Elf Millionen Dokumente, die eine Datenmenge von 2,6 Terabyte umfassen – nie zuvor haben Journalisten es mit einem so großen Daten-Leak zu tun gehabt. Auf den Untersuchungsausschuss, den das Europäische Parlament heute einsetzt, kommen zwölf Monate umfangreicher Arbeit zu.
"Wir haben durch die Arbeit der Journalisten zu Panama gelernt, dass sehr viele Banken aber auch andere Vermittler in Europa dafür gesorgt haben, dass über Briefkastenfirmen in Panama und anderswo Geldwäsche betrieben wurde und Steuerhinterziehung. Dieser Ausschuss soll aufklären, warum über die letzten 20 Jahre dagegen effektiv nichts unternommen wurde, obwohl es illegal ist", sagt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament.
Versäumnisse benennen
Aufgabe des Untersuchungsausschusses des Europaparlaments ist es nun, herauszufinden, wo der EU-Kommission Versäumnisse vorzuwerfen sind, wo sie dafür hätte sorgen müssen, dass geltendes europäisches Recht umgesetzt wird. Und wo die EU-Mitgliedsländer es verabsäumt haben, geltendes europäisches Recht angemessen im nationalen Recht zu verankern und die Einhaltung zu gewährleisten. Womit möglicherweise so beide, EU-Kommission und die nationalen Regierungen, Steuerhinterziehungen und Geldwäsche Vorschub geleistet haben.
Einer, der mit einiger Sicherheit einer der 65 Mitglieder des Untersuchungsausschusses sein wird, die Ende Juni benannt werden, ist der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.
"Es geht am Ende ja auch darum zu ermitteln, ob hier Straftatbestände stattgefunden haben, die – unter Umgehung europäischer Vorschriften, insbesondere der Geldwäsche-Richtlinie – verschleiert werden konnten oder Gewinne aus Straftaten auch noch steuergünstig angelegt werden konnten."
Aufbauend auf den Untersuchungen zu LuxLeaks
Dabei gibt es Berührungspunkte aber auch erhebliche Unterschiede zwischen dem Untersuchungsausschuss zu den Panama-Papieren, der jetzt eingerichtet wird, und dem Sonderausschuss des Europaparlaments, der in Sachen LuxLeaks schon geraume Zeit arbeitet.
"Wir haben ja zwei Problemlagen. Die Problemlage, die sich aus LuxLeaks ergeben hat, war, dass Unternehmen mit Staaten Absprachen für günstige Steuerkonditionen getroffen haben. Panama-Papers hat offengelegt, dass individuelle Steuerflüchtige über Briefkastenfirmen sich ihrer Steuerpflicht in ihrem Heimatland entledigen können."
Zu diesen "Einzelpersonen" gehören eben nicht nur Kriminelle, sondern auch Staatsmänner, Minister, Banker, Prominente, Milliardäre, die mit Hilfe der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca über Briefkasten-Firmen Steuerschlupflöcher gesucht und gefunden haben. Erkenntnisse im Einzelnen darüber zu gewinnen, entspricht jedoch nur dann dem Mandat des Untersuchungsausschusses, sofern dabei eben gegen geltendes europäisches Recht verstoßen wurde. Das liegt in der Natur der Sache eines Untersuchungsausschusses im Europaparlament.
Der Sonderausschuss zu LuxLeaks hat dagegen ein breiteres Mandat. Da können auch Gesetzeslücken ausgelotet werden, Fragen nach illegitimen, wenngleich nicht illegalen Praktiken gestellt werden. Das kann der Untersuchungsausschuss zwar nicht. Hat dafür aber, erklärt Markus Ferber, deutlich mehr Befugnisse.
"Im Untersuchungsausschuss haben wir die rechtlichen Möglichkeiten auf Akteneinsicht; die Kommission muss die Akten zur Verfügung stellen. Wenn wir Kommissionsbeamte oder Kommissare vorladen, müssen sie erscheinen. Wenn wir aus den Mitgliedsstaaten Menschen vorladen, müssen sie erscheinen. Insofern haben wir da ein stärkeres Instrumentarium in der Hand, aber wir dürfen uns nur entlang des Mandats bewegen."
Untersuchungsausschuss steht vor Dokumenten-Flut
Erst einmal auf ein Jahr ist der Untersuchungsausschuss des Europaparlaments angelegt. Verlängerung möglich und denkbar, angesichts der Dokumenten-Flut, mit der es die Abgeordneten zu tun haben, wenn sie auf die Spurensuche nach Verletzungen Europäischen Rechts gehen. Kritik, dass solche Untersuchungsausschüsse letztlich nichts anderes als folgenlose Debattier-Clubs sind, weist der Grüne Sven Giegold entschieden als "zynisch" zurück.
"Natürlich haben Untersuchungsausschüsse Konsequenzen. Deshalb werden sie auch von Vielen nicht geliebt. Denn, denken Sie an unsere Arbeit im Steuerbereich – das hat natürlich dazu beigetragen, dass jetzt Mitgliedsländer anfangen, Großkonzernen es schwerer zu machen, Steuervermeidung zu betreiben. Ich glaube, Druck und Öffentlichkeit hilft."