Kate Maleike: Eine Woche für die berufliche Bildung: Bundespräsident Steinmeier und seine Frau reisen ja gerade durch das Land und werben für das duale Ausbildungssystem, das aus ihrer Sicht zu wenig Wertschätzung erfährt. Auch die schwarz-rote Bundesregierung will in diese Richtung aktiv werden. Wörtlich heißt es in ihrem Koalitionspapier:
"Die berufliche Bildung werden wir mit einem Berufsbildungspakt modernisieren und stärken. Dazu gehören eine Ausstattungsoffensive für berufliche Schulen, vor dem Hintergrund der Digitalisierung, und eine Novelle des Berufsbildungsgesetzes." Seit Mitte März nun ist die schwarz-rote Koalition im Amt, in Sachen Berufsbildungspakt hört man aber noch keine Neuigkeiten.
- Rainer Spiering sitzt für die SPD im Bundestags-Bildungsausschuss. Er hat für die SPD-Bundestagsfraktion das Forderungspapier für den Berufsschulpakt von Bund und Ländern verfasst. Guten Tag, Herr Spiering!
Rainer Spiering: Seien Sie gegrüßt!
Maleike: Wann wird dieser Pakt denn nun kommen? Wie ist der Stand der Dinge?
Spiering: Also auf der Basis der Koalitionsverhandlungen sind, soweit ich das weiß, die Länder unterwegs, sich Gedanken zu machen, und wir versuchen jetzt die Randbedingungen zu formulieren, was wir in dem Berufsbildungspakt hinein haben wollen. Da kommen unterschiedliche Facetten zustande. Ich würde jetzt vorab zwei Punkte nennen wollen, die wir auf keinen Fall aus den Augen lassen dürfen. Wir haben bis jetzt Berufsbildungspakt im Regelfall auf Bundesebene immer unter dem Aspekt der Ausbildungsstätten diskutiert. Mir wäre es persönlich – und meiner Partei – ganz wichtig, dass die zweite ganz, ganz starke Säule in den Fokus der Öffentlichkeit kommt, nämlich die Berufsschule. Und wir werden Wert darauf legen, dass wir alles, was rund um die Berufsschule ist, auch deutlich stärker finanziell ausstatten und uns vor allen Dingen um die Lehrerausbildung an den Universitäten zu kümmern.
Maleike: Also die Berufsschule als Biotop, als Lernort ist sehr komplex. Das wissen Sie sehr gut, weil Sie viele Jahre selbst Berufsschullehrer waren. Jetzt noch mal zum Volumen. Über welches Geld reden wir denn dann da?
Spiering: Wir haben, wenn ich das jetzt einigermaßen richtig erinnerlich habe, in diesem ganzen Pakt so circa 1,5 bis 2 Milliarden Euro vorgesehen, aber nageln Sie mich nicht ganz genau fest – aber das ist die Größenordnung, über die wir reden.
Maleike: Kann es denn sein, dass der Berufsschulpakt sozusagen mit eingeflochten wird in die Offensive, die ja für die allgemeinen Schulen kommen soll, in Richtung Digitalisierung, also dass man tatsächlich nur Geld für Digitalisierung ausgeben will?
Spiering: Nein! Also zumindest nicht, wenn es nach uns geht. Das ist natürlich immer ein Interessenstreit, aber ich persönlich glaube eben auch als altgedienter Berufsschullehrer, dass uns die Wertmäßigkeit dessen, was an Berufsschule passiert, oder was in Berufsbildung allgemein passiert, noch nicht so richtig bewusst geworden ist. Und deswegen legen wir sehr großen Wert darauf, dass die Berufsschule, oder die Berufsbildung im Ganzen, dort ein eigenständiges Merkmal bekommen wird. Und wir werden das im Übrigen auch nicht schaffen, wenn wir das nicht tun.
Maleike: Was genau sagen Sie denn, brauchen die Berufsschulen, damit es ihnen besser geht?
Berufsschullehrerausbildung wurde "immer mehr abgebaut"
Spiering: Das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen irritierend an, aber ich persönlich, und ich glaube auch meine Partei, haben festgestellt, dass die Ausbildung von Berufsschullehrern an Universitäten sich verlangsamt hat. Also wir kommen von einem wirklich, richtig einem gutem Niveau aus den 70er-, 80er-Jahren. Und wenn Sie sich mal mit den Standorten der universitären Berufsschullehrerausbildung auseinandersetzen, dann werden Sie feststellen, dass es immer mehr abgebaut worden ist. Und damit fehlt uns die Grundsubstanz, um überhaupt Berufsschulunterricht machen zu können. Also wir brauchen Berufsschullehrer, die fachlich absolut versiert sind, das kann man aber glaube ich in Deutschland recht gut garantieren. Was Berufsschullehrer für die Zukunft auch brauchen, und was eigentlich unser Handwerkszeug ist, das ist Methoden- und Didaktik-Kompetenz. Also das Handwerkszeug, wie bekomme ich es hin, einen technisch komplexen Sachverhalt so aufzubereiten, dass sie und er mitgehen kann? Und darauf sollten wir ganz, ganz großen Wert legen. Der zweite Punkt, der mir persönlich ganz wichtig ist: Wir haben – zumindest für mich nicht erkennbar – keine Berufsbildungsforschung. Es gibt jetzt eine Universität in Niedersachsen, Osnabrück, die sich diesem Thema zugewendet hat – Berufsbildungsforschung. Wir müssen viel mehr wissen, wie sind die komplexen Zusammenhände zwischen der Zukunftsentscheidung eines jungen Menschen und die Ursachen dafür? Also da müssen wir viel, viel mehr wissen.
Maleike: Ich fasse mal zusammen: Sie sagen also, in diesen Berufsschulpakt gehört auf jeden Fall rein, die Mittel für die Digitalisierung, aber auch eine Offensive für den Job des Berufsschullehrers, also eine Stärkung an den Universitäten. Wann gehen Sie davon aus, dass der Berufsbildungspakt gestartet wird?
Spiering: Also ich hoffe, dass die ersten Initiativen bis zum Sommer laufen – meine Hoffnung.
Maleike: Gibt es Signale?
Spiering: Also ich kann Ihnen sagen, dass die SPD in Bewegung ist. Aber auch in solchen Fällen brauchen Sie ein Haus dafür, das was will, und da bin ich jetzt mal, nach der Berichterstattung der Bildungsministerin zum Berufsbildungspakt, darauf gespannt, welche Initiativen, von denen, die ich gerade mit Ihnen besprochen habe, sie ergreifen wird, um dieses Feld der deutschen Bildung wirklich etwas voranzubringen.
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