"Da habe ich grade einen Olivenmix, grüne Oliven geschwärzt." Vor einem Supermarkt im baden-württembergischen Böblingen: Der junge Mann, der gerade eine Einkaufstüte voller Lebensmittel ins geparkte Auto stellt, reagiert einigermaßen verwundert auf die Frage, ob er schon mal was über die Arbeitsbedingungen derjenigen erfahren hat, die die Oliven gepflückt und verarbeitet haben: "Es wäre schon gut, wenn man offensichtlich das auf der Packung hätte. Das Herkunftsland einmal, sieht man hier nicht. Und wenn man dann auch wüsste: die Bedingungen von den Leuten, was das für eine Produktionsstätte ist…"
Doch genau darum geht es in einer Studie, die die Nichtregierungsorganisation Oxfam heute vorstellte: Es geht um die Lebens- und Arbeitsbedingungen derjenigen, die Lebensmittel in fernen Ländern herstellen - und um die Frage, wie große Einzelhandelsketten durch ihre Marktmacht diese Bedingungen beeinflussen.
"Die Löhne sind nicht existenzsichernd"
"Was wir sehen - gerade auch im Vergleich zu Supermarktketten in anderen Ländern - die deutschen Supermärkte gehören zu den Schlusslichtern. Sie sind mit am schlechtesten", beklagt sich Barbara Sennholz-Weinhard, Wirtschaftsreferentin bei Oxfam Deutschland. Die hat die vier großen deutschen Handelsketten Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland untersucht und in Vergleich gesetzt zu anderen Handelsketten weltweit. Ein aus Sicht von Oxfam wichtiger Kritikpunkt: Während vom Endpreis der Produkte bei den Supermärkten immer mehr hängen bleibt, derzeit sogar knapp über die Hälfte, müssen sich die Bauern in den Herkunftsländern mit immer weniger zufrieden geben, im Durchschnitt mit gerade mal sieben Prozent Anteil am Endpreis.
"In der Tat sehen wir, dass die Anteile, die die Bauern kriegen, im Vergleich zu den Anteilen, die die Supermärkte kriegen am Endpreis, sich immer weiter zu ungunsten derer, die unsere Produkte herstellen, und zugunsten der Supermärkte verschoben haben."
Bei manchen Produkten zeige sich diese Diskrepanz noch drastischer: "Ein krasses Beispiel wären hier Garnelen aus Vietnam. Der Anteil der Supermärkte in Deutschland beträgt inzwischen über 36 Prozent. Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in der Garnelenproduktion bekommen noch 1,5 Prozent vom Endpreis." Dabei, so der Oxfam-Vorwurf, nehmen die großen Handelsketten sich ständig verschlechternde Lebens- und Arbeitsbedingungen derjenigen in Kauf, die die Produkte herstellen: "Das heißt: die Löhne sind nicht existenzsichernd. Sie können sich nichts zu essen kaufen oder sich einen Arztbesuch leisten."
Supermärkte widersprechen der Darstellung
Gerade deutsche Handelsketten hätten, so Oxfam-Wirtschaftsreferentin Barbara Sennholz-Weinhard, ihre große Marktmacht zur - wie es heißt - "Preisdrückerei" in den Herkunftsländern der Produkte genutzt. "Für die Arbeitsbedingungen heißt das beispielsweise: Zum Teil arbeiten die Menschen ohne Verträge, sind Gewalt - verbaler und physischer Gewalt - ausgesetzt. Frauen werden sehr oft diskriminiert. Bei der Produktion von Obst und Gemüse kommt es zum Einsatz hochgiftiger Pestizide, die tatsächlich auch Gesundheitsgefährdungen bewirken."
Allerdings stimmen die betroffenen Handelsketten mit dieser Darstellung nicht überein. Alle vier großen Handelsketten wurden vom Deutschlandfunk um Reaktionen auf die Oxfam-Studie gebeten. Das Thema "Menschenrechte" sei sehr komplex, schreibt die Rewe-Gruppe in einer Stellungnahme. Und weiter: "Unsere Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette nehmen wir sehr ernst. Für alle Geschäftsbeziehungen der REWE Group greift die bereits 2011 veröffentlichte Leitlinie für Nachhaltiges Wirtschaften. Sie umfasst unter anderem das Verbot von Zwangsarbeit und ausbeuterischer Kinderarbeit sowie den fairen Umgang mit Mitarbeitern."
Aldi Nord und Aldi Süd betonen, man schätze das Engagement von Oxfam. Aber: Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Sozialstandards der Hersteller sei für das Unternehmen selbstverständlich. Lidl weist daraufhin, dass das Unternehmen mit der europäischen "Supply Chain"-Initiative zusammenarbeite. Und die setze sich für faire Geschäftspraktiken entlang der Lieferkette ein. Ob das alles reicht?
Eher nicht, glaubt Oxfam-Wirtschaftsreferentin Barbara Sennholz-Weinhard. Aus ihrer Sicht ist der Gesetzgeber gefragt - und zwar mit einem "Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Das heißt: Unternehmen werden verpflichtet, das Risiko von Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten zu identifizieren, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und im Zweifelsfall auch zu haften."
Doch bisher sei ein solches Gesetz noch in weiter Ferne. Dass es dennoch notwendig ist, müsse auch jedem Supermarkt-Kunden klar sein, denn: "Superbillig und superfair geht nicht zusammen."