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Ostukraine
Separatisten stürmen weitere Gebäude

Nach der Besetzung der Regionalverwaltung im ostukrainischen Lugansk haben prorussische Separatisten auch das Polizeihauptquartier der Stadt gewaltsam gestürmt. Der ukrainische Übergangspräsident Turtschinow warf den Sicherheitskräften im Osten des Landes Unfähigkeit vor und bezeichnete sie als Verräter.

    Unter den Angreifern waren etwa 50 schwer bewaffnete Männer in schwarzen Kampfanzügen oder Uniformen, die Schüsse auf die Fenster des Gebäudes feuerten. Die Polizei setzte Blendgranaten und Tränengas ein. Die Separatisten hatten vorher bereits die Regionalverwaltung besetzt und haben weitere Verwaltungsgebäude unter ihrer Kontrolle.
    Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow beschimpfte die Polizisten im Osten des Landes als "Verräter" und warf ihnen Untätigkeit vor. "Die große Mehrheit der Sicherheitskräfte im Osten ist nicht in der Lage, ihre Pflicht zu erfüllen und unsere Bürger zu schützen", sagte er. Die Ereignisse im Osten des Landes zeigten die "Machtlosigkeit und in einigen Fällen kriminelle Niedertracht" der Polizei.
    Moskau will keine neuen Sanktionen gegen den Westen
    Russland sieht derzeit keine Notwendigkeit dafür, weitere Sanktionen gegen den Westen zu verhängen. Präsident Wladimir Putin betonte jedoch, wenn sich die Strafmaßnahmen gegen sein Land fortsetzten, müsse man darüber nachdenken, mit welchen Unternehmen man künftig zusammenarbeiten wolle.
    Die Botschafter der EU-Staaten hatten sich auf 15 Namen geeinigt, nachdem die Lage in der Ostukraine weiter eskaliert war. Die neuen Einreiseverbote und Kontensperrungen der EU treffen eine Reihe russischer Spitzenpolitiker sowie maßgebliche Vertreter der prorussischen Aufständischen im Osten der Ukraine.
    Die im Amtsblatt der EU veröffentlichte Namensliste wird angeführt vom russischen Vize-Ministerpräsidenten Dmitri Kosak. Zu den anderen prominenten Betroffenen gehört der Vertreter von Staatspräsident Wladimir Putin im "Föderationskreis Krim", Oleg Belawenzew. Auch der Chef des russischen Militärgeheimdienstes, Igor Sergun, sowie Generalstabschef Waleri Gerassimow und der russische Krim-Minister Oleg Saweljow stehen auf der EU-Sanktionsliste. Andere Betroffene sind der amtierende Gouverneur der ukrainischen Stadt Sewastopol, Sergej Menjailo, sowie die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der russischen Duma, Ljudmila Schwezowa und Sergej Newerow.
    Russisches Außenministerium: "Vollkommen kontraproduktiv"
    Das russische Außenministerium warf der EU am Dienstag vor, mit den "neuen unfreundlichen Gesten" gegenüber Russland den "Befehlen Washingtons" zu folgen. Einer der stellvertretenden Außenminister Russlands, Grigori Karasin, sagte laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, die westlichen Sanktionen seien "vollkommen kontraproduktiv" und steuerten in eine Sackgasse. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow warf den USA vor, mit ihrer Sanktionspolitik in die Zeiten des "Eisernen Vorhangs" zurückzufallen.
    Baldige Freilassung der Inspektoren?
    In der Ukraine kommt derweil Bewegung in die Gespräche über die festgehaltenen westlichen Militärbeobachter. Der Separatistenführer und selbsternannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk sprach auf einer Pressekonferenz von Fortschritten. Der "Bild"-Zeitung sagte er zudem, es sehe so aus, als könnten die Inspektoren bald freigelassen werden, und zwar ohne Geiselaustausch. Die Separatisten hatten die Militärbeobachter, darunter vier Deutsche, am Freitag in ihre Gewalt gebracht.
    Schröder und Putin feiern zusammen
    Unterdessen wird ein Treffen von Altkanzler Gerhard Schröder mit Kremlchef Wladimir Putin kritisch diskutiert. Schröder feierte seinen 70. Geburtstag im russischen St. Petersburg nach. Als Putin in einer Wagenkolonne am Jussupow-Palais ankam, wurde er bereits von Schröder erwartet. Beide umarmten sich vor dem Palais herzlich. Schröder und Putin gelten als enge Freunde. Der SPD-Politiker war am 7. April 70 Jahre alt geworden. Bei der Feier handelte es sich nach einem Bericht des Internetportals fontanka.ru um einen Empfang der Nord Stream AG. Schröder ist Vorsitzender des Aktionärsausschusses des Unternehmens, das die gleichnamige Ostsee-Pipeline betreibt und vom russischen Staatskonzern Gazprom dominiert wird.
    Altkanzler Gerhard Schröder begrüßt Kremlchef Wladimir Putin
    Altkanzler Gerhard Schröder und Kremlchef Wladimir Putin ( picture alliance / dpa / Anatoly Maltsev)
    Parteifreunde distanzieren sich von Schröder
    Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, sagte, Schröder habe mit dem Treffen die Bemühungen der Bundesregierung zur Eindämmung der Krise in der Ukraine torpediert. Selbst Parteifreunde des Alt-Kanzlers gingen auf Distanz. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, stellte klar, dass es sich um ein "privates Treffen" gehandelt habe. Er äußerte im Deutschlandfunk aber die Hoffnung, dass sich der Alt-Kanzler im Gespräch mit Putin für eine Lösung des Ukraine-Konflikts eingesetzt habe. Dann, so Mützenich wörtlich, "wäre das Treffen zumindest noch hilfreich gewesen".
    Auch CDU-Parlamentarier bei Empfang anwesend
    Kritik an Schröder kam auch aus der Union. "Ich war befremdet über das Umarmungsbild", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nach der Klausursitzung der Koalitionsspitzen in Königswinter. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, er könne die Begegnung von Schröder und Putin nach derzeitigem Stand "nicht als hilfreich betrachten".
    Allerdings: Bei dem Empfang war einem Bericht zufolge auch der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder anwesend. Nach Angaben der Tageszeitung "Die Welt" bestätigte Mißfelder Meldungen über seine Teilnahme an der Geburtstagsfeier. Der CDU-Politiker wolle sich jedoch nicht näher zu dem Vorgang äußern und sprach gegenüber der Zeitung von einer "privaten Reise".
    (pg/nch/ach/tön)
    Die OSZE in der Ukraine

    Im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind derzeit Militär- und zivile Beobachter in der Ukraine im Einsatz.

    Die OSZE beschloss am 21. März mit der Zustimmung aller 57 Mitgliedsstaaten - also auch Russlands - einen zivilen Beobachtereinsatz in der Ukraine. Diese Mission begann einige Tage später. Etwa 100 Beobachter sind vor allem im Osten und Südosten der Ukraine tätig, sechs weitere in der Hauptstadt Kiew.

    Parallel dazu sind Militärbeobachter auf bilateraler Basis in die Ukraine entsandt worden. Grundlage für den Einsatz ist das sogenannte Wiener Abkommen. Es wurde 1990 beschlossen und gilt in den 57 OSZE-Staaten vom Atlantik bis zum Ural. In ihm sind Mechanismen verankert, die das Risiko einer militärischen Konfrontation verringern und mehr Vertrauen zwischen den Mitgliedsländern schaffen sollen.

    Während Russland dem zivilen Einsatz zustimmen musste, war dies bei der Mission der militärischen Inspektoren nicht der Fall. Es sind Mitglieder dieser militärischen Mission, die seit Freitag, 25. April, von Separatisten festgehalten werden. Unter ihnen sind drei Bundeswehroffiziere und ihr Dolmetscher. Sie waren auf Einladung der Ukraine im Land und waren unbewaffnet. Deutschland führt den Einsatz, ein Oberst der Bundeswehr ist Chef der Inspektorengruppe.

    Die ersten Inspektoren wurden Anfang März in die Ukraine geschickt, als sich die Situation auf der Krim zuspitzte. Die damals 51 Offiziere aus 28 Staaten sollten eigentlich die Lage auf der Halbinsel überprüfen, wurden aber nicht dorthin durchgelassen. Mit der Eingliederung der Krim in das russische Staatsgebiet Ende März verlagerten die Inspektoren ihren Einsatz in den Osten und Süden der Ukraine. Die Bundeswehr entsandte mehrfach Offiziere in die Inspektorenteams.

    Die deutschen Beobachter, auch der Dolmetscher, stammen vom Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen. Dort gibt es 140 Militärbeobachter, die speziell für solche Einsätze ausgebildet sind.