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Pandemie und Stadtplanung
Die Post-Corona-City

Von zu Hause aus arbeiten, Rad fahren, Sicherheitsabstände einhalten: In der Corona-Pandemie wird der öffentliche Raum in Städten anders genutzt als zuvor. Das biete die Chance, dass sich innerstädtische Strukturen im Positiven verändern können, sagte Stadtentwicklungsforscher Jan Polivka im Dlf.

Jan Polivka im Gespräch mit Bernd Lechler |
Zwei Paare sitzen am Stadtrand jeweils auf einer Bank mit viel Abstand zueinander und blicken auf die Stadt Berlin in der Ferne.
Städtische Strukturen flexibler nutzen - eine möglichen Entwicklung, beschleunigt durch die Coronakrise (imago / Janine Schmitz)
Jan Polivka ist Juniorprofessor an der RWTH in Aachen und arbeitet am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in Dortmund. Schon früher, sagt er, hätten Pandemien die Städte geprägt. Im Venedig des 14. Jahrhunderts etwa regelten die Behörden zur Bekämpfung der Pest den Zugang zur Stadt mit den ersten Reisepässen der Geschichte. Im Hamburg führte die Cholera-Epidemie 1892 dazu, dass – auch dank der Beratung des Mikrobiologen Robert Koch – das Trinkwasser gefiltert wurde: der Beginn des modernen Wassermanagements.
Corona ist ein Teilchenbeschleuniger
Corona ist laut Jan Polivka ein Teilchenbeschleuniger vieler Entwicklungen, die wir in den Städten sehen. Veränderungen in der Arbeitswelt etwa: "Wir haben Großraumbüros mit Tischen, wo wir Kollege an Kollege arbeiten, um Platz zu sparen. Jetzt könnte aber ein Drittel der Büronutzung in großen Gebäuden wegfallen." Auch der Einzelhandel sei stark betroffen: Wir suchen Waren oft nicht mehr im Laden aus, sondern zu Hause und bestellen im Internet. Dadurch werden Ladenflächen überflüssig oder es wandern bestimmte Funktionen an andere Orte, erklärte der Stadtplaner: "Zum Beispiel Showrooms - bei der Arbeit in einer Ecke oder beim Treffen in einem Café kann man sich dann den Mixer bestellen, in dem das Smoothie hergestellt wurde, und dann sich auch nach Hause liefern über einen Lieferdienst".
Flexible Nutzung und Mischstrukturen
Es bestehe die Chance, dass die Nutzung sich mehr durchmischen werde und sich innerstädtische Strukturen im Positiven verändern könnten, so Polivka. Als Stadtplaner müsse man in der Zukunft viel stärker darauf schauen, "dass wir die alten Strukturen, die nur eine Nutzung erlauben, so umbauen, dass es die Möglichkeit gibt, sie flexibel zu nutzen – parallel oder auch nacheinander".
Ein neuer Fahrradweg am Kottbusser Damm in Berlin-Kreuzberg: Auf einem gelben Piktogramm ist ein Fahrrad abgebildet.
Stadtentwicklung - Wie die Corona-Pandemie unsere Städte verändert
Pop-up-Radwege, weniger Autoverkehr, öffentliches Leben in den Parks: Was die Corona-Pandemie für die Stadtentwicklung bedeuten könnte, zeichnet sich schon jetzt ab. Ob die Veränderungen von Dauer sind, muss sich noch zeigen.
Es sei wichtig, flexibel mit den Räumen umzugehen, "und zwar in der Nähe des Wohnens. Das haben wir nun auch in der Corona-Zeit gelernt", meinte Jan Polivka.
Wir haben noch länger mit Jan Polivka gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Kunst und Kultur
Was Kunst- und Kultur betreffe, so sei es Aufgabe der Stadtplanerinnen und-planer, sie mehr in die Stadt hinein zu bringen: In die Straßen und in Gebäude, auch durch temporäre Nutzungen. Die Universität in Delft arbeite etwa gerade an einem Projekt, "wie man Straßenräume für Pop-up-Geschäfte und Kunsträume umgestalten kann", und zwar unter Einhaltung der Abstände. Es gebe schon einige gute Beispiele dazu, aber sie seien noch zu wenig: "Was wir brauchen ist die Umsetzung solcher Mischformen in der Fläche", meinte der Stadtplaner im Deutschlandfunk.
Äußerungen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.