Eine Videoinstallation der palästinensischen Künstlerin Ruba Salameh. Zu sehen ist eine Bushaltestelle in Ostjerusalem. Frauen mit Kopftuch sitzen auf einer Bank. An der Wand neben der Bushaltestelle hängt ein altes, zerfetztes Werbeplakat. Man muss schon zwei Mal hinschauen, erst dann sieht man auf dem Plakat das Meer. Es bewegt sich.
Ein Meer in den Bergen von Jerusalem. Das Kunstwerk bringt zusammen, was eigentlich gar nicht zusammen sein kann. Die Videoaufnahmen des Meeres stammen aus dem Gazastreifen, dessen Grenzen von Israel kontrolliert werden. Gaza ist für die Palästinenser aus Ostjerusalem unerreichbar. Und von Gaza nach Jerusalem zu gelangen, das ist für die meisten ebenfalls unmöglich. Israel begründet diese Blockaden mit der Furcht vor Terroranschlägen.
Salamehs Installation wird auf dem Kunstfestival "Qalandiya International" gezeigt. Qalandiya, das ist ein großer israelischer Checkpoint, der zwischen Jerusalem und dem Norden des Westjordanlandes liegt. Der Titel der dritten Ausgabe des Festivals lautet "This Sea is mine", "Dieses Meer gehört mir". Für Machmud Abu Hashhash hat der Satz eine sehr persönliche Bedeutung. Er ist einer der Macher des Festivals. Sein Wohnsitz: Ramallah im Westjordanland.
"Meine Frau hat neulich von den Israelis einen Passierschein bekommen. Sie fuhr mit unseren Kindern nach Haifa, ans Meer. Ich aber bekam keinen Passierschein. Meine kleine Tochter sagte dann: 'Papa, Du hättest mitkommen sollen. Ich bin zum ersten Mal richtig geschwommen.' Wissen Sie: Wir haben damals nicht nur Dörfer verloren oder Häuser. Wir haben auch das Meer verloren."
Das Motto stammt von einem Dichter
"Dieses Meer gehört mir", das sind die Worte von Machmud Darwisch, dem wohl bekanntesten palästinensischen Dichter. In seinen Werken verarbeitete Derwish die Ereignisse nach der Staatsgründung Israels im Jahr 1948. Für die Juden war sie nach Jahren der Verfolgung die Erfüllung eines Traums. Aus Sicht der Palästinenser kam die Staatsgründung jedoch einer Katastrophe gleich, der Nakba. Bis heute erinnern sie an Flucht und Vertreibung.
"Qalandya International" findet dort statt, wo heute viele Palästinenser leben. Im Gazastreifen, in Israel und der Westbank. Aber auch in Libanons Hauptstadt Beirut. Die Grenze zwischen dem Libanon und Israel ist seit Jahrzehnten geschlossen.
"Eines der großen Momente dieser Qalandiya International-Ausstellung ist halt, dass wir in diesen vielen Orten gleichzeitig stattfinden."
Alia Rayyan ist die Tochter eines Palästinensers und einer Deutschen. Rayan leitet eine Galerie in Ostjerusalem und beteiligt sich an dem Festival.
"Natürlich ist es jenseits der Realität, dass wir uns gegenseitig besuchen können. Und das wird halt durch diese Ausstellung wieder thematisiert. Dass wir trotz der Grenzen diese verbindende Kunstaktion realisiert haben."
Das Meer ist nur 40 Kilometer entfernt
Das haben sich die vielen beteiligten Künstler vorgenommen. Sie beschäftigen sich dabei auch mit einer der wohl schwierigsten Fragen des Nahost-Konfliktes: Dürfen die vielen palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachfahren jemals nach Israel und Palästina zurückkehren?
"Gerade wenn etwas unerreichbar scheint, ist glaube ich Kunst ein richtiges Mittel um Träume, Ängste und auch Utopien anzusprechen."
Wenn der Festivalplaner Machmud Abu Hashhash gemeinsam mit seinen Kindern ans Meer will, dann fliegt er von Jordanien aus nach Zypern. Tausende Dollar koste das, sagt der Mann aus dem Westjordanland, dabei sei das Meer doch nur 40 Kilometer entfernt. Meine Eltern, sagt er, sind früher mit dem Fahrrad an den Strand gefahren.
Das palästinensische Kunstfestival "Qalandiya International" findet vom 5. - 31.Oktober 2016 unter anderem im Gazastreifen, in Israel, der Westbank und in Beirut statt.