In einem Café in Donezk haben sich drei Freunde getroffen. Maxim, der Journalist, Schenja der Ingenieur, und Ljuba, die derzeit ohne Arbeit ist. Die drei vertreten hier, in der Bergarbeiterstadt in der Ostukraine, den Protest gegen Präsident Viktor Janukowitsch. Während in der Hauptstadt Kiew Zigtausende auf die Straße gehen, ist die Innenstadt von Donezk mit seinen knapp eine Million Einwohnern wie ausgestorben. Bis vor Kurzem waren es wenigstens an die Hundert Menschen, die Maxim Kasjanow täglich zum Donezker Euro-Maidan zusammentrommelte.
"Aber zuletzt sind immer wieder Gruppen von Halbstarken aufgetaucht, haben Eier geworfen und Schlägereien angefangen. Sie wurden von der Partei der Regionen von Janukowitsch bezahlt, da bin ich sicher. Dann ist auch noch die Temperatur stark gefallen, deshalb haben wir entschieden, eine Pause zu machen."
Janukowitsch-Gegner haben in Donezk einen schweren Stand. Der Präsident stammt aus der Gegend, hier hat er bei der Wahl 2010 die meisten Stimmen bekommen. Hier - an der Grenze zu Russland - befürworten auch viele seine außenpolitische Kehrtwende. Sie begrüßen es, dass Janukowitsch der EU einen Korb gab, im vergangenen November beim Gipfel in Vilnius, und das Assoziierungsabkommen doch nicht unterschrieb.
Die Menschen hier wüssten einfach viel zu wenig über die EU, meint Maxim. "Sie informieren sich vor allem durch das Fernsehen, und die meisten Sender sind mit der Partei der Regionen von Janukowitsch verbunden. Dabei wollen die Leute auch hier leben wie in Europa, wo alle gleich sind vor dem Gesetz. Die Menschen schätzen europäische Werte, aber ihnen wird Angst gemacht: Es heißt, ihre Gehälter sinken und die Preise steigen, wenn wir uns der EU annähern."
Wie in Kiew distanzieren sich die Donezker Euro-Aktivisten von den Oppositionsparteien. Besonders enttäuscht sind sie von der Partei Udar von Vitali Klitschko. Deren Bezirksverband habe einen Protest vor Janukowitschs Haus organisiert, obwohl dort nur dessen Frau wohnt - eine sinnlose Aktion, meint Maxim.
Demonstrationen für Janukowitsch
Seit dieser Aktion veranstaltet die örtliche Präsidentenpartei regelmäßig Demonstrationen für Janukowitsch. Aber auch sie sind schlecht besucht. Vor die Bezirksverwaltung sind am Sonntag Mittag rund 80 Menschen gekommen. Die Redner erklären, das Land stehe vor einem Bürgerkrieg - wegen der Demonstrationen in Kiew. Angestachelt werde das vom Westen.
Die Menschen hier glauben das und sind aufgebracht, so auch eine 62-jährige Rentnerin: "Warum berät sich Angela Merkel nur mit Vitalij Klitschko? Und der andere Oppositionspolitiker trifft sich mit Vertretern der USA? Ich nehme an, Deutschland und Amerika finanzieren die Unruhen in Kiew, anders kann ich mir das nicht erklären."
Eine andere Dame hält eine Russlandfahne in der Hand. "Ich bin für Freundschaft mit Russland, da leben mein Sohn und meine Enkelin. Europa brauchen wir nicht."
Warum nicht mehr Donezker zur Demonstration kommen und ihre Meinung sagen? Die Menschen hier arbeiteten hart, sagen die Frauen, Politik sei nicht so ihre Sache.
Angst vor der EU
Umfragen weisen auf einen anderen Grund für die politische Apathie in der Ostukraine hin: Viele hier haben zwar Angst vor dem Westen und der Europäischen Union und verurteilten deshalb die Proteste in Kiew. Von Janukowitsch aber sind sie ebenso enttäuscht. Ihr Leben sei den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden, sagt Michail, ein Designer, der an der Demonstration teilnimmt.
"Selbst für einen Kindergartenplatz muss man bei uns schmieren, am besten gleich, wenn die Frau schwanger wird. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung kostet 250 Euro, genauso viel, wie ich im Monat verdiene. Schuld daran sind die Politiker, die uns schlicht und einfach beklauen."
Besser an Janukowitsch sei nur, dass er für eine Partnerschaft mit Russland stehe, so Michail. Schließlich sei das eine befreundete Nation. Auf die entscheidende Frage, wie die West- und die Ostukrainer in der Außenpolitik einen gemeinsamen Nenner finden können, hat auch er keine Antwort.