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Ott: Pkw-Maut würde schnell von Nachbarländern übernommen

Wenn in Deutschland die Pkw-Maut käme, würden die Niederlande und Belgien schnell nachziehen, sagt Jochen Ott, verkehrspolitischer Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD. Eine Abgabe auf den Spritpreis sei sinnvoller, um Geld für Infrastruktur einzunehmen.

Jochen Ott im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: 800 Millionen Euro, so hofft Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer von der CSU, könnte eine Maut für Ausländer auf deutschen Straßen bringen. Aus Brüsseler Sicht ist es durchaus möglich, erst einmal von allen Autofahrern eine Maut zu verlangen und sie dann den deutschen Autofahrern durch die Kfz-Steuer wieder zu erlassen. Die Antwort aus der EU-Kommission lässt aber Raum für Interpretationen.

    Auch in Berlin gibt es erste Reaktionen auf die Haltung der EU-Kommission zur Pkw-Maut. Am Telefon ist Jochen Ott, er ist verkehrspolitischer Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD. Guten Tag!

    Jochen Ott: Schönen guten Tag!

    Kaess: Herr Ott, die SPD hat ja die Maut für Ausländer vehement abgelehnt. Hat denn die CSU die besseren Drähte nach Brüssel?

    Ott: Das sehe ich nicht so, weil es ist ja nur gesagt worden, natürlich kann man eine Maut für alle einführen, und dann muss man am Ende entscheiden, ob man die deutschen Autofahrer auf einem anderen Weg entlasten kann. Da haben wir weiterhin unseren Zweifel und das sehe ich auch mit den Stellungnahmen aus Brüssel noch nicht erledigt. Da haben Sie in Ihrem Beitrag ja gerade auch die Hinweise gehört, dass bei der Lkw-Maut eine nachträgliche Verbesserung für die deutschen Lkw-Unternehmer nicht möglich war. Von daher geht es da nicht um bessere Drähte, sondern es geht einfach um die Frage, was ist der richtige Weg, und wir in Nordrhein-Westfalen sind der Meinung, dass die Pkw-Maut falsch ist.

    Kaess: Aber die Aussage aus Brüssel, die Kernaussage aus der EU-Kommission ist doch, dass es durchaus möglich ist, erst einmal von allen Autofahrern eine Maut zu verlangen und sie dann den deutschen Autofahrern durch die Kfz-Steuer wieder zu erlassen. Das ist ja genau das, was die CSU will.

    Ott: Ich halte das für falsch. Ich glaube auch, dass es allen deutschen Autofahrern klar sein muss: In dem Moment, wo in Deutschland diese Maut kommt, wird sie natürlich in den Niederlanden und Belgien in kürzester Zeit auch kommen. Dann wird es genau diese Diskussion dort natürlich auch sofort geben und dann werden wir ganz schnell darüber reden, dass es in ganz Europa solche Modelle gibt. Ich frage mich, ob nicht unser Kraftfahrzeugsteuer-Gesetz da eigentlich gerechter ist, weil die Autos auch nach Größe und nach Verbrauch herangezogen werden. Bei einer Pkw-Maut zahlen alle das Gleiche, abgesehen davon, das ist ein riesiger bürokratischer Aufwand, der dafür zu leisten wäre.

    Meines Wissens gab es Untersuchungen, dass allein das Aufkommen der vermeintlichen Ausländer auf deutschen Straßen schon benötigt würde, um die Bürokratie zu finanzieren. Von daher: Ich halte davon nichts. Ich weiß nicht, wie die Verhandlungen am Ende laufen, aber ich glaube, gerade für ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen, in dem wir ja quasi zig Stadtautobahnen haben, also Autobahnen, die mitten durch große Siedlungsgebiete führen, ist das für viele Menschen eine zusätzliche Belastung, die eigentlich kaum zu stemmen ist.

    Kaess: Aber, Herr Ott, Sie sehen schon, dass aus Brüsseler Sicht eigentlich nichts gegen die Pläne der CSU spricht?

    Ott: Das weiß ich nicht, weil ich mich damit nicht intensiv auseinandergesetzt habe. Ich habe jetzt Ihren Bericht gehört, ich habe das selber auch nicht lesen können. Das interessiert mich aber insofern auch nicht, weil wir immer gesagt haben, wir lehnen eine Pkw-Maut ab. Das Wahlkampfgetöse der CSU, um in den Bierzelten gegen Ausländer Stimmung zu machen, das interessiert bei uns reichlich wenig. Das ist sicherlich auch eine Sondersituation, wenn man in einem Bundesland unterwegs ist, in dem dann vielleicht Österreicher und Schweizer diese Straßen benutzen. Das spielt bei uns in Nordrhein-Westfalen keine große Rolle.

    Kaess: Aber es gab immer auch die Einschätzung aus der SPD, dass die Maut für Ausländer gegen EU-Recht verstößt. War das eine komplette Fehleinschätzung?

    Ott: Das weiß ich nicht, weil wir haben ja gerade gehört, bei der Lkw-Maut war es so, dass eine Kompensation nicht möglich war. Von daher wäre es interessant zu wissen, was den Sinneswandel da ausgelöst hat, aber das müsste man sich sorgfältiger angucken. Das kann ich von hier nicht beurteilen.

    Kaess: Nun sagt Seehofer, er macht Druck und sagt, ohne Maut wird kein Koalitionsvertrag unterschrieben. Wie soll sich die SPD denn verhalten in den Verhandlungen?

    Ott: Ach wissen Sie, ob der Koalitionsvertrag unterschrieben wird oder nicht, entscheiden eh die SPD-Mitglieder. Am Ende des Tages wird ein Verhandlungsergebnis vorgelegt und dann stimmt die SPD darüber ab. Ich sehe das ganz entspannt, weil wir an anderen Stellen ja auch darüber diskutiert haben, dass am Ende das ein Vorschlag sein muss insgesamt bei allen Themen, der dann an der Basis überzeugt. Und das andere ist: Ich finde viel spannender, …

    Kaess: Aber gerade deshalb ist es doch umso wichtiger, dass Sie ein gutes Ergebnis vorlegen können zum Ende.

    Mit Steuermitteln den Instandhaltungsstau beheben
    Ott: Genau! Und die Pkw-Maut wird sicherlich nicht dazu beitragen, dass die Basis der SPD sagen würde, wow, das haben wir aber schon immer gewollt. Das erinnert mich eher an andere Steuergeschichten aus vergangenen Großen Koalitionen. Nein! Ich glaube, das Entscheidende ist die Verkehrsfinanzierung in Deutschland. Da muss endlich Butter bei die Fische. Wir haben mit sehr großer Freude zur Kenntnis genommen, dass die Landesverkehrsminister 16 zu 0, was es in der Frage ja selten gegeben hat, ein Finanzierungskonzept vorgelegt haben nach der Bundestagswahl und gesagt haben, parteiübergreifend – es gibt ja Verkehrsminister in allen Farben -, wir wollen gemeinsam durch die Ausweitung der Lkw-Maut, wir wollen gemeinsam mit Steuermitteln den Instandhaltungsstau in Deutschland beheben. Da geht es immerhin um 7,2 Milliarden pro Jahr, 40 Milliarden für die nächsten 15 Jahre. Dieses Geld muss kommen und die Pkw-Maut gehört aus unserer Sicht in Nordrhein-Westfalen nicht zu den Instrumenten, die hier vordringlich zu wählen sind.

    Kaess: Aber wenn Sie diese Finanzierung ansprechen, was spricht denn gegen die 800 Millionen Euro Mehreinnahmen, um gegen kaputte Straßen vorzugehen, die man sich erhofft aus dieser Ausländermaut?

    Ott: Ja sehen Sie, da gehen ja genau die Untersuchungen auseinander. Nach allem, was wir bisher wissen, ist es so, in dem Moment, wo die deutschen Autofahrer durch die Einführung der Pkw-Maut wieder entlastet werden, ist das ja keine Mehreinnahme, sondern dann geht es tatsächlich nur um die Mehreinnahmen, die zu erzielen sind durch Menschen aus anderen Ländern, die durch Deutschland durchfahren. Und da gibt es Untersuchungen und Anfragen der SPD-Bundestagsfraktion aus der letzten Wahlperiode, in denen ziemlich deutlich gemacht wurde, dass die Verwaltungskosten für die Erhebung eines solchen Systems, dann auch noch gestaffelt nach Wochen oder Tagen oder wie auch immer, wie es von der Europäischen Union ja auch vorgesehen ist, ein hoher bürokratischer Aufwand ist, der mit etwa ebenfalls acht Prozent der Gesamteinnahmen berechnet wird. Und die acht Prozent sind etwa der Anteil der ausländischen Autofahrer auf den deutschen Autobahnen.

    Von daher kann mir bisher noch niemand, ich habe jedenfalls keine Zahlen gesehen, die am Ende wirklich dafür sorgen, dass da mehr Geld in die Tasche kommt. Im Übrigen ist das Problem für die Instandhaltung insbesondere der Lkw-Verkehr, weil die 40-Tonner besondere Belastungen für unsere Brücken sind. Und wenn ich daran erinnern darf, dass alle Brücken zwischen Bonn und Düsseldorf in einem Zustand sind, dass sie eigentlich demnächst gesperrt werden müssten, und wenn wir wissen, dass auf der A 45, der Sauerlandlinie, sehr, sehr viele Brücken ebenfalls nicht mehr vernünftig befahren werden können, dann sieht man, welchen enormen Bedarf wir haben, und dann sollte man sich auf die Lkw konzentrieren.

    Kaess: Und wenn sich das ganze mit wenig bürokratischem Aufwand organisieren lässt, was wäre dagegen zu sagen, dass ausländische Autofahrer an den Kosten zu beteiligen sind, wenn sie deutsche Straßen nutzen, so wie die Deutschen das im Ausland ja auch anders herummachen?

    Ott: Die Deutschen machen das ja eben nicht überall, sondern die Franzosen haben ein ganz anderes Modell gefahren. Ein solches Modell ist für Deutschland, glaube ich, ausgeschlossen. Ich bin zumindest gespannt, wie man in Nordrhein-Westfalen, in diesem dichten Ballungsgebiet, dann diese Peagestationen aufbauen will. Das würde ja nicht funktionieren. In den Niederlanden und in Belgien ist die Maut bisher nicht eingeführt und man muss sich überlegen, ob man wirklich als großes Land in der Mitte dann mit diesem Signal sagen will, so, dann macht ihr das auch alle. Ich glaube, die Autofahrer sind eine ganze Menge belastet. Es wäre auch ökologisch richtiger aus meiner Sicht, dann eher das ADAC-Modell zu fahren. Der ADAC hat vorgeschlagen, drei Cent auf den Spritpreis, um einmalig die Kosten der Infrastruktur und des großen Instandhaltungsstaus abzudecken. Das hat dann wenigstens noch eine ökologische Lenkung, weil die Leute sagen, wer mehr fährt und wer mehr Sprit verbraucht, der bezahlt mehr. Aber bei der Pkw-Maut zahlen alle das Gleiche und ich weiß nicht, wie auf den Stadtautobahnen bei uns alle das Gleiche zahlen sollen, egal wie groß ihr Auto ist und egal welchen Schadstoffausstoß das Auto hat.

    Kaess: Und den Rest würden Sie gerne durch Steuern finanzieren? Das heißt, alle zahlen mit, auch diejenigen, die die Straßen gar nicht mit dem Auto nutzen?

    Ott: Sagen wir es mal so: Die Autofahrer und der Verkehr insgesamt zahlen alleine durch die Einnahmen der Steuern in diesem Land einen vielfachen Milliardenbetrag dessen, den die Politik und zwar parteiübergreifend in den letzten 20 Jahren wieder in die Infrastruktur gegeben hat. Das heißt, wenn einer richtig viele Steuer- und Abgabenleistungen bringt, dann ist es der Bereich des Verkehrs. Der Verkehr ist aber gleichzeitig auch notwendig für die Lebensqualität der Menschen und für wirtschaftliches Wachstum. Und wenn wir unsere Infrastruktur nicht in Ordnung haben, dann haben wir alle ein Problem, weil dann nämlich die Arbeitsplätze gefährdet sind und weil die Menschen zum Beispiel ihre Oma am Wochenende nicht mehr besuchen können.

    Deshalb deutlich zu machen, wie das die Verkehrsminister getan haben, dass es mehr aus dem Steuerkuchen dafür geben muss, ist vollkommen klar. Das ist ja auch der Grund, warum die SPD für Steuererhöhungen eingetreten ist, ja nicht, weil wir Steuererhöhungen schön finden, sondern weil es einfach schlecht ist, wenn in bestimmten Bereichen des Landes Kanäle, Brücken, Straßen nicht mehr befahrbar sind. Das geht schlicht nicht in einer modernen Volkswirtschaft und deshalb wollten wir ja auch Steuererhöhungen, um das Geld dafür zielgerichtet einsetzen zu können.

    Kaess: Die Meinung von Jochen Ott, er ist verkehrspolitischer Sprecher der nordrhein-westfälischen SPD. Danke für das Interview, Herr Ott.

    Ott: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.