Peter Kapern: Sechs Wochen ist es her, dass die israelische Armee die Operation Pillow of Cloud, oder, wie sie außerhalb Israels genannt wurde, Pillar of Defense beendet hat, vorläufig beendet hat, muss man eigentlich sagen. Denn bislang gilt zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas nur eine Feuerpause, vermittelt durch Ägypten. Ob aus dieser Feuerpause jemals ein förmlicher Waffenstillstand wird, steht in den Sternen. In Kairo wird darüber verhandelt. Dort also, wo auch schon bei den Gesprächen über die Feuerpause alle Fäden zusammenliefen.
Und bei uns am Telefon ist nun Salah Abdel Shafi, der Botschafter der palästinensischen Autonomiebehörde in Berlin, guten Morgen!
Salah Abdel Shafi: Guten Morgen!
Kapern: Herr Abdel Shafi, beschreibt das die Situation Ihrer Regierung nicht recht treffend: Israel und die Hamas führen indirekte Gespräche in Kairo und Mahmud Abbas, der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, ist nicht mehr als ein Zuschauer?
Abdel Shafi: Also, auf jeden Fall, was Israel tut und getan hat in den letzten Jahren, hat zu der Stärkung von Hamas geführt, gar keine Frage, und zu der Schwächung der Position der moderaten Palästinenser, allen voran Präsident Abbas. Israel hat es abgelehnt, durch Verhandlungen zum Beispiel den Siedlungsbau zu stoppen. Israel hat abgelehnt, durch Verhandlungen palästinensische Gefangene freizulassen. Aber auf der anderen Seite, als Hamas einen israelischen Soldaten gefangen genommen hat, hat Israel 1000 Palästinenser freigelassen. Und damit ist die Botschaft: Verhandelt man, bekommt man nichts, greift man zu Gewalt, erzielt man Ergebnisse. Und das ist, wie gesagt, das ist die Verantwortung von Israel.
Kapern: Nun verhandelt ja die Hamas mit Israel. Bekommt die Hamas auch nichts dafür oder was denken Sie, wie diese Waffenstillstandsgespräche in Kairo weitergehen und sich entwickeln?
Abdel Shafi: Also, erst mal muss ich sagen, wir sind sehr froh darüber, dass es zu einem Waffenstillstand oder zu Waffenruhe erst mal gekommen ist. Wir hoffen, dass auch die Gespräche, die jetzt in Kairo geführt werden, zu einem dauerhaften Waffenstillstand führen. Denn das ist ja unsere Position schon seit Ewigkeit: Wir wollen einen Waffenstillstand erreichen, damit die Menschen im Gazastreifen auch in Ruhe und Frieden leben und arbeiten können. Und deswegen sind wir voller Hoffnung, dass diese Gespräche dazu führen, dass die Blockade um den Gazastreifen aufgehoben wird, dass die Bewegungsfreiheit für Personen und Waren wieder hergestellt wird. Denn wir glauben, dass die Blockade und die Armut, die daraus resultiert hat im Gazastreifen, nur den extremen Kräften gedient haben.
Kapern: Aber wenn nun bei diesen Verhandlungen substanzielle Fortschritte für die Menschen im Gazastreifen erzielt würden, dann könnte sich dies die Hamas wieder als Erfolg gutschreiben. Das heißt so oder so, es sieht nicht gut aus für die PLO.
Abdel Shafi: Wissen Sie, es geht jetzt nicht darum, ob man Hamas stärkt oder Fatah stärkt. Ich glaube, was wir brauchen, ist eine politische Lösung. Was wir brauchen, ist die Umsetzung der Zweistaatenlösung. Was danach kommt, ob die Palästinenser für Hamas oder für Fatah sich entscheiden, dass müssen die Palästinenser durch Wahlen dann entscheiden. Heute herrscht ein Konsens über die Zweistaatenlösung, ein internationaler Konsens über die Zweistaatenlösung. Die ganze Welt sagt Zweistaatenlösung, basierend auf der Grenze von 1967. Übrigens, Hamas sagt auch, wir werden einen Staat in den Grenzen von 1967 akzeptieren. Deswegen geht es heute darum, eine politische Lösung im Sinne der Zweistaatenlösung zu finden. Und wie gesagt, wie die Palästinenser sich entscheiden, dann müssen die Palästinenser das durch Wahlen entscheiden.
Kapern: Nun hat aber, Sie sagten gerade, auch die Hamas berufe sich auf eine Zweistaatenlösung. Nun hat Khaled Mashal, der Hamas-Führer, gerade beim 25-jährigen Geburtstag der Hamas in Gazastadt noch einmal Anspruch auf ganz Israel erhoben!
Abdel Shafi: Das stimmt, das stimmt.
Kapern: Ja!
Abdel Shafi: Und darüber waren wir auch nicht froh, weil auch Mashal nach dem Krieg von Gaza in einem Interview mit CNN gesagt hat, Hamas würde einen Staat in den Grenzen von 1967 akzeptieren. Und Präsident Abbas hat die Statements von Mashal in Gaza auch öffentlich kritisiert. Aber ich glaube, wir können mit Hamas einen gemeinsamen, politischen gemeinsamen Nenner finden, und zwar Zweistaatenlösung und - und das ist auch sehr wichtig - zu vereinbaren, dass möglichst bald Wahlen stattfinden sollen. Aber wie gesagt, was wir brauchen, was Israel anbetrifft, ist eine politische Lösung. Man kann einen Waffenstillstand erreichen, man kann Erleichterungen einführen für die Menschen in Gaza, aber das löst nicht das Problem. Das Problem kann nur politisch gelöst werden, und zwar durch die Umsetzung der Zweistaatenlösung.
Kapern: Nun hat Mahmud Abbas zum wiederholten Male damit gedroht, die palästinensische Autonomiebehörde aufzulösen, den Israelis gewissermaßen den Schlüssel für die Regierungsgebäude in Ramallah wieder in die Hand zu drücken. Abgesehen von der Frage, ob er damit überhaupt jemanden erschrecken kann, mit dieser Drohung: Glaubt Abbas noch an die Zweistaatenlösung?
Abdel Shafi: Selbstverständlich, wir glauben immer noch an die Zweistaatenlösung. Wissen Sie, es ist nicht eine Drohung, es ist eine logische Folge der fehlenden politischen Lösung. Wissen Sie, die palästinensischen Behörden wurden gegründet als eine Übergangsphase, die zu einem Staat führen sollte. Das sagen die Verträge, die wir mit Israel unterschrieben haben. Nun, inzwischen sind 20 Jahre passiert und die palästinensischen Behörden sind nicht mehr ein Übergang, sondern ein Dauerzustand geworden. Und deswegen sagt Abbas: Entweder transformieren sich die palästinensischen Behörden zu einem Staat, wie es das vorgesehen war in den Verträgen, oder die palästinensischen Behörden haben ihre Existenzberechtigung verloren. Und das ist das, was Abbas praktisch sagt. Und wie gesagt, das ist keine Drohung, das ist eine logische Schlussfolgerung des Fehlens einer politischen Lösung, des Fehlens der Umsetzung der Verträge, die wir mit Israel unterschrieben haben.
Kapern: Herr Abdel Shafi, in den letzten Tagen ist eine enorme Zunahme gewaltsamer Auseinandersetzung in der West Bank zu beobachten gewesen. Da macht bereits das Wort von der dritten Intifada die Runde. Was ist da dran?
Abdel Shafi: Also, selbstverständlich, die Menschen in der West Bank sind enorm frustriert. Sie sehen, dass Israel weiterhin Siedlungen baut und damit der Lebensraum für Palästinenser immer enger wird. Zweitens, die Wirtschaftssituation verschlechtert sich enorm, die Behörden sind nicht in der Lage seit zwei Monaten, Gehälter zu zahlen. Und deswegen ist das selbstverständlich, dass die Menschen auf die Straße gehen!
Kapern: Ganz kurz noch: Kommt die dritte Intifada?
Abdel Shafi: Das kann niemand wissen, aber das ist nicht auszuschließen!
Kapern: Salah Abdel Shafi war das, der Botschafter der palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Herr Abdel Shafi, danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Abdel Shafi: Gerne. Danke, gleichfalls!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Und bei uns am Telefon ist nun Salah Abdel Shafi, der Botschafter der palästinensischen Autonomiebehörde in Berlin, guten Morgen!
Salah Abdel Shafi: Guten Morgen!
Kapern: Herr Abdel Shafi, beschreibt das die Situation Ihrer Regierung nicht recht treffend: Israel und die Hamas führen indirekte Gespräche in Kairo und Mahmud Abbas, der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, ist nicht mehr als ein Zuschauer?
Abdel Shafi: Also, auf jeden Fall, was Israel tut und getan hat in den letzten Jahren, hat zu der Stärkung von Hamas geführt, gar keine Frage, und zu der Schwächung der Position der moderaten Palästinenser, allen voran Präsident Abbas. Israel hat es abgelehnt, durch Verhandlungen zum Beispiel den Siedlungsbau zu stoppen. Israel hat abgelehnt, durch Verhandlungen palästinensische Gefangene freizulassen. Aber auf der anderen Seite, als Hamas einen israelischen Soldaten gefangen genommen hat, hat Israel 1000 Palästinenser freigelassen. Und damit ist die Botschaft: Verhandelt man, bekommt man nichts, greift man zu Gewalt, erzielt man Ergebnisse. Und das ist, wie gesagt, das ist die Verantwortung von Israel.
Kapern: Nun verhandelt ja die Hamas mit Israel. Bekommt die Hamas auch nichts dafür oder was denken Sie, wie diese Waffenstillstandsgespräche in Kairo weitergehen und sich entwickeln?
Abdel Shafi: Also, erst mal muss ich sagen, wir sind sehr froh darüber, dass es zu einem Waffenstillstand oder zu Waffenruhe erst mal gekommen ist. Wir hoffen, dass auch die Gespräche, die jetzt in Kairo geführt werden, zu einem dauerhaften Waffenstillstand führen. Denn das ist ja unsere Position schon seit Ewigkeit: Wir wollen einen Waffenstillstand erreichen, damit die Menschen im Gazastreifen auch in Ruhe und Frieden leben und arbeiten können. Und deswegen sind wir voller Hoffnung, dass diese Gespräche dazu führen, dass die Blockade um den Gazastreifen aufgehoben wird, dass die Bewegungsfreiheit für Personen und Waren wieder hergestellt wird. Denn wir glauben, dass die Blockade und die Armut, die daraus resultiert hat im Gazastreifen, nur den extremen Kräften gedient haben.
Kapern: Aber wenn nun bei diesen Verhandlungen substanzielle Fortschritte für die Menschen im Gazastreifen erzielt würden, dann könnte sich dies die Hamas wieder als Erfolg gutschreiben. Das heißt so oder so, es sieht nicht gut aus für die PLO.
Abdel Shafi: Wissen Sie, es geht jetzt nicht darum, ob man Hamas stärkt oder Fatah stärkt. Ich glaube, was wir brauchen, ist eine politische Lösung. Was wir brauchen, ist die Umsetzung der Zweistaatenlösung. Was danach kommt, ob die Palästinenser für Hamas oder für Fatah sich entscheiden, dass müssen die Palästinenser durch Wahlen dann entscheiden. Heute herrscht ein Konsens über die Zweistaatenlösung, ein internationaler Konsens über die Zweistaatenlösung. Die ganze Welt sagt Zweistaatenlösung, basierend auf der Grenze von 1967. Übrigens, Hamas sagt auch, wir werden einen Staat in den Grenzen von 1967 akzeptieren. Deswegen geht es heute darum, eine politische Lösung im Sinne der Zweistaatenlösung zu finden. Und wie gesagt, wie die Palästinenser sich entscheiden, dann müssen die Palästinenser das durch Wahlen entscheiden.
Kapern: Nun hat aber, Sie sagten gerade, auch die Hamas berufe sich auf eine Zweistaatenlösung. Nun hat Khaled Mashal, der Hamas-Führer, gerade beim 25-jährigen Geburtstag der Hamas in Gazastadt noch einmal Anspruch auf ganz Israel erhoben!
Abdel Shafi: Das stimmt, das stimmt.
Kapern: Ja!
Abdel Shafi: Und darüber waren wir auch nicht froh, weil auch Mashal nach dem Krieg von Gaza in einem Interview mit CNN gesagt hat, Hamas würde einen Staat in den Grenzen von 1967 akzeptieren. Und Präsident Abbas hat die Statements von Mashal in Gaza auch öffentlich kritisiert. Aber ich glaube, wir können mit Hamas einen gemeinsamen, politischen gemeinsamen Nenner finden, und zwar Zweistaatenlösung und - und das ist auch sehr wichtig - zu vereinbaren, dass möglichst bald Wahlen stattfinden sollen. Aber wie gesagt, was wir brauchen, was Israel anbetrifft, ist eine politische Lösung. Man kann einen Waffenstillstand erreichen, man kann Erleichterungen einführen für die Menschen in Gaza, aber das löst nicht das Problem. Das Problem kann nur politisch gelöst werden, und zwar durch die Umsetzung der Zweistaatenlösung.
Kapern: Nun hat Mahmud Abbas zum wiederholten Male damit gedroht, die palästinensische Autonomiebehörde aufzulösen, den Israelis gewissermaßen den Schlüssel für die Regierungsgebäude in Ramallah wieder in die Hand zu drücken. Abgesehen von der Frage, ob er damit überhaupt jemanden erschrecken kann, mit dieser Drohung: Glaubt Abbas noch an die Zweistaatenlösung?
Abdel Shafi: Selbstverständlich, wir glauben immer noch an die Zweistaatenlösung. Wissen Sie, es ist nicht eine Drohung, es ist eine logische Folge der fehlenden politischen Lösung. Wissen Sie, die palästinensischen Behörden wurden gegründet als eine Übergangsphase, die zu einem Staat führen sollte. Das sagen die Verträge, die wir mit Israel unterschrieben haben. Nun, inzwischen sind 20 Jahre passiert und die palästinensischen Behörden sind nicht mehr ein Übergang, sondern ein Dauerzustand geworden. Und deswegen sagt Abbas: Entweder transformieren sich die palästinensischen Behörden zu einem Staat, wie es das vorgesehen war in den Verträgen, oder die palästinensischen Behörden haben ihre Existenzberechtigung verloren. Und das ist das, was Abbas praktisch sagt. Und wie gesagt, das ist keine Drohung, das ist eine logische Schlussfolgerung des Fehlens einer politischen Lösung, des Fehlens der Umsetzung der Verträge, die wir mit Israel unterschrieben haben.
Kapern: Herr Abdel Shafi, in den letzten Tagen ist eine enorme Zunahme gewaltsamer Auseinandersetzung in der West Bank zu beobachten gewesen. Da macht bereits das Wort von der dritten Intifada die Runde. Was ist da dran?
Abdel Shafi: Also, selbstverständlich, die Menschen in der West Bank sind enorm frustriert. Sie sehen, dass Israel weiterhin Siedlungen baut und damit der Lebensraum für Palästinenser immer enger wird. Zweitens, die Wirtschaftssituation verschlechtert sich enorm, die Behörden sind nicht in der Lage seit zwei Monaten, Gehälter zu zahlen. Und deswegen ist das selbstverständlich, dass die Menschen auf die Straße gehen!
Kapern: Ganz kurz noch: Kommt die dritte Intifada?
Abdel Shafi: Das kann niemand wissen, aber das ist nicht auszuschließen!
Kapern: Salah Abdel Shafi war das, der Botschafter der palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Herr Abdel Shafi, danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Abdel Shafi: Gerne. Danke, gleichfalls!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.