"Wir haben festgestellt, dass dieser Account gegen die Twitter-Regeln verstößt" - diese Sperr-Meldung bekamen in letzter Zeit u.a. die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, der Sprecher der SPD-Fraktion für Rechts- und Netzpolitik Sven Kohlmeier, der Rechtsanwalt Thomas Stadler und die Jüdische Allgemeine Zeitung zu sehen. Sie alle konnten ihre Twitter-Accounts vorübergehend nicht mehr benutzen, weil sie angeblich irreführende Informationen zu Wahlen gepostet hatten.
Meistens handelte es sich bei den beanstandeten Tweets allerdings um Witze wie diesen: "Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)" - eine Unterschrift würde den Wahlzettel ungültig machen.
Twitters Maßnahme geht nach hinten los
Dass die Zahl der gesperrten Twitter-Accounts in den letzten Wochen zugenommen hat, liegt an einer neuen Melde-Funktion von Twitter, die das soziale Netzwerk im Hinblick auf die Europa-Wahlen Ende Mai eingeführt hat. Diese Funktion soll dafür sorgen, dass Nutzerinnen und Nutzer unkompliziert und schnell Wahlmanipulationen melden können. Damit kommt Twitter dem Druck der EU-Kommission nach, mehr gegen Wahlbeeinflussung und Falschinformation zu tun.
Dieser erste Schritt von Twitter, sich diesem Problemen anzunehmen, sei laut dem Social-Media-Experten Luca Hammer allerdings komplett nach hinten losgegangen - weil Twitter viel zu viel gesperrt habe.
EU-Kommission nimmt Plattformen in die Pflicht
"Die EU-Kommission hat gesagt, wenn die Plattformen das Problem der Falschinformationen dieses Jahr nicht in den Griff bekommen, wird die Kommission nächstes Jahr eigene Maßnahmen treffen - und da schließen sie auch Regulierungen nicht aus. Da bedeutet, wenn Twitter nicht selbst Lösungen findet, dann wird die EU sagen, was sie machen müssen, und dann drohen natürlich auch Strafen, wenn das falsch umgesetzt wird", sagte Hammer im Deutschlandfunk.
Deshalb scheint es nun zu einem Overblocking gekommen zu sein: um sich keinesfalls etwas zu Schulden kommen zu lassen, sperrt Twitter mehr Inhalte als nötig. Dadurch passiere nun aber das Gegenteil, so Hammer: "Durch diese Sperrungen findet eigentlich eine Manipulation des Wahlkampfes statt, weil Politiker und Politikerinnen plötzlich nicht mehr über ihre Twitter-Accounts kommunizieren können."