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Ozeanografie
Die Farben des Meers

Ozeanografen nehmen die Farbe des Meers wieder genauer ins Visier. Sie gibt wichtige Hinweise auf die Auswirkungen des Klimawandels und die Biologie unter der Meeresoberfläche. Ein weiterer Vorteil: Daten zur Ozeanfarbe reichen mehr als 100 Jahre weit zurück

Von Dagmar Röhrlich |
    Blick auf den Strand Pupnatska Luka auf der kroatischen Insel Korcula. Bild vom 26.09.2014.
    Ob türkis oder grau: Die Farbe des Meerwasser liefert wichtige Informationen. (picture alliance / dpa / Rolf Haid)
    Im 19. Jahrhundert entwickelten François-Alphonse Forel und Willi Ule eine Skala, um die Farbe des Wassers von Seen oder Meeren vergleichen zu können. Zwar werden inzwischen für solche Messungen Spektrometer eingesetzt - auch an Bord von Satelliten. Dank dieser Skala jedoch reichen die Daten zur Ozeanfarbe mehr als 100 Jahre weit zurück. So zeigt sich, dass sich in vielen Meeresgebieten die Farbe verändert hat. Der Ozeanograf Anand Gnanadesikan von der Johns Hopkins University erklärt:
    "In einigen Küstenzonen färbt sich das Meer gelblicher, weil vom Land her verstärkt gelöste organische Substanz ins Meer gespült wird. Und wo Dünger aus der Landwirtschaft im Meer das Algenwachstum anregt, wird das Wasser grüner oder bräunlicher, je nach Algenart."
    Dabei spielen die Farben der Meere nicht nur aus optischen Gründen eine Rolle, sondern sie haben Auswirkungen auf eine Reihe von Phänomen, sagt Anand Gnanadesikan:
    "Wäre das Meerwasser vollkommen klar, würde das Sonnenlicht sehr tief eindringen. Ist das Wasser jedoch beispielsweise durch Schlamm oder organische Schwebstoffe gefärbt oder getrübt, sind es nur weniger Meter."
    Dadurch bleibt das Sonnenlicht in der obersten Wasserschicht gefangen: Ist im Sommer dann die Wasserschichtung stabil, heizt sich diese oberste Schicht viel stärker auf, als es sonst der Fall gewesen wäre.
    "Das hat wiederum Auswirkungen auf die Biologie. So kommen die Algen an der Oberfläche dadurch kaum an die im tieferen Meerwasser gelösten Nährstoffe heran. Das gesamte Ökosystem wird regelrecht komprimiert."
    Die Farbwechsel im Meerwasser spiegeln anscheinend auch Veränderungen in der Nahrungskette wider:
    "Im Lauf der vergangenen 40 Jahre ist der Nordatlantik grüner geworden und der Nordpazifik blauer, ebenso der Indische Ozean. Analysen zeigen, dass sich dort, wo das Meer grüner wird, die Zusammensetzung des Phytoplanktons verändert: Während die Kalkalgen zunehmen, sinkt die Zahl der Kieselalgen - und die der Planktonkrebse. Obwohl also der Nordatlantik grüner und das Ökosystem eigentlich produktiver werden sollte, ist es seltsamerweise tatsächlich weniger aktiv."
    Die Meeresfarben spielen auch bei den Auswirkungen des Klimawandels und extremen Wetterereignissen eine Rolle. Das zeigt sich, wenn sie in aufwendigen Erdsystemmodellen berücksichtigt werden, bei denen Atmosphäre, Meere, Land und Eis miteinander gekoppelt sind. Anand Gnanadesikan:
    "Zu unserer Überraschung sehen wir, dass in Jahren mit warmen Sommern oft kalte Winter auftreten. Dabei zeigt sich ein Zusammenhang mit der Farbe des Meerwassers. Wo es so eingefärbt oder getrübt ist, dass das Sonnenlicht in der Nähe der Oberfläche gefangen bleibt, kühlt diese oberste Schicht im Herbst sehr schnell aus. Das führt zu der paradoxen Situation, dass die Sommer extrem warm werden, während die Winter kälter sind."
    Dieser Effekt wirke auch in der Arktis, etwa in Gebieten, wo Flüsse große Mengen an gelber, gelöster organischer Substanz ins Meer beförderten. Dort bilde sich im Winter verstärkt Meereis. In anderen Gebieten passiert jedoch das Gegenteil: Das sommerliche Schmelzwasser formt eine klare Lage auf dem Meerwasser, sodass Sonnenlicht tiefer eindringt, als Wärme gespeichert wird und das Gefrieren verzögert. Welche Rolle die gegensätzlichen Mechanismen bei der Ausprägung des Klimawandels in der Arktis spielen, das müsse man sich nun näher anschauen, beschreibt Anand Gnanadesikan.