Die kleine Kirche in einem christlichen Viertel in der Millionenmetropole Lahore ist von einer hohen weißen Mauer umgeben. Direkt nebenan gibt es eine Moschee.
"Wir werden im Alltag behandelt wie Menschen zweiter Klasse", berichtet Wasim vom Kirchenrat. "Das gilt für alle Minderheiten hier. Wir schützen uns, in dem wir uns ruhig verhalten und still sind. Wir sind nicht wirklich frei."
Die Männer haben das Beispiel von Asia Bibi vor Augen. Die Christin soll 2009 über den Propheten Mohammed gelästert haben, behaupteten die muslimischen Frauen, die Asia Bibi damals wegen Blasphemie anzeigten. Die Angeklagte sagte aus, dass es nach schweißtreibender Feldarbeit einen Streit um einen Krug Wasser gab.
Asia Bibi ist die erste Frau, die in Pakistan wegen Blasphemie zum Tode verurteilt worden ist. Sie sitzt seit sechs Jahren in der Todeszelle. Zwei Politiker, die sich für sie eingesetzt hatten, wurden 2011 ermordet.
"Wir sagen unseren Kindern, dass sie sich auf gar keinen Fall auf einen Streit einlassen sollen und niemals auf eine religiöse Diskussion", erklärt Wasim und schaut auf den Boden. Sein christliches Viertel in Lahore ist ein Ghetto mit schmalen, mehrgeschossigen Häusern, in dem die Menschen dicht auf dicht leben. Die Gassen sind so eng, dass kaum ein Sonnenstrahl den Boden berührt. Über 80 Prozent der rund 190 Millionen Pakistaner sind sunnitische Muslime. Unter zwei Prozent sind Christen. Das Blasphemiegesetz stammt noch aus der britischen Kolonialzeit. Nach Meinung von pakistanischen Menschenrechtlern wird es heute missbraucht, um persönlichen Gegnern zu schaden und um Menschen von Bauland zu vertreiben. Lynchmobs und radikale Einzeltäter nehmen es zum Anlass, das "Recht" in die eigenen Hände zu nehmen.
"Pakistan ist auch unsere Heimat. Wir lieben Pakistan", erzählt Saraphine, die einen kleinen Krämerladen besitzt. Ein Bruder ihres Mannes lebt in den USA, doch "unsere Wurzeln, unser ganzes Leben ist hier", betont die resolute Frau und Mutter von fünf Kindern. Ihre älteste Tochter Shumaya ist 15 und besucht in Lahore eine gemischte Privatschule. In ihrer Klasse sitzen fast 50 Mädchen, 15 davon sind Christinnen.
"Für meine Freundinnen und mich ist es nicht wichtig, dass ich Christin bin und sie Musliminnen sind", berichtet Shumaya. Sie will Zahnärztin oder Frauenärztin werden.
"Angst haben vor allem die ungebildeten Christen, die hier die schlimmsten und dreckigsten Jobs für wenig Geld machen müssen, weil sie sonst als Christen gar keine Arbeit finden. Das ist sehr unfair. Warum kann die Regierung nicht dafür sorgen, dass wir die gleichen Rechte haben?"
Die Parkbombe von Lahore am Ostersonntag sollte Christen treffen. Sie zerfetzte Muslime und Christen. Unter den Opfern sind mindestens 35 Kinder.