Über pädagogische Nebenwirkungen langer Schulschließungen lägen keine empirischen Ergebnisse vor, allerdings wüssten Pädagogen aus der Erfahrung, dass gerade das Lernen in der Grundschule auf funktionierenden Beziehungen basiere, sagte Christiane Mika, Vorsitzende des Grundschulverbands in NRW.
"Wir machen uns große Sorgen. Durch diese langen Unterbrechungen mit den schwerwiegenden Kontaktbeschränkungen hat das Folgen - weniger für das Schüler-Lehrer-Verhältnis - als für die Gesamtsituation der Kinder."
Folgen für die einzelnen Kinder
"Wir wissen von vielen Rückmeldungen aus der Schule, wie intensiv die Kollegen sich bemüht haben, Kontakt direkt zu den Kindern zu bekommen - sie haben angerufen, Lernpakete gepackt, sie haben versucht, über digitale Wege direkt im Austausch zu sein."
Mütter hätten berichtet, die Kinder wollten nicht mehr vor Arbeitsblättern sitzen, nicht mehr am Computer spielen, sie wollten einfach nur in die Schule. Den Kindern fehle der Austausch mit anderen, ihnen fehle die direkte Rückmeldung und auch die pädagogische Begleitung durch die Lehrkräfte, so Mika.
Unterstützung beim Lernen wesentlich
Ob Kinder in der Coronazeit ohne Beschulung Sachverhalte verlernen würden, beispielsweise durch fehlende Wiederholung, hänge stark davon ab, wie die Kinder begleitet werden.
"Mit jedem Tag, wo Kinder nicht in die Schule gehen, wächst der Abstand zu den Kindern, die gut unterstützt werden. Wenn Kinder ohne häusliche Unterstützung und digitale Endgeräte, in kleinen Wohnungen und mit vielen Geschwistern, keine Möglichkeit haben, das, was zum Teil sehr individuell herausgesucht wird, nicht bearbeiten können - da wird das bisher Gelernte auf kein neues Futter stoßen und das ist ein ganz, ganz hochproblematischer Punkt."
Erstklässler leiden unter fehlenden Kontakten
Mit Sicherheit habe der Shutdown für Erstklässler, die gerade erst sechs Monate in der Schule waren, auch Folgen, so Mika. Nach dem Wechsel in den Primarbereich, der von vielen Erwartungen, von Freude, von Kennenlernen und Herausforderungen gekennzeichnet sei, wisse man aus zahlreichen Rückmeldungen, dass die Kinder sehr enttäuscht seien. "Sie leiden wirklich unter den fehlenden Kontakten."
Es sei derzeit nicht einzuschätzen, ob noch eine Chance bestehe, die Kinder, die demnächst in die Grundschule kommen, vorher kennenzulernen. Die vielfältigen Rituale vor Eintritt in die Schule, wie die Ankommens-Rituale, müssten vielleicht später in kleineren Gruppen umgesetzt werden, so Mika. Man könne vielleicht noch über Briefe Kontakt aufnehmen und die Klassenlehrer beispielsweise vorstellen, aber all das ersetze nicht die Traditionen und Rituale, die fest etabliert seien.
Transparente Vorgaben von der Politik gewünscht
Die Schulen hätten viele Szenarien für die sächliche und personelle Umsetzung der Wiedereröffnung in allen Varianten durchgespielt.
"Das, was Schulen jetzt brauchen, ist Rückendeckung und Vertrauen, um unter Gewährleistung von Infektionsschutzvorgaben pädagogisch verantwortungsvoll handeln zu können."
Die Eltern hätten großes Vertrauen, von der Politik erwarte man transparente Verfahren und Gestaltungsspielräume.