Ein paar junge Männer mit zotteligen Bärten und dunklen Kaftanen drängen um einen Tisch, auf dem braune, weiße und schwarze Stoffe durcheinander liegen. Einer von ihnen greift schließlich nach einer langen, braunen Stoffbahn, befühlt sie vorsichtig und nickt dann. Warum braun? Er zuckt die Schultern.
"Das ist halt gerade die Mode."
Die anderen Männer nicken und grinsen. In Darul Oloom Haqqania, Pakistans ältester und berühmtester Koranschule, ist der Turban der Wahl der Koranschüler in dieser Saison also braun. Braun sind auch viele der Kaftane, die zwischen den weißen Arkaden vor den Schlafsälen zum Trocknen gespannt sind. Im Erdgeschoss sitzen ein paar ältere Schüler auf klapperigen Plastikstühlen und lesen in dicken, schweren Büchern. Hier also, zwischen den eleganten Minaretten, kleinen Gärten und schattigen Innenhöfen haben einst die Männer studiert, die dann später ihr Schreckensregime in Afghanistan etablieren sollten: die Taliban.
"Es ist mir eine große Freude, dass man mich den Vater der Taliban nennt. Nein, es ist sogar eine Ehre. Ja, ich bin ihr spiritueller Vater, das kann man durchaus so sagen."
Sami ul-Haq lehnt sich zurück auf dem großen Plüschsofa in seinem großen, abgedunkelten Empfangszimmer und streicht langsam über seinen hennarot gefärbten Bart. Der korpulente Mann, der 1988 die Schulleitung von seinem Vater übernahm, lächelt. Es ist ein breites, stolzes Lächeln. Er beugt sich wieder nach vorn:
"Aber ich habe nie irgendjemanden nach Afghanistan geschickt. Die Männer sind alle aus ihrem freien Willen in den Dschihad gezogen."
Und das Regime, das seine Schüler etabliert haben? Die Steinigungen, die geschlossenen Schulen, der Burka-Zwang? Was hält er davon? Ul-Haq macht eine verächtliche abwertende Bewegung - nichts als westliche Propaganda:
"Die Taliban hatten doch überhaupt keine Zeit, Afghanistan richtig zu regieren. Der Westen hat doch sofort versucht, die Taliban-Herrschaft zu zerstören. Die Taliban wollten ein Schulsystem einführen, auch Mädchenschulen, das war ihr Plan. Bevor die Taliban an die Macht kamen, konnten Frauen doch überhaupt nicht durch das Land reisen, weil sie sonst von den Warlords gekidnappt und vergewaltigt worden wären. Aber nachdem die Taliban an der Macht waren, da konnten Frauen durch das Ganze Land reisen – sogar ohne Begleitung und niemand durfte ihnen auch nur ein Haar krümmen. Ich sage dir: Das war ein gutes System."
Kinder aus armen Familien
Die beiden Männer mit den identischen schwarzen Turbanen, die sich neben Ul-Haq auf dem Sofa räkeln, nicken eifrig und vertiefen sich dann wieder in ihre Handys. 3.500 Kinder und Jugendliche aus ganz Pakistan und Afghanistan studieren an dieser Madrassah. Fast alle stammen aus Familien, die so arm sind, dass die Koranschule für sie die einzige Hoffnung auf ein wenig Bildung ist. Hier erhalten sie kostenlose Unterkunft, Verpflegung und auch medizinische Versorgung. Und sie lernen von Ul-Haq und den Männern neben ihm auf dem Sofa, dass Amerika der Feind und Osama bin Laden und Mullah Omar Helden sind.
Sami ul-Haq? Mufti Naeemi rümpft die Nase. Nachdrücklich stellt er seine Kaffeetasse auf den einzigen freien Fleck auf seinem Schreibtisch, auf dem sich Bücher und Papiere stapeln.
"Der Westen glaubt, dass in allen Madrassah Terrorismus gelehrt wird. Das ist falsch. In ein paar Madrassah ist das tatsächlich der Fall, diese Schulen haben wir auch immer wieder angeprangert. Aber die Leute aus dem Westen kommen immer nur in diese Schulen – ich verstehe das einfach nicht."
Naeemi schüttelt bedauernd den Kopf. Der dicke, joviale Schulleiter, der immer wieder auffordernd auf den Teller mit den großen Stücken Sahnetorte deutet, leitet seit etwa zehn Jahren eine kleine Koranschule in Islamabad. Viele seiner Kollegen, das gibt er zu, unterrichteten tatsächlich veraltete Lehrpläne und verbreiteten Halbwissen. Das, glaubt er, liege daran, dass viele Lehrer selbst eher oberflächlich ausgebildet worden seien. Seine Schule aber, das betont er immer wieder, sei anders, modern.
Auch oft moderate Kräfte unter der Lehrerschaft
Ameer Rana, ein höflicher, fast schüchterner Mann mit einem runden, jugendlich wirkenden Gesicht, zuckt die Schultern. An den Wänden des düsteren, ein wenig stickigen Büros des Pakistan Institute of Peace Studies, das Rana leitet, hängen die vielen Auszeichnungen für seine Arbeit mit radikalisierten Jugendlichen.
"Interessant ist doch, dass es selbst in den Koranschulen, die sehr klare Verbindungen zu den Taliban haben, moderate Lehrer und Studenten gibt, die nicht Teil des militanten Diskurses werden wollen."
Im Innenhof der Darul Oloom Haqqania stehen ein paar Schüler vor einem Klassenraum. Die Jungs verschränken ihre Arme und versuchen ernst und erwachsen zu gucken. Najib, ein kleiner, schmächtiger Junge, dessen weißer Kaftan ziemlich schmuddelig ist, drängt sich nach vorne. Später, sagt er, würde er gerne Imam werden – oder Dschihadist.
"Ich würde sehr gerne zu den Taliban. Das schreibt uns der Islam so vor."
Seine Freunde grinsen. Dann schlendern sie langsam über den Innenhof, über den auch schon ihre Helden, die Taliban, gewandelt sind.