Verräterische Offenheit: Keine 24 Stunden nach dem tödlichen Drohnenangriff auf Mullah Mansoor bestätigte US-Außenminister John Kerry den Einsatz. Eigentlich schweigen die USA über ihr Drohnenprogramm. Die Politik des gezielten Tötens ist hoch umstritten. Ob Drohnen Terror eindämmen können auch. Doch dieser Angriff sollte nach draußen dringen. John Kerry war auf einer Dienstreise in Myanmar, als er in die Offensive ging.
"Diese Aktion sendet das klare Signal an die Welt, dass wir weiter an der Seite unserer afghanischen Partner stehen", sagte er. In Washington wurde Außenministeriumssprecher Mark Toner etwas später deutlicher.
"Wir sind sehr klar in unserer Zusammenarbeit mit Pakistan, wenn wir der Meinung sind, dass die Pakistaner mehr tun müssen, um die Terroristen zu entwurzeln, die auf ihrem Territorium Schutzzonen finden", betonte Toner.
Offiziell gilt Pakistan als Partner des Westens im Anti-Terrorkampf. Doch das Land steht im Verdacht, mit extremistischen Gruppen wie den afghanischen Taliban und dem Haqqani-Netzwerk zusammenzuarbeiten, um seine regionale Macht auszubauen. Der amerikanische Geheimdienst CIA fliegt seit Jahren Drohnen-Angriffe auf Ziele im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet.
US-Drohnen starten oft in Pakistan
Trotz aller Proteste geschieht das ganz ohne Zweifel mithilfe des mächtigen pakistanischen Militärs. Die CIA-Kampdrohnen starten und landen in Pakistan. Die Drohnen nehmen offenbar Extremisten ins Visier, die auch Pakistan für gefährlich hält. Das Land leidet selber unter Terror und kämpft gegen eine eigene Taliban-Bewegung.
Doch der US-Drohnenangriff auf den afghanischen Taliban-Führer Mullah Mansoor war anders. Es war der erste im pakistanischen Kernland. Die Kampfdrohnen flogen von einem amerikanischen Militärstützpunkt in Afghanistan über die Grenze, feuerten in der pakistanischen Provinz Belutschistan auf das Auto von Mullah Mansoor und kehrten über die Grenze nach Afghanistan zurück. Verlieren die USA die Geduld mit Pakistan?
"Wir verurteilen diesen Drohnenangriff aufs schärfste", klagte Pakistans Innenminister Chaudry Nisar Ali Khan nach ein paar Tagen des auffälligen Schweigens. Sein Land steht einmal mehr am Pranger. Ist es reiner Zufall, dass nach Al-Kaida-Gründer Osama bin Laden auch Mullah Mansoor auf pakistanischem Boden getötet wurde? Ist es reiner Zufall, dass die afghanische Taliban-Bewegung ihren neuen Anführer in der pakistanischen Stadt Quetta bestimmte? Quetta, die Provinzhauptstadt von Belutschistan, gilt als Exil-Heimat vieler Taliban-Größen aus Afghanistan. Auch Taliban-Gründer Mullah Omar soll in Pakistan gestorben sein.
"Wir versuchen alles, was in unserer Macht steht, um die Taliban, Haqqani und alle, die wir erreichen können, davon zu überzeugen, an Verhandlungen teilzunehmen. Wir machen Druck", versicherte der pakistanische Außenstaatssekretär Aizaz Ahmed Chaudry noch unmittelbar vor dem tödlichen Drohnen-Angriff auf Mullah Mansoor.
USA zweifeln an der Vermittlerrolle Pakistans
Doch dessen zerfetztes Auto auf einem pakistanischen Highway sendete zwei Tage später ein klares Signal an Pakistans Machtelite, wie weit der amerikanische Arm reicht. Und wie sehr die USA an Pakistans Vermittlerrolle im afghanischen Krieg zweifeln.
"Der Tod von Mullah Mansoor durch den Drohnenangriff am 21. Mai hat die Komplexität des afghanischen Konflikts verstärkt. Wir glauben, dass diese Aktion dem Friedensprozess schadet", sagt Sartaj Aziz, der außenpolitische Sonderberater der pakistanischen Regierung.
Doch Pakistan war jahrzehntelang eine Militärdiktatur. Die Außen- und Sicherheitspolitik ist bis heute die Domäne der Generäle. Der mächtige Militärapparat ist auf den Partner USA angewiesen, vor allem finanziell. Umgekehrt brauchen die USA den Partner Pakistan, um für stabile Verhältnisse in dieser strategisch so wichtigen Region zu sorgen, in der Atomwaffen stationiert sind.
Doch beide Seiten haben auch unterschiedliche nationale Interessen. Pakistans Militär will mithilfe der afghanischen Taliban verhindern, dass sich in Kabul eine Indien-freundliche Regierung etablieren kann. Die Nachbarländer Indien und Pakistan sind verfeindet. Die Generäle haben Angst davor, eingekesselt zu werden und beobachten mit Sorge, wie sich Indien und der Iran annähern.
Die USA wiederum wollen die afghanischen Taliban an den Verhandlungstisch zwingen, um ihre Truppen abziehen zu können. Das bedeutet für beide Seiten einen permanenten, komplizierten Balanceakt.
Was die Betroffenen aneinander kettet ist die Befürchtung, dass die gesamte Region ein Anziehungspunkt für den selbst ernannten Islamischen Staat werden könnte.