Es ist rund 12.000 Jahre her, dass mit der "Weichsel-Eiszeit" die vorerst letzte Eiszeit zu Ende ging. Dabei entstand aus dem Schmelzwasser riesiger Gletscher auch die Ostsee. Es sollte noch einige tausend Jahre dauern, ehe sie ihre heutige Form erhielt. Die letzten rund hundert Jahre reichten dem Menschen, um das kleinste Brackwassermeer der Welt in einen angeschlagenen Patienten zu verwandeln.
Das muss sich ändern, befand die Europäische Kommission und beschloss vor acht Jahren, dass die Ostsee 2021 gesund beziehungsweise – so der Fachausdruck – in einem "guten ökologischen Zustand" sein soll. Zunächst hatten die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, sich auf Definitionen, Kriterien und konkrete Ziele zu verständigen. Dann meldete die damalige CDU-FDP-Regierung für Deutschland elf Ziele nach Brüssel – im Bereich "Artenvielfalt" ebenso wie bei "Schadstoffen" und "Unterwasserlärm".
Schlechte Zwischenbilanz
Seit 2012 ist dieser Ostsee-Aktionsplan nun in Kraft, der viel mit Mecklenburg-Vorpommern zu tun hat, verfügt es doch über ca. 2.000 Kilometer Ostseeküste. Die Zwischenbilanz von Till Backhaus, dem Schweriner Landesumwelt- und Agrarminister:
"Wir haben für dieses kleinste Meer der Welt einen klugen Plan entwickelt mit dem Ziel, den guten ökologischen Zustand bis zum Jahr 2021 herzustellen. Das wird uns nicht gelingen. Leider. Denn Wasser hat einfach ein langes Gedächtnis. Und ehe diese Maßnahmen greifen, das dauert Jahrzehnte."
In einigen Bereichen waren die Ziele wohl zu hochgegriffen – jedenfalls für den relativ kurzen Zeitraum von knapp einem Jahrzehnt. In anderen Bereichen wurden nötige Schutzmaßnahmen zu lasch bzw. zu spät beschlossen oder inkonsequent bzw. noch gar nicht umgesetzt, räumt Till Backhaus ein. Dabei nutze der Mensch die Ostsee immer mehr und stresse sie enorm, so der SPD-Landespolitiker.
"Die Schifffahrt, die da hineinspielt. Auch der Einfluss der Schadstoffe, die immer noch eingeleitet werden. Da ist Plastik nur ein kleines Beispiel. Die Dioxine, auch die Schwermetalle, die immer noch von Land aus eingetragen werden. Das heißt: Wenn so will, kriegen wir die Ostsee ja nur in den Griff, wenn wir erst mal an Land begreifen, dass diese Einträge auf null gesetzt werden müssen. Und zwar sofort."
Landwirtschaft ist die größte Schadstoff-Quelle
Davon sind selbst Anrainerstaaten wie Deutschland mit seinen vergleichsweise modernen Abwasserkläranlagen noch weit entfernt. Die größte Quelle von Schadstoffen wie Phosphor und Stickstoff liegt zudem in der Landwirtschaft, und das gerade auch im Agrarland Mecklenburg-Vorpommern. Hier gelangt im konventionellen Bereich mit seinen teils hohen Viehbeständen oft derart viele Tiergülle als Dünger auf die Äcker, dass die Pflanzen längst nicht alle Nährstoffe aufnehmen können. Der Überschuss sickert ins Grundwasser und gelangt darüber auch in die Ostsee. Die Nährstoffwerte in den Flussmündungen von Warnow bis Peene und im Oderhaff lagen schon höher als heute, sind aber immer noch beachtlich. Mit Folgen.
Zu Gast beim "Ostseetag" Anfang September im Stadthafen Rostock. Gemeinsam präsentieren sich die größten Meeresforschungseinrichtungen von Mecklenburg-Vorpommern der Öffentlichkeit - eine Art "Tag der offenen Tür". Auch die "Elisabeth Mann Borgese" hat angelegt, das 56 Meter lange Forschungsschiff des Leibniz Instituts für Ostseeforschung Warnemünde. Damit stechen auch Michael Naumann und Alexander Darr gelegentlich in See.
An diesem Tag jedoch steht der eine der beiden Meeresforscher an Deck vor Schautafeln und erklärt anhand der bunten Grafiken, Balken und Zahlen, was sie bei ihren Expeditionen über Sauerstoffmangelzonen herausfinden. Der andere erwartet Besucher in einem der Schiffslabore und berichtet:
"Gerade die Küstengewässer sind noch sehr, sehr stark mit Nährstoffen belastet und haben auch andere Probleme. Das heißt, hier ist der Zustand eindeutig nicht gut. Die inneren Küstengewässer sind teilweise noch dramatisch schlecht. Als wir Anfang August gefahren sind durch die Mecklenburger Bucht, haben wir auch Wasserproben genommen aus dem bodennahen Wasserkörper, und der Sauerstoffgehalt war unter einem Milliliter pro Liter. Das ist schon viel zu wenig. Bei Fischen sagt man, ab vier Milliliter wird es schwierig. Und unsere bodenlebende wirbellose Würmer, Schnecken und Muscheln - die kriegen Probleme ab zwei Millilitern pro Liter Wasser."
Hohe Temperaturen vergrößern Sauerstoffmangel
Die Ostsee ist ein Brackwassermeer ohne direkten Zugang zu den offenen Ozeanen. Damit auch das Ostseewasser ausreichend Sauerstoff beinhaltet, muss es sich immer wieder mit dem salz- und damit sauerstoffreichen Nordseewasser durchmischen. Jeder Sturm, der eine Nordseewasserflut herüberdrückt, ist hochwillkommen. Doch oft reicht es nicht für die tiefen Ostseebecken. Was den Sauerstoffmangel vergrößert, sind langanhaltende hohe Temperaturen wie jetzt im ablaufenden Sommer. Je wärmer das Wasser, desto schlechter löst sich der Sauerstoff darin auf. Gut für Blaualgen, schlecht für die Tierwelt am Meeresboden, sagt Alexander Darr:
"Wenn wir jetzt reingucken in den Boden, also Bodenproben nehmen, was wir auch gemacht haben im August, dann müssten wir Muscheln sehen, diese großen Islandmuscheln. Die waren in einigen Bereichen schon weg. Wir müssten verschiedene Würmer sehen, andere Muscheln, die nur noch teilweise vorhanden waren. Was für uns ein klares Zeichen ist: Es ist noch Leben. Aber es ist deutlich weniger, als es sein sollte."
Der 41-jährige Meeresbiologe vom Leibniz Institut für Ostseeforschung in Warnemünde befasst sich mit dem Leben wirbelloser Tiere auf dem Meeresboden und weiß, dass eine dritte, ausschließlich menschengemachte Komponente den Sauerstoffmangel in der Ostsee so sehr verschärfen kann, dass es kritisch für das Meeresleben wird: Das sind die Einträge von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff.
Im Vergleich zu den 80er-Jahren sind diese Nährstoffeinträge deutlich zurückgegangen. Doch was einmal da ist, kann noch lange wie ein Brandbeschleuniger wirken. Zum einen ernähren sich Cyanobakterien davon, besser bekannt als Blaualgen. Die wiederum verbrauchen viel Sauerstoff und entziehen ihn damit anderen Lebewesen. Zum anderen regen Phosphor und Stickstoff das Wachstum von Phytoplankton an. Absterbendes Plankton sorgt für Licht- und Sauerstoffmangel, und das beeinträchtig das Leben von Seegräsern, Blasentang und Bodentieren. Meeresbodenforscher Darr zeigt seine Unterwasseraufnahmen aus dem August, aufgenommen in der Mecklenburger Bucht leicht westlich vor Kühlungsborn.
"Wir sehen jetzt hier in 20, 25 Metern Wassertiefe eine Menge größere und kleinere Steine, jede Menge Steine, auf denen Miesmuscheln siedeln. Auf diesen Miesmuscheln sind jede Menge Seesterne, die diese Miesmuscheln auffressen. So, jetzt sind wir ein bisschen tiefer in der Mecklenburger Bucht. Hier sehen wir einen Schlickboden. Auf dem Schlickboden haben wir eine organische Auflage, das heißt die Planktonblüte aus dem Frühjahr ist abgesunken und bedeckt jetzt den Meeresboden. Unter dieser Oberfläche ist quasi alles schwarz. Was wir gleich innerhalb der nächsten Minuten sehen können, sind weiße Flecken. Und diese weißen Flecken sind Schwefelbakterien, die für uns immer ein klares Zeichen für Sauerstoffmangel sind."
Sauerstoffmangel-Zonen wachsen
Unterdessen wächst die Zahl der extremen Sauerstoffmangel-Zonen in der Ostsee. Nahmen sie in dem geologisch dafür anfälligen Binnenmeer vor über einhundert Jahren noch rund 5.000 Quadratkilometer ein und betrafen ausschließlich tiefe Becken wie Arkona-Becken und Gotland-Becken, so haben sich die sogenannten Todeszonen laut skandinavischen Wissenschaftlern auf 60.000 Quadratkilometer ausgedehnt - das ist Weltrekord.
Und damit ist die Liste der Faktoren, mit denen der Mensch die Ostsee stresst, noch nicht zu Ende. Die Kadet-Rinne zwischen der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und der dänischen Insel Falster ist die meistbefahrene Schiffsroute. Vom supertiefen Massengutschiff über den Fischtrawler bis zu Tanker, Fähre, Kreuzfahrtschiff - sie alle verbreiten Dieselabgase, Unterwasserschall und auch so manchen Über-Bord-Verlust an Müll, Öl, Mikroplastik, sagt der Warnemünder Forscher Alexander Darr.
"Also in der Mecklenburger Bucht würde ich sagen: Das gesamte Gewässer ist nicht gut. Einer der Hauptgründe ist tatsächlich die Eutrophierung, die Überdüngung, die nicht nur zu diesen dramatischen Bildern führt, sondern auch an anderer Stelle zu einer Verarmung der Gemeinschaften und zu Veränderungen, die eindeutig nicht gut sind. Ich werde aber nicht müde auch darauf hinzuweisen, dass es Gebiete gibt, in denen es gut ist.
Die Hartböden im Bereich Fehmarn Belt oder auch Teile des Adlergrundes - das sind die küstenfernen Gebiete, wo wir eine hohe Artenvielfalt haben und die bedeutet sind als Rückzugsgebiete. Sei es für den Dorsch, sei es auch für meine Arten, die Muscheln und für die anderen Wirbellosen. Und es sind auch Gebiete, die meiner Meinung nach unter Schutz gehören, damit es auch so bleibt."
Rege Diskussion um Zustand der Ostsee
Volles Haus im Theater am Rostocker Stadthafen. Hochrangige Beamte aus einem Landes- und vier Bundesministerien sowie zwei Meeresbiologen diskutieren über den Zustand der Ostsee. Unter ihnen: Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz, denn der einst von Bonn an die vorpommersche Ostseeküste von Rügen versetzte Meeresbiologe kennt den Zustand der Ostsee doch schon sehr lange.
"Als ich vor etwas mehr als 25 Jahren den Auftrag erhielt, Meeresnaturschutz an dem Standort Insel Vilm für die Ostsee sozusagen aus der Wiege zu heben mit meinem Mitarbeiterteam, wurde mir gesagt: 'Wenn du an die Ostsee gehst, dann wirst du als erstes Thema finden: Giftgas. Das liegt da in Massen an den Stränden, das ganze Meer ist fast verseucht. Und zum zweiten ist es ein totes Meer die Ostsee mit massiven Sauerstoffmangelbereichen. Es gibt kaum noch Tiere da. Da lebt fast nichts. Und das Wasser - da kannst du vielleicht noch nicht mal drin baden.'"
Nichts von diesem Horrorszenario stimmte, erinnert sich der Henning von Nordheim.
"Ich habe keine Giftgasgranaten am Strand gefunden. Das Meer war in einem sehr schönen Zustand, und die Naturraumausstattung inklusive der Vogelarten wie Seeadler, die vom Meer leben, war für mich eigentlich schon atemberaubend. Aber es war auch klar, dass es sehr, sehr viel zu tun galt. Und das haben wir seit 1991/92 intensiv im internationalen Kontext in der Ostsee im Rahmen der Helsinki-Konvention eigentlich betrieben, und ich habe dort zehn Jahre lang die Biodiversitätsgruppe geleitet."
Biodiversität, also Artenvielfalt ist auch ein Kapitel im Baltic Sea Action Plan, den die EU-Kommission 2010 beschlossen hat und für das Deutschland sich viel vornahm. Doch auch auf diesem Podium sind sich alle einig: Die zweieinhalb Jahre bis 2021, wenn laut EU-Kommission die Ostsee wieder ökologisch gesund sein soll, reichen nicht.
"Es war bei der Formulierung schon klar, dass wir die zehn Jahre, die wir dann von 2012 bis 2021 ungefähr zur Verfügung haben, wahrscheinlich nicht in allen Aspekten ausreichen werden."
Seeadlerbestände haben sich erholt
Immerhin gebe es einige Fortschritte, was Deutschland angeht, schiebt der Meeresschützer mit Beamtenstatus hinterher.
"Wir bringen nicht mehr so viel Nährstoffe auch in Deutschland ins Meer ein. Gleichwohl ist der Nährstoffbestand im Wasser sehr, sehr hoch, und deshalb wir eben so viele Blaubakterien-Probleme und Blüten. Wir müssen auch feststellen, dass gerade beim Artenschutz unsere Seeadlerbestände sich deutlich erholt haben im Lande Mecklenburg-Vorpommern. Die Kegelrobben kommen endlich wieder zurück, nachdem wir sie vor hundert Jahren hier ausgerottet haben.
Oder wir stellen auch fest, dass es einigen Vogelarten, die nicht so bekannt sind, auch relativ gut geht im Lande. Wo wir keine Fortschritte haben, ist allerdings die generelle Belastung verschiedener Lebensräume. Also die Belastung der verschiedenen Sandbänke, der Riffe, der Algenwälder, wo ich jetzt Großalgen meine, die wir unter Wasser haben, oder auch der Küstenregionen hat sich leider in den letzten Jahren nicht substantiell verbessert."
Im Publikum sitzen auch Schüler. Sie hören zum ersten Mal von dem europäischen Helsinki-Prozess zum Schutz der Ostsee und von dem daraus entsprungenen "Ostsee-Aktionsplan". Dass das Meer in zweieinhalb Jahren keineswegs in einem "guten ökologischen Zustand" sein wird, überrascht Maja nicht. Die Gymnasiastin stellt fest: Wann immer das Publikum in der Diskussion etwas Konkretes zum schnelleren Schutz der Ostsee vorgeschlagen habe , hieß es von den Ministerialen: `Verbieten geht nicht so einfach. `
"Ich selbst tauche auch in der Ostsee, und mir war nie bewusst, wie gefährdet das eigentlich ist. Hier gibt es so viele Probleme, und trotzdem werden diese Ziele irgendwie nicht genug angegangen, nicht richtig priorisiert. Und jetzt sind wir wieder in so einem Teufelskreis. Es fängt alles wieder von vorne an: Alle Probleme werden wieder angesprochen; man muss alles angehen. Aber ich glaube, man muss irgendwo anfangen."
Yannis nimmt als gute Nachricht mit, dass das Bundesumweltministerium mit einigen großen Kosmetikherstellern eine freiwillige Vereinbarung getroffen hat, auf Mikroplastik in Zahnpasta und Peelings zu verzichten. Wenn die Unternehmen sich daran halten, könnten daraus schon mal keine Plastikpartikel mehr ins Abwasser und damit irgendwann auch in die Ostsee gelangen. Doch auch dies war ihm neu:
"Wir hatten über 100.000 - wie hießen die Wale noch mal? - Schweinswale. Jetzt haben wir 500. Das hat mich schon ein bisschen geschockt, als ich das gehört habe."
Dramatischer Rückgang der Schweinswale
Die Gefahrenquellen für die Schweinswale sind vielfältig und menschengemacht: Überfischung, chemische Wasserverschmutzung, Unterwasserlärm durch Schiffsmotoren wie Bodenarbeiten für Energietrassen und Windparkfundamente. Vor allem aber gehen Schweinswale in Stellnetzen zugrunde, sagt Henning von Nordheim vom Bundesamt für Naturschutz. Stellnetze bestehen aus zahlreichen feinen Nylonfäden und ermöglichen auch dem Beifang kein Entkommen - also jenen Meerestieren, auf die die Fischer gar nicht aus sind. Vor allem Jungtiere verheddern sich darin. Doch so radikal wie diverse Naturschutzverbände, die ein Fischereiverbot in Schweinswalgebieten fordern, sind bislang weder die zuständigen Politiker noch Meeresbiologe von Nordheim.
"Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, mit alten historischen Reusen-Apparaten zu arbeiten, den sogenannten Kumreusen, wo Schweinswale eben nicht ertrinken, wenn sie sich aus Versehen verschwimmen. Also es müssen nicht immer nur neue Hightech-Instrumente sein. Nicht immer radikale Verbote. Ich bin überhaupt kein Befürworter von radikalen Verboten, wo es technologische Alternativen gibt. Eine andere Art, die Schweinswale zu schützen ist, zu bestimmten Jahreszeiten, wenn sie ihre Jungen gebären, vielleicht wohlgemerkt ein paar Monate im Jahr - Fischerei mit Stellnetzen dort nicht zu praktizieren."
Zu Gast beim Thünen-Institut für Ostseefischerei Rostock, wo man umweltschonende Fanggeräte entwickelt und den Zustand der Fischbestände in der Ostsee erforscht. Derzeit geht es von den 14 kommerziell genutzten Fischarten der Ostsee zweien schlecht: dem Aal und dem Hering.
Vor allem dem Hering schadet es sehr, dass er mittlerweile bis zu zwölf Tage vor dem normalen Mittel das Signal bekommt, seine Kinderstube im Greifswalder Bodden aufzusuchen und dort zu laichen. Die Winter sind zu milde, das Wasser zu früh warm. Die Folge: Der Heringsnachwuchs verhungert, weil die Larven von Kleinstkrebsen so früh noch nicht zur Verfügung stehen.
Klimawandel macht Heringen zu schaffen
Zwar erklärte das Leibniz Institut für Ostseeforschung Warnemünde kürzlich, dass im Jahrestemperaturdurchschnitt kein klarer Trend zu einer Ostseeerwärmung zu erkennen sei. Doch nicht Durchschnittswerte seien entscheidend für die Fischbestände, sondern die richtige Wassertemperatur zu ganz bestimmten Winterzeiten an ganz bestimmten Orten, sagt der Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Christoph Zimmermann.
"Und da reichen zwei Grad mehr, um das ganze sorgfältig eingestellte Gefüge zwischen 'Wann muss der Heringsnachwuchs an welcher Stelle sein, um ausreichend Nahrung zu haben?' - dieses Gefüge gerät aus dem Lot. Das führt dazu nach unserer Erkenntnis, dass der Heringsbestand weniger produktiv ist und jetzt die Heringsfischerei, selbst wenn der Bestand in gutem Zustand wäre, nur noch halb so viel Hering ernten konnten, wie sie sie noch vor 30 Jahren ernten konnten. Das sind einfach mal vierzig-, fünfzigtausend Tonnen Hering, die in der Anlandestatistik fehlen - aufgrund, wie wir glauben, des Klimawandels, selbst wenn er nicht überfischt wäre, was er zurzeit ist."
Auch die Fischerei findet sich im Ostsee-Aktionsplan der EU, den die Umweltminister der Mitgliedsstaaten bereits seit März umschreiben und im Oktober diskutieren wollen. Ob es mit der Ostsee-Rettung diesmal klappt? Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls habe viele Hausaufgaben erfüllt, sagt der Landesminister für Umwelt, Landwirtschaft und Fischerei.
Till Backhaus verweist darauf, dass seit diesem Jahr im Nordosten eine strengere Düngemittelverordnung gilt als im Nachbarland Schleswig-Holstein mit dessen grünem Umweltminister.
"Wir haben 2.500 Hektar Flächen gekauft, die wir in die Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie einsetzen. Das heißt, Flächen liegen an den Gewässern, und die werden quasi für die Renaturierung bereitgestellt. Oder daraus werden Blühwiesen, oder es werden Hecken gepflanzt. Wir haben 276 wasserseitige Nährstoffsenken angelegt."
Forschung über Reduzierung von Phosphor
SPD-Mann Till Backhaus berichtet auch stolz vom sogenannten "Phosphor-Campus", zu dem sich die fünf in Mecklenburg-Vorpommern sitzenden Leibniz-Institute und die beiden Universitäten Greifswald und Rostock zusammengeschlossen haben. Sie forschen daran, den Phosphor-Einsatz in der Landwirtschaft zu verringern – Stichwort: Tierfutter. Zugleich suchen sie nach Verfahren, um den als Rohstoff immer seltener werdenden Phosphor aus Klärschlamm und Gülle rückzugewinnen.
"Und da sind wir ziemlich an der Spitze der Bewegung weltweit, und das ist doch auch ein Lichtblick."