"Es ist ein pädagogisches Programm mit einer Interaktionsdiagnostik und das gab's bisher so nicht", sagt Projektleiterin Rebecca Friedmann.
Die Jugendlichen kommen aus kaputten Familien, wurden geschlagen oder missbraucht, haben nie gelernt, in Gruppen zu funktionieren oder ihre Affekte zu kontrollieren. Manche Häftlinge im Jugendgefängnis Wriezen brauchten einen anderen Ansatz, als Psychologen ihn bieten können, sagte Friedmann.
"Therapie ist super und sinnvoll für eine kleine Gruppe, die nicht in Therapie bestehen können. Brauchen wir ein Alternativangebot, dieses Angebot muss ein Pädagogisches sein, weil diese Jugendlichen, mit dem, was klassischer Weise in der Psychotherapie angeboten wird, nicht zurechtkommen."
Mehr als 80 Prozent rückfällig
Sie kommen auch mit dem Unterricht hinter Gittern nicht zurecht, machen keinen Abschluss und werden dann Studien zufolge zu mehr als 80 Prozent wieder rückfällig. Bildung im Knast sei darum sehr wichtig, betonte Elisabeth Theine vom Brandenburger Justizministerium.
"Es ist wirklich die Grundvoraussetzung dafür, dass die Jugendlichen nach der Entlassung eine Chance haben, sich auf den Arbeitsmarkt zu integrieren, darüber gesellschaftlichen Halt und Anerkennung zu bekommen und dadurch, weil sie dann mitten in der Gesellschaft sind, nicht mehr rückfällig zu werden."
Coaching in Einzelgesprächen
Schon ein Hauptschulabschluss lasse Studien zufolge die Rückfallquote von über 80 auf unter 40 Prozent sinken. Um soziale Kompetenzen nachträglich doch noch zu entwickeln, wurde für das Projekt ein Dutzend junge Häftlinge ein Jahr lang einmal in der Woche in Einzelgesprächen gecoacht. Vollzugspädagogin Franke, die den Bereich Bildung in der JVA Wriezen leitet:
"Also wir haben schon bewusst geguckt, dass die Gefangenen, die in Bildungsmaßnahmen integriert sind, aber immer wieder auffällig im Unterricht, in der Ausbildung, auch im vollzuglichen Verhalten sind, gezielt in dieses Coaching integriert sind. Und unser Erfolg war es, dass wir bei denen, die da drin waren, doch ein sehr positives Feedback zum Schluss hatten und die wirklich bildungsfähiger waren."
Die Beschädigungen der frühen Kindheit können so natürlich nicht geheilt werden, sagt Coach Annawelina Münch von der Denkzeit-Gesellschaft, aber:
"Sie halten Situationen besser aus. Die gehen dann in den Unterricht. Und können dann zum Beispiel mehr in die Beziehung gehen, indem sie den Lehrer ansprechen und sagen: Mir geht's hier gerade so, ich kann das gerade nicht aushalten oder ich brauche Hilfe, können Sie mich mal unterstützen."
Auch Lehrer werden geschult
Nicht nur die Häftlinge wurden gecoacht, sondern gleichzeitig auch die Lehrer hinter den Anstaltsmauern. Sie habe dadurch gelernt, mehr Verständnis für die schwierigen Jugendlichen in ihrer Klasse zu entwickeln und sie anders wahrzunehmen, sagte eine Pädagogin.
"Dass man anders denken muss, dass man gucken muss, dass man die Muster der Schüler oder der Jugendlichen durchbricht, wie die zum Beispiel versuchen, sich vor Bildungsmaßnahmen zu schützen, indem sie mir ein Verhalten zeigen, was provozierend ist, was auffällig ist. Und jetzt nicht dieses Muster zu bedienen und die dann wirklich rauszuschmeißen, wenn man dann wirklich selber die Nase voll hat oder das nicht mehr aushalten will, weil man schließlich Unterricht machen will. Da zu sagen, ich versteh das jetzt, aber wir müssen hier eine Lösung finden. Da hat mir schon das Projekt dabei geholfen."
Denn die Ursachen sozialen Fehlverhaltens sind zwar bekannt, sie werden in der regulären Lehrer-Ausbildung aber offensichtlich nicht so intensiv behandelt, wie es für Pädagogen im Knast nötig wäre, sagte Vollzugspädagogin Franke.
"Die Ausbildung, die man während des Lehrerstudiums hat, die psychologische, ist ja noch mal anders ausgerichtet, als das, wo es speziell um diese Defizite im Verhalten geht."