Als vor rund 540 Millionen Jahren mit der Kambrischen Explosion die großen Tiere wie aus dem Nichts aufzutauchen schienen, waren die Ahnen der Wirbeltiere schon dabei - auch wenn diese eher wurmartigen Kreaturen noch keine Knochen besaßen. Dann verlieren sich ihre Spuren für ein paar Dutzend Millionen Jahre - bis die richtigen Wirbeltiere auftauchten: in Form kleiner Bruchstücke von Fischfossilien, erzählt Ivan Sansom von der University of Birmingham:
"Ich beschäftige mich seit langem mit dem Auftauchen der ersten Fische im Ordovizium vor rund 480 Millionen Jahren. Wir finden ihre Fossilien nur an wenigen Orten der Welt, in Nordamerika, Argentinien und Bolivien, im Oman und Zentralaustralien. Im Ordovizium war auch die Vielfalt der Fische sehr begrenzt. Und die meisten waren sehr schwer gepanzert, sahen eher aus wie massive Muscheln mit Schwanz."
Wo stand die Wiege aller Wirbeltiere?
Die Frage ist, wo denn nun die sprichwörtliche Wiege aller Wirbeltiere gestanden hat. Was ist an der Vermutung dran, dass die ersten großen Riffkomplexe, die damals ein Stück weit vor den Küsten in tieferem Wasser entstanden, eine zentrale Rolle spielten?
"Von den Gesteinen her, in denen sie gefunden wurden, scheinen diese primitiven Fische überall unter recht ähnlichen Bedingungen gelebt zu haben. Und so haben wir untersucht, welche Bedingungen das waren, ob es ein Muster gibt und wenn ja, welches."
Dazu stellten die Paläontologen eine umfassende Datenbank zu den Fossilien zusammen, die aus der Zeit zwischen dem Auftauchen der ersten Fische vor 480 Millionen Jahre und ihrer großen Blüte im Devon vor 360 Millionen stammen.
Wirbeltiere entwickelten sich in der Nähe der Küste
"Wir haben die Informationen von rund 2.800 Fischfossilien kombiniert mit allem, was wir über die Fundorte wissen. Dann haben wir mit Hilfe mathematischer Modelle berechnet, in welcher Umwelt diese frühen Wirbeltiere gelebt haben. Und da zeigte sich, dass ihre Evolution weitaus näher an der Küste abgelaufen sein muss, als wir vermutet hätten."
Und zwar in den Gezeitenzonen und den Lagunen der Ozeane, beschreibt Lauren Sallan von der Penn State University. Damals waren die flachen Wasserzonen mit bis zu 30 Metern Tiefe Hotspots der Evolution. Sallan:
"Weil die frühen Fische dort miteinander in Konkurrenz standen, entwickelten sie zwei verschiedene Körpertypen: einmal schwer gepanzerte Formen, die am Boden lebten, immer an der Küste blieben und sogar ins Süßwasser ziehen konnten. Andere entwickelten sich zu flexibleren Formen, die in der Wassersäule hoch schwimmen konnten. Und die bewegten sich dann allmählich über die Riffe hinweg aufs offene Meer hinaus und verteilten sich in der Welt."
Wellen zerstörten frühe Fischfossilien
Allerdings entwickelten diese abgewanderten Formen dann keine neuen Arten mehr. Über 100 Millionen Jahre hinweg blieb die Evolution der Fische auf die küstennahen Flachwassergebiete beschränkt. Das sei ein vollkommen unerwartetes Muster, betont Ivan Sansom:
"Fische waren in den Meeren des Ordoviziums nicht weit verbreitet. Und wir haben den Verdacht, dass die Gründe dafür in der Wasserchemie liegen könnten oder im Sauerstoffgehalt in diesem sehr dynamischen Flachwasser. Ihr Lebensraum dürfte jedenfalls erklären, warum die frühen Fischfossilien alle zerstört worden sind."
Denn in den Gezeitenzonen der Ozeane haben die Wellen dann ganze Arbeit geleistet.