Nadir macht Falafel-Bällchen. Eins nach dem anderen lässt er am Straßenrand mitten in Ramallah ins heiße Fett fallen. Er macht damit auch ungerührt weiter, als er über die Wahl in Israel redet. "Die sind doch alle gleich. Ob jetzt der eine regiert oder der andere – hier hat doch keiner geglaubt, dass sich was ändert."
"Ja, ich wollte einen Wechsel, einen anderen als Netanjahu. Damit es uns vielleicht besser geht", sagt dagegen Rokaya. Sie ist aus Nablus mit ihrer Freundin nach Ramallah zum Einkaufen gekommen. Rokaya sagt, ein Machtwechsel bei den Israelis hätte womöglich dazu geführt, dass geschlossene Checkpoints wieder aufgemacht werden, dass nicht noch mehr Siedlungen gebaut werden. Sie träumt davon, ein paar Kilometer weiter nach Jerusalem hineinzufahren, auch um dort in der Aqsa-Moschee zu beten. Letztendlich, sagt die Palästinenserin, wollten doch alle Frieden und, ja, Sicherheit.
Der Begriff der Sicherheit wird so oft von israelischen Politikern gebraucht, dass er aus dem Mund einer Palästinenserin ganz eigenartig klingt. Das sorgt für Gelächter auf der Straße in Ramallah.
Hoffnungen auf Herzog
Ja, die Palästinenser hätten sich gewisse Hoffnungen gemacht, sagt dann Sadi Zeemani im Café. Aber Luftschlösser habe sich niemand erträumt. Zeemani lehrt Philosophie an der palästinensischen Al-Quds-Universität. Von dem unterlegenen linken Kandidaten Yitzhak Herzog, dem Chef der israelischen Arbeitspartei, hatte er zumindest Bewegung im israelisch-palästinensischen Konflikt erwartet:
"Zum einen mehr Gleichberechtigung für die palästinensische Minderheit in Israel , die doch Staatsbürger sind. Zum anderen Bewegung für einen Friedensprozess, der wahrscheinlich wiederbelebt worden wäre. Eine israelische Regierung unter Herzog wäre doch eher bereit gewesen, Zugeständnisse zu machen, um in Richtung Frieden voranzukommen."
"Was soll ich im Westjordanland?"
Noch ist unklar, welche Parteien der israelische Ministerpräsident in seine künftige Regierung holt. Ein Bündnis allein mit den rechts-nationalistischen und religiösen Parteien würde für eine Mehrheit im israelischen Parlament reichen. Bei den Palästinensern sind in den Tagen nach Netanjahus Wahlsieg dessen Aussagen im Wahlkampf ein großes Thema.
Der Hotel- und Bau-Unternehmer Jamal Nimer etwa sagt, allein Netanajhus Absage an einen Staat Palästina mache es der palästinensischen Wirtschaft schwer: "Wenn es wieder Verhandlungen gegeben hätte, dann hätte es auch wieder mehr Hoffnung gegeben. Aber die hat Netanjahu zerstört, nicht nur für die Menschen hier, sondern auch für die Investoren. Wenn die hören, was Netanjahu sagt, fragen die sich doch: Was soll ich im Westjordanland?"
"Rassistische Hetze!"
Und noch ein Satz von Benjamin Netanjahu beschäftigt die Palästinenser. Saeb Erekat, der ehemalige Chefunterhändler, ist außer sich, als er in Ost-Jerusalem an Netanjahus Appell am Wahltag erinnert: "Mich als Araber hat es mich tief getroffen, dass ein israelischer Ministerpräsident warnt: 'Die Araber kommen in Bussen zu den Wahllokalen!' So etwas kann man nicht rechtfertigen, in keiner Sprache, in keiner Kultur. Diese rassistische Hetze sollte jedem Israeli die Augen öffnen. Wenn sie im Jahr 2015 ein solches Israel haben wollen, dann: Herzlichen Glückwunsch!"
Mit Netanjahu im Amt des israelischen Ministerpräsidenten gehe nichts voran, sagt der Polit-Veteran Erekat. Zwei Dinge kündigen die Palästinenser als Reaktion an: ein Ende der Kooperation in Sicherheitsfragen in den Autonomiegebieten im Westjordanland. Und: mehr Anstrengungen für eine staatliche Anerkennung Palästinas. Die Hoffnung auf Entspannung oder Erleichterung im Alltag der Palästinenser wird dadurch nicht größer.