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Ostukraine
Versorgungengpässe in Luhansk spitzen sich zu

Luhansk im Osten der Ukraine ist fest in der Hand der prorussischen Separatisten. Die Versorgungslage dort ist katastrophal. Neben Stromausfällen und Nahrungsknappheit kämpfen die Menschen mit Wasserknappheit und Hygieneproblemen.

Von Florian Kellermann |
    Vermummte prorussische Separatisten
    Prorussische Separatisten griffen ukrainische Grenzsoldaten im Lugankser und Donezker Gebiet an. (Maksim Blinov, dpa)
    Alla Haponowa lässt verärgert ihr Handy in die Handtasche gleiten. Eine Freundin hat sie gerade angerufen, nach zwei Wochen das erste Lebenszeichen - und dann brach wieder die Verbindung gleich wieder zusammen. Immerhin, es scheint ihr gut zu gehen - alles andere als eine Selbstverständlichkeit in diesen Tagen, denn die Freundin wohnt immer noch in Luhansk.
    "Es gibt nur noch wenige Punkte in Luhansk, von wo aus die Menschen manchmal eine Mobilfunkverbindung haben. Am Stadtrand oder ganz oben in einem der hohen Wohnhäuser. Da war es allerdings gefährlich bis zur Waffenruhe, weil diese Häuser leicht getroffen wurden. Mit einer Großtante haben wir schon seit über einem Monat keinen Kontakt mehr. Sie hat kein Handy, und das Festnetz ist ja völlig ausgefallen. Zum letzten Mal habe ich am 4. August mit ihr gesprochen."
    Knapp die Hälfte der früher 430.000 Einwohner soll noch in Luhansk leben - der Stadt, die fest in den Händen der Separatisten ist. Die anderen, die geflohen sind, machen sich nun Tag und Nacht Sorgen - Alla vor allem um ihre Freunde, die Eltern wohnen etwas nördlich im Donezk-Becken, wo es kaum Kämpfe gab.
    Leben in Luhansk bleibt gefährlich
    Natürlich hat der Waffenstillstand ihre Nerven ein bisschen entspannt. Nach monatelangem Dauerbeschuss fallen seit fünf Tagen keine Granaten mehr auf die Stadt. Aber das Leben in Luhansk ist gefährlich geblieben - vor allem wegen der katastrophalen Versorgungslage. Viele haben schon jetzt zu wenig zu essen, sagt Alla.
    "Es gibt Punkte, wo die Menschen ein Essenspaket bekommen können, aber pro Kopf nur einmal in zehn Tagen. So ein Paket enthält ein halbes Kilo Zucker, ein halbes Kilo Reis oder Nudeln, zwei Fleischkonserven und etwas Speiseöl. "
    Kein Strom, kein Wasser
    Manche Geschäfte haben noch geöffnet und verkaufen das Allernotwendigste zu überhöhten Preisen.
    Noch weit dramatischer ist, dass es seit über einem Monat in weiten Teilen der Stadt keinen Strom mehr gibt - und damit auch kein fließendes Wasser. Die Menschen holen das Wasser mit Plastikflaschen aus Vororten, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Es reicht ihnen gerade zum Trinken, doch kaum für die Hygiene. Wer noch eine Datscha mit einem Plumpsklo hat, kann sich glücklich schätzen und die Fäkalien einigermaßen hygienisch entsorgen. In den Wohnblocks ist das nicht möglich.
    Krankheitserreger können sich auch aus anderen Gründen ausbreiten, sagt Alla.
    "Nach Artillerie-Einschlägen haben die Nachbarn die Toten gar nicht mehr ins Leichenhaus gebracht oder auf den Friedhof, weil ja nichts mehr funktioniert. Sie haben sie einfach im Hof begraben - und das bei dem oft sehr heißen Wetter. Es gibt außerdem kaum noch Ärzte vor Ort, viele sind geflohen. Ich habe gehört, dass die Krankenhäuser nur Operationen durchführen, und auch hier nur die notwendigsten."
    Die 37-jährige Alla wohnt mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Borispil, 30 Kilometer östlich von Kiew. Sie ist schon im Juni aus Luhansk geflohen. Dort ließ die Familie ein kleines Haus zurück, als im Nachbargarten eine Granate einschlug.
    Alla hat gerade den sechsjährigen Arsenij zum Schwimmunterricht gebracht, damit hatte er schon in Luhansk begonnen.
    Während sie bei einem kleinen Brunnen auf ihn wartet, feiert nebenan in einem Restaurant eine Hochzeitsgesellschaft. Alla schüttelt nur den Kopf:
    "Diese Leute hier um einen herum, wie können sie nicht begreifen, dass es ihnen morgen schon genauso gehen kann wie uns? Sie denken an Hochzeiten und Geburtstage und daran, welches Kleid sie kaufen werden, sie veranstalten Feuerwerke! Wie kann es Feuerwerke geben, wenn im Land ein Krieg im Gang ist?"
    Die geflohenen Luhansker tauschen sich vor allem über das Internet aus. Dort erfuhren sie in den vergangenen Monaten, welche Straße getroffen wurde und wer wohin geflüchtet ist. So organisieren sie auch Hilfe für die Daheimgebliebenen. Denn Post geht in das Separatisten-Gebiet schon lange nicht mehr. Wer etwas schicken will, gibt es einem Privatkurier mit, auch einem Nachbarn oder einem Freund. Viele nutzen gerade die Feuerpause, um Winterkleidung aus ihren Wohnungen zu holen. Auch der Mann von Alla denkt deshalb über einen Kurzbesuch in Luhansk nach.
    "Trotzdem hoffe ich natürlich sehr, dass wir wieder ganz zurückkehren können. Ich weiß nicht, zu welchen Göttern ich noch beten und in welche Tempel ich noch gehen soll, aber ich persönlich glaube an dieses Wunder. "