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Pakistan
Verhandlungen zwischen den Taliban und der Regierung

Am Donnerstag trafen sich eine den Taliban nahestehende Delegation und pakistanische Regierungsvertreter zu Sondierungsgesprächen. Aber viele Pakistaner haben Zweifel: Sie befürchten, dass die Taliban die Waffenpause nutzen, um nachzurüsten.

Von Jürgen Webermann |
    Der pakistanische Regierungsvertreter Irfan Siddiqui im Gespräch mit dem Vertreter der Taliban, Sami-ul-Haq (von links)
    Der pakistanische Regierungsvertreter Irfan Siddiqui im Gespräch mit dem Vertreter der Taliban, Sami-ul-Haq (von links) (dpa / picture-alliance)
    Sie lachen kurz nach ihrem Treffen, das drei Stunden gedauert hat. Machen es sich im Sofa bequem, mitten in Islamabad, in der Landesvertretung der Provinz Khyper-Pakhtunkwa. Ausgerechnet, könnte man sagen, denn in Khyber Pakhtunkwa im Nordwesten Pakistans haben die Taliban besonders oft zugeschlagen. Andererseits ist der Provinzchef, ein früherer Cricketstar, ein großer Verfechter dieses Treffens zwischen Regierungsvertretern und einer Delegation, die den Taliban nahe steht:
    "Die Atmosphäre heute war sehr gut, wir haben uns für einen ergebnisorientierten Dialog entschieden. Jetzt werden die Vertreter der Taliban den Führern der Bewegung unsere Forderungen überbringen. Und dann werden wir uns wieder zusammensetzen."
    Sagte Irfan Siddiqui, der Verhandlungsführer der Regierung, nach dem Gespräch. Die Regierung will, dass die Taliban vor allem die Verfassung akzeptieren und die Anschläge aufhören. Lahore, die Stadt der Dichter und Denker und ein bunter Handelsplatz. In einem gediegenen, parkähnlich angelegten Viertel wohnt Ahmed Rashid. Rashid hat schon Präsident Obama Ratschläge gegeben. Er lädt ein zum Kaffee in seinem holzvertäfelten Büro. Rashid hat viel zu tun in diesen Tagen. Auch die Bundesregierung kennt ihn gut. Rashid ist einer der wohl angesehensten Taliban-Kenner überhaupt. Aber er lebt gefährlich. Vor seinem Haus patrouillieren bewaffnete Sicherheitskräfte. Warum, wird schnell klar. Ahmed Rashid redet Klartext:
    "Innerhalb der pakistanischen Taliban gibt es keine Fraktion, die auf Frieden aus ist. Und überhaupt: Was sollen die denn ernsthaft diskutieren? Sollen wir die Gebiete, in denen sie stark sind, etwa abspalten für einen Mini-Taliban-Staat? Sicher nicht. Sollen wir das demokratische System aufgeben und eine Art islamistische Diktatur einführen? Das ist auch nicht akzeptabel. Also: Was reden die denn miteinander?"
    Tatsächlich scheint die Lage trotz des Treffens in Islamabad verworren. Denn die pakistanischen Taliban sind keine einheitliche Bewegung, sie bestehen aus geschätzt 50 kleinen Gruppen. Es gibt Familienclans wie das berüchtigte Haqqani-Netzwerk. Es gibt Gruppen in der Metropole Karachi, die ganze Stadtviertel übernommen haben. Und Gruppen, die faktisch die Grenzgebiete zu Afghanistan kontrollieren, und in die sich die Taliban-Kämpfer zurückziehen können. Und es gibt den neuen Führer des Netzwerks: Mullah Fazlullah. Jener Mann, der vor mehr als einem Jahr den Anschlag auf die Schülerin Malala befahl und der als absoluter Hardliner gilt. Sein Vorgänger war im November bei einem amerikanischen Drohnenangriff getötet worden.
    Der pakistanische Publizist Ahmed Rashid
    Der pakistanische Publizist Ahmed Rashid (AFP/Arif Ali)
    Die Regierung dagegen steht vor einem Berg an Problemen: Die pakistanische Wirtschaft steckt in der Krise und das Land hängt am internationalen Geldtropf. Vor allem auf dem Land gelingt es den Taliban, immer neue Kämpfer zu rekrutieren.
    "Sie glauben doch nicht, dass Gespräche alleine reichen, um diesen Krieg zu beenden. Wir brauchen eine umfassende Strategie, Straßen, Bildung, wir müssen etwas gegen die soziale Schieflage tun und wir müssen Stärke zeigen."
    Im Januar waren die Taliban in die Offensive gegangen. Sie zündeten ihre Sprengsätze am Armee-Hauptquartier, griffen einen Militärkonvoi an, ermordeten Angehörige von Minderheiten und Mediziner, die Kinder impfen wollten. Sie töteten mehr als hundert Menschen - und im Nordwesten Pakistans misslang ein Anschlag auf eine Schule nur deshalb, weil sich ein 15 Jahre alter Junge in den Weg stellte und dafür mit dem Leben bezahlte.
    Die Armee wiederum bereitete eine Offensive in den Rückzugsgebieten der Taliban vor und bombardierte einige Dörfer dort. Doch Premier Sharif will jetzt erst einmal reden mit den Extremisten. Kein leichtes Vorhaben, wie sein Chefunterhändler andeutet:
    "Jetzt werden unsere Gesprächspartner den Talibanchefs unsere Forderungen erläutern. Dann werden sie zurückkommen mit Forderungen der Taliban. Und wir werden uns das anschauen und entscheiden, was für uns geht und was nicht. Und dann sehen wir weiter."
    Ahmed Rashid befürchtet – wie viele Pakistaner - für sein Land jedenfalls das Schlimmste: Dass die Taliban die Gesprächspause nur nutzen, um neue Angriffe vorzubereiten. Und sich Pakistan wirklich auf einen Abgrund zubewegt.