Noch immer ist die Ostrale ein Ort der Entdeckungen, noch immer regiert auf ihr der Charme des Improvisierten, des Handgemachten, obgleich man sich in den letzten Jahren erkennbar professionalisiert hat. Dieses Jahr werden immerhin um 20.000 Besucher für das Festival der Gegenwartskunst in Dresden erwartet.
"Die Entwicklung ist schon sehr rasant in den letzten Jahren gelaufen, was aber auch Bedingung ist und vielleicht auch meinem Ehrgeiz entspricht. Mir ist gute Kunst und Qualität sehr wichtig, immer im Verhältnis natürlich mit dem, was man sich leisten kann, und das ist genau das, wo wir immer hinterherhinken, dadurch ist die Qualität nicht immer das, was wir hierher holen können, weil die uns teilweise einfach zu teuer sind, weil zu weit weg."
Beschreibt Andrea Hilger den derzeitigen Zustand der Ostrale recht genau. Hilger ist Künstlerin und zusammen mit Mike Salomon Mitbegründerin des Kunstfestivals, das in seinem Gründungsjahr 2007 eigentlich seiner Zeit fast ein wenig voraus war. Denn Hilger und Salomon, die eigentlich einen Ort für Tanzveranstaltungen gesucht hatten, luden damals viele Performancekünstler ein, drei Tage dauerte die Ostrale damals, 3500 Besucher kamen, ein bis heute unerreichter Tagesschnitt von mehr als 1000 Zuschauern also. Inzwischen erstreckt sich die Ostrale über mehr als zwei Monate bis Mitte September, mehr als 200 Künstlerinnen und Künstler aller Sparten stellen aus.
Fernab von internationalen Kunsthallenstandards
Mittlerweile gibt es Besuchertoiletten und ein Café, Schulveranstaltungen und auch einige größere Sponsoren. Aber wer durch die historischen, etwas schwer zu bespielenden Hallen des alten Schlachthofs im Dresdner Westen streift, bemerkt noch immer, dass diese Räume nicht mit internationalen Kunsthallenstandards mithalten können, dass es kaum eigene Ausstellungsarchitektur gibt, eine nur recht trübe Beleuchtung und schon gar keine Klimatisierung. Man sieht viele konventionelle Kunstformate: Malerei, Zeichnung, Fotografie, Skulptur, einige kleinere Installationen. Alles recht eng aufeinander, fast ein wenig wie bei einer kleinen Kunstmesse. Und es sind auch nach wie vor einige private Galerien mit im Boot, die sich auf Nachwuchskunst spezialisiert haben. Die Hälfte der Künstler kann sich nach wie vor selbst bewerben und wird von einer Jury ausgewählt, was nicht gerade zur Stringenz eines kuratorischen Konzeptes beiträgt. Das sieht natürlich auch Ostrale-Mitbegründerin Andrea Hilger:
"Wir haben nicht den Budgetrahmen, dass wir einfach nur einladen können und sagen können: Macht! Aber trotzdem ist es spannend, die Bewerbungsphase, weil man dort auch Sachen entdecken kann. Und dieses Entdecken ist auch ne ganz spannende Phase, und das möchte ich auch nicht missen!"
Der bisherige Verzicht auf manche internationalen Standards scheint aber in Dresden zugleich der große Trumpf der Ostrale zu sein. Gerade das Improvisierte und leicht Zugängliche zieht viel Publikum aus den östlichen Bundesländern an. Immer mehr expandiert die Ostrale in den Dresdner Stadtraum, startet Initiativen gegen Rechtsradikalismus und für die Akzeptanz von junger Kunst, lauter Baustellen, an denen sich andere Kunstorte in Dresden seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißen. Die Ostrale aber zieht das Publikum mehr und mehr an, und man mag sich nicht recht ausmalen, was aus ihr würde, wenn irgendein ehrgeiziger Investor käme, um aus ihr ein Hochglanzevent zu machen. Hochglanz hat Dresden genug. Der weitere Weg der Ostrale aber verspricht, interessant zu werden.