Archiv

OSZE
Kein Zutritt zur Krim

Mitglieder der OSZE versuchen, zur ukrainischen Halbinsel zu gelangen, doch bewaffnete prorussische Milizen verhindern das, sagte OSZE-Beobachter Hayko von Rosenzweig im Deutschlandfunk. Dennoch sei es wichtig herauszufinden, wie sich "diese militärischen Aktivitäten auf der Krim darstellen."

Hayko von Rosenzweig im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Das OSZE-Logo über Länderflaggen.
    42 Militärbeobachter der OSZE aus 22 Nationen versuchen, auf die Krim zu gelangen. (dpa/picture alliance/Michal Krumphanzl)
    Dirk-Oliver Heckmann: Die Meldungslage ist nach wie vor unübersichtlich. Das liegt nicht zuletzt daran, dass prorussische Kräfte den internationalen Beobachtern den Zutritt zur ukrainischen Halbinsel Krim verwehren. Insofern ist schwer nachzuprüfen, was wirklich geschehen ist. Es scheint so zu sein, dass prorussische Einheiten einen Raketenstützpunkt gestürmt haben. Später sind sie aber offenbar wieder abgezogen. Fest steht, der Nervenkrieg um die Krim geht unvermindert weiter.
    Die Mitglieder der OSZE-Mission starten also gerade einen neuen Versuch, sich Zutritt zur Krim zu verschaffen. Im Bus, auf dem Weg dorthin, ist es uns gelungen, per Mobiltelefon zu erreichen Oberstleutnant Hayko von Rosenzweig. Er ist einer von zwei deutschen OSZE-Beobachtern in der Ukraine, und ihn habe ich zunächst gefragt, wo genau er sich derzeit befindet.
    Hayko von Rosenzweig: Wir befinden uns derzeit in der Stadt Cherson. Cherson liegt ungefähr 80 bis 90 Kilometer nördlich des Checkpoints M24, der auf die Krim führt.
    Heckmann: Was ist Ihr Ziel?
    Am Checkpoint abgewiesen
    Von Rosenzweig: Das Ziel ist heute wie gestern und vorgestern auch, an den Checkpoint heranzufahren, um die Möglichkeit zu bekommen, auf die Krim zu gelangen. Das ist unsere Zielsetzung zunächst einmal. Wir waren gestern wie auch vorgestern relativ erfolglos bei den Versuchen. Wir haben drei Checkpoints, drei existierende Checkpoints angefahren, sind aber nach längeren Diskussionen, die bis zu anderthalb Stunden dauerten, mit den Milizen, die dort eingesetzt waren, abgewiesen worden und wieder nach Cherson zurückgekehrt. Wir versuchen, aber sind nicht sehr zuversichtlich, heute nochmals über den Checkpoint oder einen Checkpoint an der M24, was die Bezeichnung einer Straße ist, einer Hauptverkehrsstraße und Hauptverkehrsader Richtung Krim, sozusagen, um dann auf die Krim zu kommen. Wir werden sehen, was passiert.
    Heckmann: Herr von Rosenzweig, Sie haben es gerade schon gesagt, Sie haben schon zweimal versucht, die Checkpoints zu überwinden sozusagen. Sind Sie dort auch bedroht worden, beziehungsweise was waren das für Leute, die Sie da gestoppt haben?
    Von Rosenzweig: Alle Checkpoints, und da sind alle gleich, sind besetzt durch Milizen und Selbstschutzeinheiten, nenne ich sie jetzt mal. Im Wesentlichen haben wir wiedererkannt Soldaten der Berkut. Berkut ist eine dem Präsidenten Janukowitsch sehr nahestehende Einheit der inneren Sicherheit. Die waren zu identifizieren und hatten ukrainische Uniformen an. Wir haben desweiteren Kosaks, die auch zu den Truppen der inneren Sicherheit des Präsidenten Janukowitsch zugehörig waren, erkannt. Diese Einheiten waren massiv auch eingesetzt damals bei den Unruhen auf dem Maidan.
    Heckmann: Haben Sie den Eindruck, dass darunter auch russische Soldaten gewesen sind?
    Ausschließlich ukrainische Uniformen
    Von Rosenzweig: Nein, wir haben keine russischen Uniformen identifizieren können. Wir haben ausschließlich ukrainische Uniformen identifizieren können und Uniformen, die wir so keinem Land, keiner Nation zuordnen konnten, oder auch keiner Truppe.
    Heckmann: Wurden Sie auch bedroht?
    Von Rosenzweig: Wir wurden nicht bedroht. Die Situation an den drei Checkpoints, die wir bisher angefahren haben, war relativ unterschiedlich. Das war von einer möglicherweise freundlichen Gesprächsführung bis hin zu einer sehr nervösen, angespannten Gesprächsführung der Fall, und das gesamte Personal, alle dort eingesetzten Grenzposten waren bewaffnet mit Kalaschnikows. Wir hatten Checkpoints, die auch mit BTR 80, was russische Fahrzeuge sind, aber keine russischen Hoheitsabzeichen trugen, gesichert wurden. Sie waren disloziert um die Checkpoints herum. Es waren Posten, ich nenne sie jetzt mal Soldaten, eingesetzt, rechts, links in Schützengräben, die uns durchaus beobachtet haben. Die Bewaffnung, wie gesagt Kalaschnikows, sie waren feuerbereit, sie waren entsichert, was für uns erst mal nicht normal ist für Grenzposten. Aber eine Bedrohung fand eigentlich so nicht statt. Wir haben uns nicht unsicher gefühlt.
    "Wir haben uns nicht unsicher gefühlt"
    Heckmann: Herr von Rosenzweig, jetzt gibt es Berichte, dass russische Soldaten oder prorussische Einheiten einen Luftwaffenstützpunkt gestürmt haben soll und sich anschließend wieder zurückgezogen haben sollen. Wissen Sie über diesen Vorfall etwas?
    Von Rosenzweig: Ja, wir kriegen natürlich jeden Morgen Informationen insbesondere von unseren ukrainischen Begleitern. Es sind sechs Begleiter, der dienstgradhöchste ist ein General der ukrainischen Streitkräfte, eingesetzt in der Verifikation. Wir werden unterrichtet über Ereignisse auf der Krim. Wir haben durchaus Informationen, dass sämtliche ukrainische Basen oder Kasernen blockiert sind, sodass weder die Angehörigen oder die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte, die dort eingesetzt, den Bereich verlassen können beziehungsweise man in diese Kasernen von außen hereinkommt. Also, sie sind mit Masse alle blockiert durch Milizen wie auch sogenannte Selbstverteidigungskräfte.
    Heckmann: Wie ist das aus Ihrer Sicht zu bewerten, dass Ihnen jetzt der Zugang, bisher jedenfalls, auf die Krim versperrt worden ist? Moskau hatte der OSZE-Mission ja zugestimmt.
    Von Rosenzweig: Ja. Es ist also so, dass von russischer Seite, und wir haben einen Kontakt zur Russischen Föderation, die eine Verifikationseinheit dort haben bei der Schwarzmeerflotte. Wir haben gerade heute Morgen mit diesen telefoniert und haben die Information bekommen, dass die russische Föderation, also russische Verantwortliche überhaupt keinen Kontakt haben oder die Möglichkeit haben, auf das Personal an den Checkpoints oder die Milizen, die über die gesamte Krim verteilt sind, Einfluss zu nehmen. Sie haben überhaupt keine Möglichkeiten – so wird es jedenfalls gesagt.
    Heckmann: Halten Sie das für glaubhaft?
    42 Militärbeobachter aus 22 Nationen
    Von Rosenzweig: Das vermag ich nicht zu bewerten. Das kann jeder für sich bewerten. Aber es ist relativ zweifelhaft.
    Heckmann: Abschließende Frage, Herr von Rosenzweig: Welchen Sinn macht die Mission der OSZE, wenn sie weiterhin nicht auf die Krim gelassen werden?
    Von Rosenzweig: Zunächst einmal, unsere Mission ist begrenzt bis zum 12.3. Ob wir darüber hinaus hier vor Ort bleiben, kann man jetzt nicht beurteilen. Am 12.3. wird unsere Mission hier beendet sein, das ist Fakt. Nichtsdestotrotz sind wir auch weiterhin, wie auch in den letzten zwei Tagen, versucht und bemüht, auf die Krim zu kommen mit dem ganz einfachen Ziel. Wir sind einer Einladung gefolgt der ukrainischen Regierung und sind eine internationale Militärbeobachtermission, bestehend aus derzeit 22 Nationen, insgesamt 42 Teilnehmer. Wir sind versucht, und das ist unser Auftrag letztendlich auch, auf die Krim zu kommen, um mit einem, ich sage mal, mit einem militärischen Auge herauszufinden, wie sich jetzt eigentlich diese militärische Aktivität auf der Krim darstellt. Insbesondere aber auch, wie ist die Situation vor Ort bei den ukrainischen Streitkräften. Ob uns das gelingen wird, wissen wir nicht, aber das ist unsere Mission, und daran halten wir auch fest. Für uns ist es eindeutig wichtig herauszufinden, wie sich diese militärischen Aktivitäten auf der Krim wirklich darstellen. Haben wir russische Streitkräfte dort – die wir durchaus dort haben, schon allein durch die Schwarzmeerflotte. Aber haben wir auch weitere russische Streitkräfte dort, über die gesamte Region verteilt? Das wissen wir nicht, wir wissen natürlich einiges aus den Medien, und natürlich auch von ukrainischer Seite, aber es ist natürlich eine ganz andere Situation, wenn wir das vor Ort mit, ich sage mal, mit unserem internationalen militärischen Auge bewerten können.
    Heckmann: Oberstleutnant Hayko von Rosenzweig. Er ist einer von zwei deutschen OSZE-Beobachtern in der Ukraine, und ihn haben per Mobiltelefon im Bus auf dem Weg Richtung Krim erreicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.