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Ozeane hinter Glas

Es führt die herrlichsten, seltsamsten Waren, die schönen Tiere des Meeres, Schwämme, Manteltiere, Meeranemonen, grünliche Schlangensterne, Seeigel und Seesterne, Sonnensterne, Muscheln, Seepocken.

Ismeni Walter und Michael Lange |
    Seit zwei Stunden bin ich mit dem Auto unterwegs: von San Francisco Richtung Süden. Immer an der kalifornischen Pazifikküste entlang. Eine Bucht folgt auf die andere. Einmal malerischer Sandstrand umsäumt von Bäumen, dann Geröllhalden mit leeren Ölfässern, eine hässliche, verfallende Fabrik.

    Endlich eine Kleinstadt. Ihre Ausläufer reichen weit in die Ebene hinein. Moderne Shopping Malls auf der einen Seite; heruntergekommene Industrieanlagen auf der anderen. Monterey. Überall Schilder, die auf eine weltberühmte Straße hinweisen: Cannery Row. Benannt nach John Steinbecks Buch "Straße der Ölsardinen" aus dem Jahr 1945.

    Cannery Row ist mehr als nur eine Straße, es ist die Gegend der Ölsardinen und Konservenbüchsen, ist ein Gestank und ein Gedicht, ein Knirschen und Knarren, ein Leuchten und Tönen, ist eine schlechte Angewohnheit, ein Traum. Cannery Row in Monterey, Kalifornien.

    Cannery Row heute: das sind Andenkenläden und Fischgeruch, Schnellrestaurants und Spielkasinos, ist aber auch: Naturschutz und Wissenschaft, ist Staunen und Forschen. Denn am Ende von Cannery Row, direkt am Meer befindet sich eins der schönsten und bekanntesten Aquarien der Welt: der Prototyp für eine neue Generation von Publikumsaquarien: Das Monterey Bay Aquarium.

    An diesem Sommervormittag sind viele Familien und Schulklassen in dem verzweigten Betongebäude unterwegs.

    Die meisten unserer ständigen Ausstellungen im Monterey Bay Aquarium präsentieren das Unterwasserleben hier in dieser Bucht. Nur wenige zeigen Arten, die eher weiter südlich vorkommen. Aber alles hier stammt aus Kalifornien.

    Die Biologin Mimi Hahn ist eine von vier Aquariums-Mitarbeitern, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sind. Sie ist Mitte zwanzig, zierlich, lebhaft, braungebrannt und natürlich Hobbytaucherin. Wenn es um das Aquarium geht, redet sie wie ein Wasserfall. Und obwohl sie sicher zum hundersten Mal durch die abgedunkelten Räume führt, immer noch scheint sie überwältigt.

    Es ist riesig!

    Ein 200 Kilo Thunfisch schwimmt direkt auf uns zu. Kurz vor der Scheibe dreht er ab. Der ganze Raum schimmert blau. Hinter einer dicken Glaswand Hunderte Fische aller Größen und Formen.

    Das hier ist wirklich die Kronjuwele unseres Aquariums. Die Ausstellung der äußeren Bucht. Vier Millionen Liter Wasser. Also vier tausend Kubikmeter. Ein Becken der Größe 20 mal 20 Meter mit 12 Metern Wassertiefe. Wir blicken durch das drittgrößte Aquariumsfenster der Welt. Sehr spektakulär. Fünf Meter hoch, fast 20 Meter breit. Die Scheibe muss 40 Zentimeter dick sein, um die Wassermassen zurückzuhalten.

    Schwärme unzähliger kleiner Sardinen ziehen hoch über unseren Köpfen vorbei. Eine Seeschildkröte paddelt an der Scheibe entlang, drei knapp zwei Meter lange Haie und mehrere über fünf Zentner schwere Thunfische bewegen sich langsam durch das Blau.

    Schauen Sie, wie groß dieser ist !

    Und dann kommt er ganz nah an die Scheibe. Mimi Hahns Lieblingsfisch: Der Mondfisch "Mola mola". Mola ist lateinisch und bedeutet Mühlstein. Hier heißt er englisch "Ocean Sun Fish": Ozean-Sonnenfisch. Er sieht aus wie ein riesiges, flaches, schwimmendes Gesicht, das vor lauter Staunen den Mund nicht schließen kann.

    Das ist eine großartige Fischgeschichte. Dieser Fisch ist der größte Knochenfisch der Welt. Er kann zwei Tonnen schwer werden. Länge: Über drei Meter von Flossenspitze zu Flossenspitze. Meeressäuger, wie Wale, oder Knorpelfische, wie Haie, sind natürlich noch größer. Aber der Bursche hier wächst ganz schön. In nur 14 Monaten brachte er es von 30 Kilo auf 450 Kilogramm. Auf den ersten Blick sieht er aus wie eine Fehlkonstruktion. Als ob jemand den Rücken vergessen hätte. Wunderbare Geschöpfe. Der Mondfisch.

    Nach zweieinhalb Stunden Dampferfahrt von Cuxhaven bei Windstärke sieben mit der Seuten Deern, dem süßen Mädchen, endlich die Erlösung: Wir erreichen Helgoland.

    Wer von Ihnen heute Nachmittag wieder mit uns nach Cuxhaven zurück fahren möchte, die Abfahrt ist um 16.00 Uhr. Wir wünschen Ihnen Allen einen schönen Aufenthalt auf Helgoland.

    Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, einfach bis zur Rückfahrt auf der Sitzbank liegen zu bleiben. Aber schließlich siegt die Neugier über die Seekrankheit. Denn auf Helgoland erwartet mich eins der ältesten deutschen Publikums- und Wissenschaftsaquarien. Also dann: Mit wackeligen Knien und flauem Magen die Gangway hinunter, mit all den anderen Gestalten, die auch ziemlich käsig aussehen.

    Vorbei an den Fischerbuden, kleinen, bunt gestrichenen Holzbaracken -sehr malerisch. Davor werkeln ein paar alte Fischer an ihrem Fanggerät herum. Würdigen die Landratten, die da vorbeikommen, keines Blickes. Die meisten biegen 300 Meter weiter links ab zum Ortskern, wollen in Helgolands touristisches Zentrum: Zu den Fischrestaurants, den Andenkenläden und natürlich zu den vielen Duty Free Shops. Ich lasse all das links liegen, gehe immer am Wasser entlang und erreiche kurz darauf das Lehr- und Schauaquarium der Meeresstation Helgoland.

    Dieses hier, das ist unser sogenanntes Wrackbecken, das ist natürlich ein nachgebautes Wrack, das ist eigentlich das für unsere sogenannten Blumentiere. Die haben Blumennamen, Seenelke, Seerose, sind aber festsitzende Tiere mit Nesselzellen, um ihr Futter aufzufangen, zu betäuben und dann in den Schlund reinzuwerfen.

    Olaf Goemann leitet das Aquarium seit 25 Jahren. Nordisch trocken ist er, hat verschmitze Augen, weiße Haare und kleines Bäuchlein. Wenn er von seinen Tieren erzählt, merkt man: Er kennt sie alle ganz genau. Und er kümmert sich auch persönlich um sie.

    Dieses erste Becken wo wir hier sind, hinten in der Höhle, hinter dem Algenblatt sieht man, sitzt ein Hummer. Und das Wichtige ist, er braucht eben eine Höhle, weil er sein Leben lang ja sich häuten muss. Er hat ein Außenskelett und muss da raus, wenn er wachsen will. Wenn er dann daraus geschlüpft ist, ist er butterweich. Und dann ist dieser Grund, der hier unten zu sehen ist, wo er drauf sitzt, das ist kein reiner Sand, sondern in diesem Sand sind Muschelschalen, das ist alles zerbröselt, und die frisst er in seinen ersten Tagen, wenn er weich ist, um wieder eine harte Schalte zu bekommen. Und darum ist sein Lebensraum hier für ihn so wichtig. Das findet er eben nur hier auf Helgoland. Wenn er das auf einer Sandbank macht, ist er verloren.

    Das Helgoländer Aquarium setzt nicht auf Sensationen. Einen Haitunnel, Riesenrochen oder giftige Kugelfische sucht man vergebens. Denn dies ist kein reines Publikumsaquarium. Es gehört zur Biologischen Anstalt Helgoland - einer Zweigstelle des Alfred Wegener Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. In erster Linie dient es als Lehraquarium für die Ausbildung von Biologiestudenten und unterstützt laufende Forschung an der Meeresstation. Dementsprechend leben hier fast nur Nordsee-Tiere. Und die Besucher werden eingeladen, genau hinzusehen:

    An den Wänden sitzt kein Dreck, sondern das sind alles Tierkolonien, oder Einzeltiere, die mit dem Plankton reingekommen sind, die Larve hat sich festgesetzt, und dann wächst es. Wenn wir ein Becken weitergehen, dieses hier, wo die Aale drin sind, wenn man da an die Wände kuckt, das sind sogenannte Seevasen, oder Tunicaten, Manteltiere, die eigentlich der Gast gar nicht als Tier erkennt. Aber, er ist, wenn man mal so will, uns Menschen eigentlich ähnlicher als ein Hummer, weil es sind Tiere, die als Larve schon den Vorläufer unseres Rückrats haben. Die sogenannte Chorda. Das haben wir noch in unserem Rückrat drin, die sogenannten Wasserkissen, die Erschütterung etwas wahrnehmen, und die haben die als Larve.

    Doch natürlich gibt es auch hier imposante Tiere zu sehen: ein Seehundpärchen im Außenbecken, Haie und einen riesigen Stör im großen Arenabecken.

    Einen weiter kommt das sogenannte Catfischbecken, mit richtigem Namen heißen die gestreifter Seewolf. Die Hausfrau wird ihn so nicht kennen, weil er sieht ja sehr grimmig aus, und der Handelsname ist eigentlich Steinbeißer. Steinbeißer oder Karbonadenfisch, bloß im Laden wird man ihn so nicht finden, weil der Kopf nicht mehr dran ist. Er sieht ja so grausig aus, und der Handel muss dann eben sagen "na ja, dann lieber Kopf ab", damit er überhaupt gekauft wird, so wird ihn die Hausfrau gar nicht mitnehmen.

    Cannery Row 1945: Das Western Biological lag gegenüber dem leeren Platz, und wenn man zu seiner Haustür heraustrat, hatte man halb rechts Chongs Kramladen, und halb links Doras Flotte Flagge. Beim Western Biological kannst Du jegliches Lebewesen bestellen; früher oder später bekommst du es. Hier sind auch die Bassins für das große Seegetier, Haie und Rochen und Tintenfische, jede Gattung in ihrem eigenen zementierten Behälter.

    In Monterey hat sich in den letzten 58 Jahren einiges geändert. 1972 wurde die letzte Konservenfabrik geschlossen. Das wäre das Ende der Straße der Ölsardinen gewesen. Aber es gab noch eine Meeresforschungsstation. Hier saßen - so geht die Geschichte - Ende der siebziger Jahre vier Meeresbiologen bei einer Flasche Tequila zusammen. Und als die Flasche leer war, war ihr Plan fertig. Sie wollten ein Aquarium bauen, dass allen die Schönheit der Unterwasserwelt dieser Region vor Augen führen sollte. Wenn die Menschen diese wunderbare Welt erblicken würden, würden sie sie besser schützen, so die Idee.

    Es wäre wohl bei der Idee geblieben, hätte nicht einer der vier den Namen Packard gehabt. Und hätte nicht dessen Bruder als eine Hälfte von Hewlett-Packard in den nächsten Jahren mit Computern sehr viel Geld verdient.

    Eine Stiftung wurde gegründet und am Ende der Cannery Row entstand in den achtziger Jahren das damals größte Aquarium der Welt.

    Bis heute will das Monterey Bay Aquarium die Unterwasser-Lebensräume der Region so echt wie möglich präsentieren. Aber es will auch Kinder und Erwachsene beeindrucken. Insofern ist es Vorbild für viele Publikumsaquarien, die in den letzten Jahren überall auf der Welt gebaut werden. Insgesamt 12 Hauptausstellungen, jede mit einigen Dutzend Arten. Mimi Hahn führt mich in einen abgedunkelten hohen Raum. Der Blick fällt sofort auf eine schmale, sehr hohe Glaswand. Dahinter: gewaltige Braunalgen, die wie Bäume nach oben ragen.

    Wir stehen hier vor einem Kelp-Wald. Zehn Meter hoch. Das ist die Rekonstruktion eines natürlichen Ökosystems. Um es am Leben zu erhalten, pumpen wir Wasser aus dem echten Kelp-Wald vor der Küste in unser Becken. Tagsüber filtern wir das Wasser, damit die Besucher überhaupt etwas sehen können. Abends wird das Wasser dann sehr trüb. Denn viele kleine Lebewesen brauchen das Plankton, um zu überleben. Die Riesenbraunalgen haben wir aus der Bucht geholt und mit Bungee-Seilen befestigen müssen. Alle anderen Pflanzen und Tiere sind dann mit dem Wasser gekommen und haben sich von selbst im Aquarium angesiedelt. Allein 80 Arten Seetang, Seegras und Algen wachsen hinter dieser Scheibe. Alles Arten, die draußen in der Bucht von Monterey wachsen.

    Über eine halbe Million Besucher jedes Jahr bezahlen die achtzehn Dollar Eintritt, Kinder die Hälfte. Wechselnde Ausstellungen, Präsentationen von Forschungsergebnissen und besondere Aktionen zum Schutz des Meeres lohnen auch den wiederholten Besuch. Zur Zeit besonders beeindruckend: Die Ausstellung "Quallen und Kunst". Durch bunte Beleuchtung entfalten die langsam dahintreibenden glibberigen Lebewesen eine ganz besondere - wenn auch künstliche - Schönheit.

    Über hundert Angestellte und noch mehr ehrenamtliche Helfer garantieren den Betrieb dieser Einrichtung, die Showelemente mit Naturschutz und Wissenschaft kombinieren will. Eine Herausforderung auch für die Technik. Kilometerlange Rohrleitungen durchströmt von Millionen Litern Wasser täglich. Und es ist kein sauberes Trinkwasser, das da durch die Leitungen fließt.

    Hier sehen Sie, wie wir unsere Rohrleitungen reinigen. Wie große Projektile aus einem Gewehr sehen diese Gummi-Geschosse aus. Sie haben verschiedene Größen je nach Rohrdicke. Mit einem starken Wasserdruck pressen wir sie durch das Rohrsystem. Denn alles, was draußen im Kelp-Wald oder sonst wo an Plankton, Algen und so weiter wächst, wächst auch in den Rohren. Sie würden innerhalb weniger Monate verstopfen. Deshalb wird alle zwei bis drei Monate sauber gemacht. Und hier können Sie in gläsernen Röhren sehen, wie die Gummiblöcke durch die Leitungen wandern.

    Olaf Goemann hat mich hinter die Kulissen des Helgoländer Aquariums mitgenommen. Hier sieht's nach Arbeit aus: In den Ecken aufgerollte Schläuche, Eimer, große und kleine Fischkescher. Überall stehen große gemauerte, weiß gekachelte Becken voller Fische, Krebse, Weichkorallen. Aus vielen Leitungen plätschert Seewasser. Hier werden die Neuzugänge an die Bedingungen im Aquarium gewöhnt.

    Wir kriegen fast alles von Forschungsschiffen, aber wir haben auch einen guten Kontakt zu den hiesigen Fischern, das sind eigentlich die kürzeren Wege. Weil die mit ihren offenen Booten nicht tagelang unterwegs sind, und wir sind immer ganz froh, wenn die uns was bringen. Es sind ja nun viele Tiere dabei, die passen nicht in die Pfanne, oder sind zu klein. Aber, auch wenn sie was Seltenes fangen, kommen die schon vorbei und fragen "Wollt Ihr den haben?"

    Die Zusammenarbeit zwischen Fischern und Aquarium klappt vor allem deshalb so vorbildlich, weil Olaf Goemann selbst aus einer alt-eingesessenen Helgoländer Familie stammt. Im Dienste der Biologischen Anstalt ist er selbst lange Jahre zur See gefahren und wird von den Fischern als einer der ihren akzeptiert.

    Eine schmale Metalltreppe führt etwa drei Meter hinauf auf eine Galerie. Von dort aus blickt man von oben in die Schaubecken herab.

    Ja, wir stehen jetzt an der Rückseite der Becken. Wenn man durch die Scheibe kuckt, dann sieht man alles so schön wie ein aufgeschlagenes Lehrbuch, von hier sieht ja alles anders aus. Das ist also hier der Platz, wo die Aquarienpfleger arbeiten müssen. Von hier wird gefüttert, von hier werden die Scheiben sauber gemacht, und von hier wird auch abgesaugt. Im Augenblick ist das so, dass man noch alles, wenn man absaugt, noch mit dem Mund ansaugen muss. Das ist auch nicht immer jedermanns Sache.

    Gefüttert wird einmal die Woche, ausschließlich mit Frischfutter. Olaf Goemann und seine Mitarbeiter achten auf einen abwechslungsreichen Speisezettel: Alles, was die Forschungsschiffe der Meeresstation als Beifang mitbringen: Sprotten, Plattfische, Miesmuscheln, verschiedene Krebsarten. Wer mitten im Meer sitzt, muss nicht mit Pellets füttern. Und die Filtrierer - Manteltiere, Schwämme und Weichkorallen - bedienen sich beim Plankton, das mit dem Wasser in die Becken fließt. Denn die Lage mitten in der Nordsee erlaubt es, das Helgoländer Aquarium ausschließlich mit frischem Meerwasser zu betreiben. Als einziges Aquarium in Deutschland.

    Man kann sagen, wir leiten die Nordsee nur durch ein Röhrensystem über die Becken und dann geht's wieder raus. Das macht hier nur ein Umweg. Wir verbrauchen im Augenblick pro Tag zwischen 300 und 400 Tonnen. Die dann wieder rausrauschen. Wir werden versorgt, hier von der Reede von Helgoland, wo die Nordsee mit 5-6 Meilen durchrauscht, das heißt, es kommt immer frisches Wasser rein.

    Auf Wasseraufbereitung mit Aktivkohlefiltern, Eiweißabschäumern oder UV-Licht-Sterilisierung können die Helgoländer also verzichten - anders als Schauaquarien mit geschlossenem Wasserkreislauf. Genau das macht auch den besonderen Charakter des Aquariums aus: Denn was immer im Plankton der Nordsee gerade schwimmt, siedelt sich auch in den Becken an. So ist das Helgoländer Aquarium ein recht genaues Abbild des Meeres rund um den roten Felsen.

    Trotz allem ist aber ein großer technischer Aufwand nötig, um das Aquarium in Betrieb zu halten. Insgesamt umfassen die Betriebsräume drei Stockwerke. Unter der Schauebene liegen noch zwei Geschosse, voller Pumpen, Absetzbecken, Rieselfiltern, Leitungen und riesigen Wassertanks für den Fall der Fälle.

    Um bei Schlechtwetterlagen, sagen wir mal bei Orkan, oder bei Ostwindwetterlagen, genügend Vorrat zu haben, weil dann können wir nicht pumpen . Bei Ostwindwetterlagen ist die Nordsee so niedrig, dass die Saugkörbe der Leitungen frei hängen, und da muss man dann ein paar Tage wissen: Wir nehmen jetzt ein geschlossenes System. Das kommt selten vor, aber es kommt vor. Die Pumpen sind im Keller, ist für die Öffentlichkeit natürlich nicht zugänglich, weil, das sind erst mal die Ventile, Elektrosachen, und die Pumpen haben natürlich dann auch freilaufende Sachen, wo man keinen hinlässt. Aber das Herzstück sitzt sogar unter der Hochwasserlinie. Also wir mögen dann so Sturmfluten nicht so gerne. Dann müssen wir die Tür zuhalten, und auch noch das Schloss abkleben.

    Dieser ganze Aufwand ist nur möglich, weil das Aquarium aus den gleichen Versorgungsleitungen gespeist wird wie ein Teil der Versuchsanlagen des meeresbiologischen Institutes. Und dort braucht man das Nordseewasser unverfälscht, um möglichst naturnahe Experimente machen zu können. Der Technikerstab betreut also beide: Aquarium und Institut.

    Die Philosophie "Nordsee pur" und ohne vorherige Aufbereitung durch Aquarium und Institut zu leiten, birgt aber auch Risiken.

    Wenn ich zum Horizont kucke und sehe da Frachter fahren, und Schiffe, und Tanker, dann sag ich mir immer: "Was mögen die geladen haben?" Das ist natürlich etwas. Das Schlimme ist ne Ölpest. Das ist natürlich ne gewisse Gefahr. Darum hoffen wir immer: "Fahrt da längs und bleibt ja heil!"

    1992 wurde es besonders eng: Damals trieb ein im Sturm steuerlos gewordener Ölfrachter auf die Insel zu und drohte an der Westseite aufzulaufen. Aber kurz davor griffen die Anker des Schiffes doch noch auf dem Felsgrund, und das naturgeschützte Felswatt um Helgoland blieb verschont.]

    Cannery Row 1945: Doc war der alleinige Eigentümer, Direktor, Praktikant und Aufwärter des Western Biological. Doc konnte, wenn es sein musste, alles und jedes töten, doch ohne wissenschaftlichen Grund keiner Fliege etwas zuleide tun. Während einer Reihe von Jahren hatte Doc an der Cannery Row völlig zurückgezogen gelebt und war ein Quell der Weisheit, Kunst und Naturwissenschaft geworden. Er lebte in einer erregenden Wunderwelt.

    Cannery Row 2003: Eigentlich heißt er Charles Farewell und ist Meeresbiologe. Aber hier nennen alle den hageren, sonnenverbrannten Wissenschaftler nur Chuck.

    Sein Reich ist für die Besucher des Aquariums nicht zugänglich. Eine überdachte Halle, einige runde Fischbecken und eine Baracke mit ein paar Büros.

    Wir befinden uns im Zentrum für die Erforschung und den Schutz den Thunfischs. Wir haben hier vier große Zuchtbecken für Thunfische. Das große - direkt vor uns - fasst über 300 000 Liter. Das sind 300 Kubikmeter. Die Wassertiefe beträgt drei Meter und der Durchmesser zwölf Meter. Im Moment halten wir zwanzig Blauflossen-Thunfische in diesem Becken. In den anderen Becken halten wir viele andere Fischarten.

    Charles Farewell und sein Team züchten und beobachten hier Fische für das Aquarium und für Forschungsprojekte des Monterey Bay Forschungsinstituts sowie die Stanford Universität. Einige bleiben nur wenige Wochen, um sich an ein Leben im Aquarium zu gewöhnen, andere bleiben mehrere Jahre und kommen erst als ausgewachsene Fische in eines der Schauaquarien.

    Unsere Thunfische sammeln wir vor San Diego. Sie werden dort als relativ kleine Fische gefangen, und wir transportieren sie dann mit dem Lastwagen entlang der kalifornischen Küste nach Norden. Dazu haben wir einen eigens konstruierten Transporttank, in dem wir zwölf bis 15 Thunfische transportieren können. Die Reise dauert etwa zehn Stunden von San Diego nach Monterey. Wir haben die Transportbedingungen jetzt so verbessert, dass kein Fisch mehr während dieser Reise ums Leben kommt. Wir haben ein ganz besonderes Überlebenssystem konstruiert. Thunfische brauchen während der Reise Nahrung und sehr viel Sauerstoff. Sie haben einen sehr aktiven Stoffwechsel und das berücksichtigt unser Spezialtank.

    Von Monterey aus leitet Charles Farewell außerdem einige eigene Forschungsprojekte. Meist geht es darum, herauszufinden, wie ein Aquarium aussehen muss, damit die Fische sich wohl fühlen, gesund bleiben und möglichst lange leben. [Nebenher interessiert sich Charles Farewell außerdem für die Wanderrouten der Thunfische und neuerdings auch für den Weißen Hai.

    Die meisten Leute glaubten, dass der weiße Hai nur entlang der kalifornischen Küste wandert. So wie Seelöwen oder Seeelefanten, die immer ihrer Nahrung hinterher wandern, und sesshaft sind, so lange sie genug zu fressen haben. Wir haben zwei große weiße Haie mit Hilfe von Harpunen mit einem Sender markiert und so nachweisen können, dass sie über den halben Pazifik bis nach Hawaii geschwommen sind. Wir haben das als erste beobachtet und dokumentiert.

    Aber warum legt der Hai, so weite Strecken zurück?
    Wir wissen es nicht. Vielleicht reisen sie nach Hawaii, um dort den Winter zu verbringen.

    Das Helgoländer Aquarium blickt auf über 100 Jahre Geschichte zurück. Es ist zu einem festen Teil der Meeresstation auf Helgoland geworden. Seine wichtigste Aufgabe: Es unterstützt die dort arbeitenden Wissenschafter, und solche, die von auswärts zu einen Forschungsaufenthalt nach Helgoland reisen. Manchmal werden auch Wissenschaftler und Universitäten fernab von Helgoland mit Fischen und anderen Meerestieren beliefert. Es gehört zu den Aufgaben der Aquariencrew, Tiere für die Wissenschaftler so vorzubereiten, dass die ohne lange Vorarbeit direkt mit ihrer Arbeit beginnen können: Zum Beispiel: für den Fischphysiologen Aale auf Kaltwasserbedingungen einzustellen und sie monatelang bei niedrigen Temperatur zu halten. Oder Hai- und Rocheneier auszubrüten, damit die Verhaltensbiologin an den frisch geschlüpften Tieren angeborene Verhaltensweisen studieren kann.

    Die zweite wichtige Aufgabe des Aquariums ist die Ausbildung von Biologiestudenten. Die Meeresstation wird das ganz Jahr über von Studentenkursen besucht, die dort meeresbiologische Praktika absolvieren, das Felswatt besuchen, mit den Forschungsschiffen ausfahren und Laborexperimente durchführen.

    Es gibt aber auch Kurse, die sich aufteilen, und dann Leute hier rüberschicken, die in den Morgenstunden im Schauaquarium sitzen und für sich irgendwelche Referatsarbeiten machen. Wie verhält sich ein Schwarmfisch, wie tarnt er sich, wie fressen die - dann sind sie bei der Fütterung dabei - oder, wie neugierig sind sie, was machen sie im Schlaf. Wir haben in diesem Jahr zum Beispiel zwei Studentinnen hier gehabt, die sowohl unsere Seehunde beobachtet haben - was machen die in Gefangenschaft? - und sind dann rübergefahren zur Düne und haben da die Seehunde auf dem Freiland beobachtet. Und das sind dann natürlich, die sind dann wochenlang, kriegen den Schlüssel, und sind dann freie Mitarbeiter.

    Interessierten Laien und Feriengästen die Unterwasserwelt ganz allgemein näher zu bringen, ist damit nur eine von drei Aufgaben, die das Helgoländer Aquarium erfüllt.

    Der Tourismusteil ist eigentlich, wenn ich das jetzt vom Arbeitsaufwand sehe, 10 - 15%. Der Hauptanteil geht eben in diese Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Schau, oder Show, wie man heute auf Deutsch sagt.

    Die Wissenschaft steht im Vordergrund. Aber ein wenig erziehen will Olaf Goemann schon. Er führt mich zurück in den Schauraum, zum sogenannten "Dreckbecken":

    Dass da ein Waschbecken drin ist und dass da ein alter Gummireifen und alte Sachen drin sind, hat nichts damit zu tun, dass wir hier ne Ausstellung machen für unseren Klempner. Es soll eigentlich dem Schüler und dem Laien sagen: Dieses gehört da nicht hin!

    Ein pädagogisches "Dreckbecken" Das gibt es auch im Moneterey Bay Aquarium

    Hier ist die Botschaft eindeutig. Das alles gehört nicht in die Bucht. Wir werfen so viel Müll in unsere Bucht, und das ist nicht gut.

    Ein solches Aquarium zeigt: Benimm Dich mal ein bisschen besser und gebe nicht alles ins Wasser ab, und schmeiß nicht alles hin - Es leben da Tiere, und es ist wichtig dass unser Lebensraum Erde intakt bleibt.

    Zum Abschied hat Mimi Hahn noch ein paar wertvolle Tipps für meinen persönlichen Speiseplan. Interaktiv in einem Computer und auch zum Mitnehmen als ökologisch korrekte Speisekarte.

    Unsere Wissenschaftler untersuchen auch die Auswirkungen der Fischerei auf verschiedene Fischarten. Daraufhin teilen sie alle Speisefische in Kategorien ein: "gute Wahl", "Vorsicht" oder "Bitte Vermeiden". Diese Karte hilft Ihnen auf dem Fischmarkt oder im Restaurant. Sollen wir heute "Red Snapper" essen? Dann sagt die Karte: "vermeiden". Und auf unserer Internetseite erfahren Sie auch: warum.

    Das fruchtet richtig, weil da merkt jeder "Oha, bin ich gemeint?"