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Paläoindianer
Früheste Höhensiedlung der Menschheit

Archäologie. - Forscher der Universität Maine entdeckten Beweise dafür, dass Menschen schon vor mehr als 12.000 Jahren in den Anden gelebt haben - in fast 4.500 Metern Höhe. Es waren eiszeitliche Jäger, die diesen Rekord aufgestellt hatten. Sie verlegten den Zeitpunkt der Besiedlung großer Höhen um 1.000 Jahre nach vorn. Mehr darüber steht in der neuen "Science".

Von Dagmar Röhrlich |
    Der Vulkan Nevado Coropuna und die Fundstätte Cuncaicha in den südperuanischen Anden im Sternenlicht.
    Der Nevado Coropuna und die Fundstätte Cuncaicha im Sternenlicht. (Nature/Walter Beckwith)
    Schon vor Jahren hatten Archäologen an der südperuanischen Pazifikküste charakteristische Pfeilspitzen gefunden: die Fishtail-Points. Sie sind älter als 11.500 Jahre, stammen also aus der jüngsten Eiszeit. Das Ungewöhnliche daran: Sie bestehen aus vulkanischem Glas, aus Obsidian - und den gibt es an dieser Küste überhaupt nicht:
    "Menschen mussten ihn aus dem Hochgebirge dorthin gebracht haben. Deshalb haben wir nach Hinweisen gesucht, dass schon vor dem Ende der Eiszeit Jäger und Sammler hoch oben in den Anden gelebt hatten. Und wir wurden fündig, und zwar im Pucuncho Becken in 4500 Metern Höhe. Wir konnten die Fundstellen auf bis zu 12.400 Jahre vor heute datieren."
    Kurt Rademaker ist Anthropologe und forscht nun an der Universität Tübingen. Die erste Fundstätte ist Pucuncho, eine Werkstatt für Steingeräte unter freiem Himmel. Die zweite Stelle ist Cuncaicha: ein im Lauf der Jahrtausende vom Ruß der Feuer geschwärzter Felsüberhang, dessen Wände mit Zeichnungen von Jagdwild geschmückt sind. Deren Alter allerdings ist unbekannt:
    "Viele verschiedene Hinweise deuten darauf hin, dass diese Fundstellen Basiscamps sind. So fanden wir in Cuncaicha Knochen von Südandenhirschen, Vikunjas und Guanakos. Dazu Hunderte von Pfeilspitzen, Faustkeilen oder Schabern. Das ist zu viel Material für einen kurzen Zwischenstopp und dafür sind auch die Distanzen zum Rand des Hochplateaus zu groß. Wir sind uns recht sicher, dass sich die Leute dort mindestens während der Jagdsaison aufhielten, vielleicht sogar rund ums Jahr."
    Werkzeuge belegen Kontakt zur Küste
    Im Boden der Werkstatt-Fundstelle Pucuncho steckten Steinwerkzeuge, darunter auch Pfeilspitzen und Schaber aus Obsidian. Der stammt von dort und ist geochemisch identisch mit den Funden an der Küste. Die Paläoindianer siedelten also nicht nur in großen Höhen, sondern sie hielten auch Kontakt zur Tiefebene.
    "Am Ende der Eiszeit war es zwar kälter als heute, aber weniger harsch, als gedacht, und die Gletscher reichten nicht weit über ihren modernen Stand hinaus."
    Allerdings liegt das Pucuncho-Becken fast so hoch wie die Spitze des Mont Blancs und damit beträgt der Sauerstoff-Partialdruck nicht einmal die Hälfte des Drucks auf Meereshöhe:
    Rademaker: "Die frühe Besiedlung dieser extremen Höhen könnte zweierlei bedeuten. Entweder passten sich die Menschen genetisch unglaublich schnell an die Bedingungen an, denn sie eroberten die Höhen weniger als 2000 Jahre, nachdem ihre Ahnen Südamerika betreten hatten. Oder die menschliche Anpassungsfähigkeit ist groß genug, um sofort mit dem dauerhaften Leben in großen Höhen fertig zu werden. Dann hätte sich die genetische Anpassung der modernen Indios erst später entwickelt. Beides wäre interessant zu wissen."
    Was jedoch die Menschen von der fischreichen Küste ins baumlose, kalte Hochgebirge zog, ist unklar:
    "Aus welchem Grund auch immer sich die ersten Menschen ins Pucuncho-Becken gewagt haben, sie fanden dort in der trockenen Bergregion eine wunderschöne Hochlandoase mit Feuchtgebieten voller Pflanzen und Tiere."
    Und deshalb lebten Menschen wohl mehr oder weniger ständig seit mehr als 12.000 Jahren im Pucuncho-Becken: von den frühen Jägern und Sammlern der Eiszeit bis zu den modernen Alpaka-Hirten heute.