Eine graue Hochhaussiedlung an einer mehrspurigen Straße, über die der Feierabendverkehr rauscht, irgendwo in Islamabad: Vor den verschlossenen Fenstern hängt ausgeblichene Wäsche zum Trocknen, der Eingangsbereich ist düster und schmutzig. Die Tür im Erdgeschoss ist unscheinbar, das Namensschild fehlt: Nichts deutet auf die Bewohnerin und ihre Beschäftigung hin.
Aysha verschließt sorgfältig die Tür und führt dann durch einen dunklen Flur in das spartanische Wohnzimmer: Über dem ausgeblichenen Sofa und dem kleinen Tisch, auf dem schmutzige Teetassen und Teller stehen, hängt der Geruch von ranzigem Fett, der sich mit dem süßlichem Parfüm der schmächtigen Frau vermischt, deren lange, schwarzen Haare über ihre grellrosa Tunika fallen.
Immer wieder piepst eines der vier Handys, die neben ihr auf dem Sofa liegen: Am anderen Ende sind die Männer, die sich mit ihr verabreden wollen: Seitdem sie 13, vielleicht auch 12 Jahre alt ist, so genau weiß sie das nicht mehr, lässt sich Aysha von fremden Männern für Sex bezahlen. Die heute 26-Jährige zuckt die Schultern:
"Das ist immer noch besser, als einen Job als Hausmädchen zu haben: Da wirst du genauso missbraucht und musst außerdem jeden Tag länger arbeiten."
Als Aysha etwa 12 war, sei sie von dem Sohn der Familie, wo sie als Hausangestellte angefangen habe zu arbeiten, immer wieder vergewaltigt worden, sagt sie. Dann erzählte ihr ein anderes Dienstmädchen eines Tages von einer anderen, angeblich besseren Arbeit.
"Erst war ich natürlich schockiert. Aber dann habe ich gesehen, dass die anderen Mädchen ein gutes Leben hatten und immer schöne Kleider hatten. Und dann habe ich mir gedacht: Na gut, dann arbeite ich eben auch in diesem Bereich."
Seitdem trifft sie sich mit Junggesellen, verheirateten Männern, oft auch Mullahs, sagt sie – und lebt ständig in der Angst, dass einer von ihnen sie verraten könnte: Denn jegliche Form von außerehelichem Sex ist strafbar in Pakistan. Und so geht ein Großteil des Geldes, das die Freier ihr zahlen, 20, sogar 25 Euro pro Treffen, an korrupte Polizisten.
"Ich habe ständig Angst, dass ich mal verhaftet werde. Das einzige, was ich tun kann, ist der Polizei immer mehr Geld zu geben. Aber wenn sie wollen, dann können sie mich trotzdem verhaften, jederzeit."
Sagt sie - und starrt auf ihre Hände - der Nagellack schimmert im gleichen grellrosa Farbton wie ihre Tunika. In der winzigen, zugigen Polizeistation in Islamabad, eine halbe Stunde Autofahrt von Ayshas Wohnung entfernt, tanzen gespenstische Schatten über die Wände: Im Viertel ist wieder Stromausfall und das Handy des freundlichen, dicken Polizisten, der sich über seine dicke Kladde beugt, ist die einzige Lichtquelle. Der Polizist sucht nach den Frauen, einer Gruppe von Prostituierten, die erst vor ein paar Tagen eingeliefert worden ist – in den Akten aber sind sie nicht zu finden. Schließlich schüttelt er den Kopf:
"Es gibt mehrere Möglichkeiten: Manchmal ruft eine einflussreiche Person an, manchmal kommen Leute hierher und verhandeln mit uns und die Angeklagten kommen frei, bevor ihr Fall registriert wird. Wenn sie die richtigen Kontakte haben, dann kommen sie meist frei, so ist das hier in Pakistan."
Oft sind Polizisten aber auch selbst am lukrativen Geschäft beteiligt: Als er vor sechs Jahren mit der Zuhälterei begonnen habe, habe ein hochrangiger Polizeioffizier den Kontakt zu Politikern für ihn hergestellt, erzählt der Mann in dem adretten dunkelblauen Anzug, der einen entlegenen Parkplatz am Rande von Islamabad als Treffpunkt gewählt hat: Der Mann ist nervös, seine Handbewegungen fahrig – er versorgt Politiker, sogar Provinzgouverneure, mit Prostituierten und hat Angst, dass das Gespräch beobachtet werden könnte. Meist, sagt er, rufen die Fahrer oder Bodyguards der Politiker an, um eine Bestellung, wie er es nennt, aufzugeben:
"Wenn die einen Jungen wollen, dann sagen die: Bringt uns das Dokument zum Unterschreiben. Wenn die ein Mädchen wollen, dann sagen die: Wir brauchen das Ding. So einfach geht das."
Fast täglich, sagt er, sorge er für Nachschub für Politiker aller Parteien mit Jungen und Mädchen – manche von ihnen gerade mal 13 Jahre alt. Später, am Abend, ruft der Mann noch einmal an: Er schäme sich, sagt er, für das, was er tue. Dann legt er auf.
"Ich weiß, dass das, was ich tue, eine Sünde ist, aber ich bete um Vergebung. Allah wird mir vergeben, er weiß, dass ich das nicht freiwillig tue."
Aysha starrt wieder auf ihre Hände. Von dem Geld, das sie verdient, unterstütze sie ihre fünf jüngeren Schwestern, sagt sie. Erst wenn alle verheiratet seien, könne sie etwas anderes mit ihrem Leben anfangen – noch sind drei der Schwestern unverheiratet.
"Ich bin so deprimiert, vor ein paar Monaten habe ich sogar angefangen, Alkohol zu trinken, um zu vergessen. Nachts kann ich oft nicht schlafen, weil ich immerzu denke: Warum nur führe ich so ein Leben?"