgte zwar erst einmal die Finanzmarktkrise. Doch während die Vorpommern einige Jahre lang lediglich ihre vergrößerten Kapazitäten nicht voll auslasten konnten, gingen die meisten Wettbewerber in anderen Ländern völlig in die Knie. Nun, da wieder viel Geld für Segeljachten und Motorboote im Umlauf sei, habe man vielleicht sogar die modernste Serienwerft der Welt, sagt Jens Gerhardt stolz. Nicht von ungefähr habe sich der Aktienwert des Unternehmens in den letzten zwölf Monaten verdoppelt.
"Unsere Aktie entwickelt sich sehr gut. Ich glaube aber trotzdem noch, dass wir sehr unterbewertet sind. Wir konkurrieren auf dem Weltmarkt. Dieser Markt ist total global. Die Boote sind ja gemacht, um die ganze Welt zu fahren. Entsprechend haben wir unsere Wettbewerber auch überall sitzen. Der größte in unserem Markt ist in Frankreich, und wir sind bei Segeljachten Nummer zwei weltweit."
Letzte Station auf der kleinen Werkstour.
"Da hinten wird gerade der Wassertest gemacht. Da ist über dem Schiff eine große Sprinkleranlage aufgestellt."
Die verspritzt jede Menge Wasser mit hohem Druck. Doch das Bootsinnere bleibt trocken. Keine Risse, keine falschen Löcher. Auch bei dieser blaugestrichenen Hanse-Jacht, einem Einsteigermodell für 77.000 Euro, sind Material und Verarbeitung von bester Qualität. Und das spricht sich herum - vor allem in Australien und in China.