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Pädophilie und Priesteramt

Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich werden an katholischen Schulen immer häufiger Fälle von sexuellem Missbrauch registriert. Dort beschloss die Bischofskonferenz schon 2006 Maßnahmen zum Schutz der Kinder. Mit mäßigem Erfolg.

Von Jörg Paas |
    "Täuschet Euch nicht! Weder Unzüchtige noch Knabenschänder werden das Reich Gottes erben!" Mit Bibelzitaten wie diesem mahnte der damalige Wiener Kardinal Hans-Hermann Groer 1995 die Gläubigen im Stephansdom - nicht ahnend, dass er selbst kurz darauf mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen konfrontiert werden würde.

    Ein ehemaliger Zögling des Erzbischöflichen Knabenseminars gab an, Groer sei für ihn Mutter, Vater und Geliebter zugleich gewesen. Der Kardinal zog sich zurück, sein Nachfolger Christoph Schönborn leistete öffentlich Abbitte:

    "Als Bischof dieser Erzdiözese Wien, bitte ich alle die um Vergebung, die durch Fehlverhalten meines Vorgängers und auch anderer kirchlicher Amtsträger Schaden erlitten haben. Wir sind von der Erzdiözese Wien bereit, Hilfestellungen zu leisten, soweit es möglich ist, um Schaden wieder gut zu machen"

    Seit damals hat jede Diözese in Österreich eine Beratungsstelle, an die sich Opfer von sexuellem Missbrauch und Misshandlungen wenden können. 17 solcher Fälle wurden im letzten Jahr landesweit registriert, acht davon allein in Wien. Leiter der Beratungsstelle dort ist der Psychiater und Psychotherapeut Johannes Wancata:

    "Wir versuchen den Opfern die Scham zu nehmen und ihnen den Eindruck zu nehmen, sie wären Verräter der Kirche. Wir vermitteln, wo nötig, Psychotherapie und juristische Beratungen."

    Die Salzburger Beratungsstelle hat in den letzten Monaten von zwei Priestern erfahren, die Kinder sexuell missbraucht haben sollen. Ein Fall wird gerade vor Gericht verhandelt, der andere ist bereits verjährt. Oftmals vergehen zehn, 15 oder mehr Jahre, bis die Opfer sich melden. In anderen Fällen von Pädophilie geht die Kirche selbst an die Öffentlichkeit - wie zuletzt im Fall eines Pfarrers und Religionslehrers in Niederösterreich, der auf seinem Computer Kinderpornos gespeichert hatte. Erich Leitenberger, Sprecher der Erzdiözese Wien:

    "Es soll nichts verschwiegen, nichts vertuscht werden, sondern es wird alles auf den Tisch gelegt. Natürlich gilt die erste Sorge der Kirche den Opfern. Man darf nie vergessen, dass bei der Produktion von Kinderpornos durch eine gewissenlose Industrie natürlich Kinder missbraucht werden."

    Beratung und Hilfsangebote haben deutlich zugenommen. Doch Kritiker bemängeln, die Kirche tue zwar inzwischen eine ganze Menge für die Opfer, aber viel zu wenig gegen die Täter. Immerhin: Vor dem Eintritt ins Priesterseminar werden inzwischen mit allen Anwärtern Eignungsgespräche geführt, um Aufschluss über ihre psychische und emotionale Verfassung zu gewinnen. Dennoch sei das Priesteramt für Pädophile immer noch eine Art Schlupfloch, sagt der Psychologe Holger Eich. Er hat bis vor zwei Jahren in der Beratungsstelle der Erzdiözese Wien mitgearbeitet, sich dann aber enttäuscht zurückgezogen:

    "Ich hatte einen Fall, da hat eine Frau darüber berichtet, dass sie während des Religionsunterrichts von einem Pfarrer missbraucht wurde. Sie musste zu ihm auf den Schoß, musste sich dort ausgreifen lassen. Und sie hat einfach gemerkt, 20 Jahre später, als sie wieder in das Dorf zurückkam, wo sie gelebt hat, dass der immer noch Pfarrer ist und immer noch Religionsunterricht bei Kindern macht. Und das war der Anlass dieser Frau, dass sie darüber gesprochen hat. Der dann Therapie anzubieten oder psychosoziale Unterstützung, ist schön. Aber das war nicht ihr Motiv. Ihr Motiv war: Ich möchte, dass der aus dem Verkehr gezogen wird, und das passiert eben nicht."

    Vonseiten der Amtskirche heißt es: Missbrauch ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Grund zur Entlassung aus dem priesterlichen Dienst. Einen entsprechenden Maßnahmenkatalog hat die österreichische Bischofskonferenz 2006 verabschiedet. In der Praxis jedoch, sagen Kritiker, blieben die Akten auf dem Dienstweg allzu häufig irgendwo auf einem Schreibtisch liegen - und die Täter würden allenfalls an einen anderen Ort versetzt.