Es klingt wie eine gute Nachricht: Die neue, von Wolodimir Groisman geführte Regierung schafft ein Ministerium eigens für die besetzten Gebiete, also den Donbass und die Krim. Höchste Eisenbahn, findet der Parlamentsabgeordnete Alex Rjabchin, der selbst aus Donezk stammt und seit anderthalb Jahren ein solches Ministerium fordert. Denn das wäre ein wichtiges Signal an die Bürger.
"Die Leute dort sehen nichts von der Regierung in Kiew. Sie sind von ihrem Staat enttäuscht. Wenn in Slawiansk eine zerstörte Brücke oder in Mariupol das ausgebrannte Gebäude der Stadtverwaltung nicht repariert werden, dann sind das Zeugnisse von staatlicher Impotenz. Die Leute werten das als Gleichgültigkeit oder schlimmer: als Kapitulation, dass das Gebiet ohnehin bald an Russland fällt. Es müsste umgekehrt sein, die Regierung müsste sichtbar sein, damit die Menschen an die Ukraine glauben."
Der Journalist Olexej Matsuka vom unabhängigen Bürgerfernsehen ist auf das neue Ministerium schlecht zu sprechen. Nicht weil es überflüssig ist, ganz im Gegenteil.
"Seit zwei Jahren warten wir auf ein Zentrum, das alles registriert, was in diesen besetzten Gebieten vor sich geht. Mit dem Ministerium haben die Menschen die Hoffnung, dass jetzt systematisch erfasst wird, welche Verbrechen dort verübt werden. Also Diebstahl ihres Eigentums, Menschenrechtsverletzungen, die Einschränkung ihrer Freiheiten durch die Separatisten. All das wird bis zum heutigen Tag nur von Nichtregierungsorganisationen dokumentiert."
Nur ein Trick?
Doch seine Vermutung ist, dass mit dem zusätzlichen Ministerium lediglich die Stimmenmehrheit für die Präsidentenpartei von Petro Poroschenko und Premier Groisman im Kabinett sichergestellt werden soll. Vor allem moniert der Donezker Journalist, dass sich die ukrainischen Behörden nicht um die Belange der Menschen kümmern, sondern eine ganz eigene Agenda verfolgen.
"Sie registrieren, welcher Unternehmer in den besetzten Gebieten tätig ist und Steuern zahlt. An die sogenannte Volksrepublik. Das tun ukrainische Behörden. Sie haben es bislang nicht für nötig erachtet zu untersuchen, warum die Separatisten Städte besetzen konnten oder wer in den Kämpfen getötet wurde. Aber gegen die Unternehmer gehen sie akribisch vor, um sie zu beschuldigen, den Terror zu finanzieren. Die Unternehmer, die den Menschen trotz des Krieges die Arbeitsplätze erhalten haben, kommen auf Fahndungslisten, weil sie angeblich die Separatisten und damit Terroristen finanzieren. Diese Fahndungslisten bekommen die Polizei und die Steuerfahndung. Und die Unternehmer zahlen jetzt große Summen Schmiergeld, um von diesen Listen wieder gestrichen zu werden."
Ginge es der Regierung tatsächlich um eine Verbesserung der Lebenssituation für die Bevölkerung, würde sie das zeitraubende Grenzkontrollsystem erleichtern, den Menschen erlauben, so viele Lebensmittel, wie sie brauchen, in die besetzten Gebiete zu bringen und die Verbindung wieder herzustellen zwischen den sogenannten Volksrepubliken und dem ukrainisch kontrollierten Territorium.
"Es geht um die Existenz"
"Man muss die Wirtschaftsblockade gegen die besetzten Gebiete aufheben und die Bahnverbindung in den Donbass wieder aufnehmen, denn warum sollte man dorthin nicht mit dem Zug fahren können, wenn es mit dem Bus die ganze Zeit geht? Man sollte in Veröffentlichungen klar machen, dass sich dort Bürger unseres Landes befinden und keine Verräter. Man muss den Menschen helfen, mit dieser Situation zurechtzukommen, deren ganzes Leben auf Kopf gestellt wurde. Es wird keinen schnellen Sieg geben, es geht um die Existenz."
Am häufigsten klagen die Bürger im Donbass darüber, dass Kiew Renten und Sozialleistungen nicht in die besetzten Gebiete überweist. Oleksandr Hryschtschenko ist aus Lugansk nach Kiew geflohen und fühlt sich von den ukrainischen Behörden im Stich gelassen.
"Wir durften bei den Wahlen nicht mit abstimmen. Damit machte man uns klar, dass wir für sie keine Bürger mehr sind. Und das obwohl wir uns gegen die Separatisten und für die Regierung in Kiew entschieden haben, als wir geflohen sind. Ich habe einen Flüchtlingsausweis bekommen und zwei Mal 400 Griwna. Das war erniedrigend."
Insgesamt 30 Euro in einem Jahr für den heutigen Flüchtling, der in Lugansk ein Beamter war.