Ein Hauch von Las Vegas ist in Paderborn angekommen: Ein Pfau aus knallbunten Neonröhren hängt an einer Häuserwand und beleuchtet grell die Paderborner Fußgängerzone.
"Im Moment ist es noch auf Dauerbetrieb, nur um die Neonröhren einzubrennen. Danach wird er nur leuchten bei Münzeinwurf für circa eine Minute."
Wer einen Euro in einen Münzautomaten wirft, bringt den Pfau in lila, rot und grün zum Leuchten. Der Pfau spielt in Paderborn eine besondere Rolle, weil das Tier einer Sage nach Pilger begleitet hat. Für die Künstlerin Silke Wagner ist er eine Mischung aus Fetischobjekt und heiligem Tier.
"Weil dieser religiöse Inhalt immer präsent ist und weil der Pfau, durch die Veränderung seiner Ikonografie der Wahrnehmung von was Heiligem, was mit Weisheit zusammenhängt, jetzt steht für Luxus und Protzerei, was mit Konsum zusammenbringt und jetzt hier in der Fußgängerzone zu finden ist."
Es regnet in Strömen. Kein guter Tag, um Kunst im öffentlichen Raum anzusehen. Die Fußgängerzone von Paderborn soll 100 Tage lang mehr bieten als bloßen Konsum. Die Werke der zwölf Künstler stehen zwischen Geschäften, vor Brunnen, auf Plätzen oder im Parkhaus. In der Fußgängerzone ist es voll und hektisch. Wie überall in Deutschland herrscht Einheitsangebot: Die hohen Mieten können sich längst nur noch die großen Ketten leisten. Andernorts stünde es aber noch schlechter um die Konsummeile, meint Kurator Florian Matzner:
"In Paderborn ist sie noch relativ intakt, im Ruhrgebiet ist es ganz extrem. Da sind Fußgängerzone Unorte. Da gibt es viel Leerstand, ganz viele einzelne Geschäfte sind verschwunden und weichen Ketten. Das ist schon eine Vereinsamung und nach 20 Uhr ist noch mal ganz extrem."
Nachts wie tags: Die Fußgängerzone ist ein anonymer Ort. Der Passant fühlt sich als einer unter vielen. Den Glanz buchstäblich zurückholen und die Fußgängerzone aufwerten, wollen die Künstlerinnen Clea Stracke und Verena Seibt. Sie knien auf dem Boden. Ein Zelt schützt sie vor dem Regen, während sie die grauen Gehwegplatten mit Blattgold überziehen.
"Das Gold ist historisch und von der Einzigartigkeit des Materials unglaublich." - "In der Fußgängerzone versucht jedes Schild mit dem anderen zu konkurrieren, der will noch was neues, hier ist noch ein Superslogan und der macht Neon. Wenn man nur die pure Goldfläche sieht, Aufmerksamkeit ist auf der Goldfläche. An Strahlkraft kommt nix ran."
Kostenlose Begegnungszone für Flaneure
Gleich neben den vergoldeten Bodenplatten versperrt eine Mischung aus Sperrmüllhaufen und Anti-Konsumdenkmal den Weg. Markus Ambach hat überflüssige Schilder gesammelt und aufeinander getürmt. Wegweiser, Verbotsschilder, Werbebotschaften. Davor steht ein Plastikpferd, das von einem Kindergeschäft ausrangiert wurde. Florian Matzner:
"Das scheint auf den ersten Blick nur aufgetürmt, aber sie sehen das Pferd und das Pferdverbotsschild. Es gibt einige interessante Bezüge. Sie sehen da das Plakat Kapitalismuskritik. Das hat schon alles miteinander zu tun."
Eine Passantin, die auch der Dauerregen nicht vom Shoppen abhält, freut sich, dass die Fußgängerzone nun ein Museum auf Zeit ist.
"Ich finde das gut. Weil man läuft nicht nur mit Tunnelblick von einer Filiale zur anderen."
Das Problem der Fußgängerzone sei nicht nur ihre Kommerzialisierung, sondern, dass die Passanten kaum Gelegenheit zu Langsamkeit und Aufenthalt finden, meint die Künstlerin Dorothee Golz. Deshalb schafft sie etwas ganz Banales: Chairs to share: zehn Stühle, auf denen man dicht nebeneinander sitzen kann. Eine kostenlose Begegnungszone für Flaneure.
"Die konnten es gar nicht erwarten, während wir sie schon montiert haben, haben die sich schon hingesetzt."
Die Fußgängerzone ist für Dorothee Golz kein Auslaufmodell. Im Gegenteil: In Zeiten, wo öffentlicher Raum privatisiert wird, hält die Künstlerin sie für besonders wichtig.
"Das ist ein demokratischer Ort, der von jedem gleichermaßen genutzt werden darf."
Die Abkehr von der Fußgängerzone sehen die Künstler nicht als Lösung. Eher eine Umnutzung und Wiederbelebung, wie man sie aus anderen Ländern schon kennt, meint Kurator Florian Matzner.
"Wie das in Zukunft aussehen wird, weiß ich auch nicht. Wenn sie in Frankreich oder Italien sind, da funktioniert das noch besser, weil Wohnen und Arbeiten besser integriert sind. In Deutschland hat man ja bewusst die Bereiche ausgeklammert und die Fußgängerzone rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten strukturiert und das wird in Zukunft nicht mehr so funktionieren."