Seit Beginn der Coronakrise haben sich weltweit fast 65 Millionen Menschen mit SARS-CoV-2 angesteckt. Fast 1,5 Millionen Menschen sind mit COVID-19 gestorben (Stand: 8. Dezember). Viele europäische Länder kämpfen aktuell gegen die zweite Welle und haben das öffentliche Leben eingeschränkt.
Deutschland verlängert den Teil-Lockdown bis zum 10. Januar und verschärft einige Regeln. Dennoch gehen diese Maßnahmen Experten wie der Virologin Melanie Brinkmann oder der Physikerin Viola Priesemann angesichts der vielen neuen Corona-Infektionen und Hotspot-Regionen mit Inzidenzzahlen von über 200 nicht weit genug.
In anderen Staaten gibt es deutlich strengere Maßnahmen, andere kommen fast ohne Einschränkungen aus. Wir schauen beispielhaft auf unterschiedliche internationale Corona-Strategien.
- Belgien: scharfer Lockdown nach hohen Zahlen
- Österreich: Grenzen quasi dicht zur Wintersportsaison
- Schweiz: Skipisten geöffnet, Corona-Maßnahmen verschärft
- Neuseeland: Entschlossenheit mit Erfolg
- Island: großflächige Tests des inseleigenen Unternehmens
- Taiwan: Frühprävention und Einreisestopp
- Südkorea, Japan, Vietnam: Lernen aus früheren Pandemien
- Schweden: zweifelhafter europäischer Sonderweg
Belgien war zwischenzeitlich das am schwersten betroffene Land in Europa, der Inzidenzwert lag zeitweise bei weit über 1.000 pro 100.000 Einwohner. Seit Beginn der Pandemie gab es in Belgien insgesamt mehr als eine halbe Million Infektionen, bei einer Bevölkerungszahl von 11 Millionen. Es gebe viele Gründe dafür, berichtet Dlf-Korrespondentin Bettina Klein aus dem Studio Brüssel: "Die zersplitterten Zuständigkeiten, die mangelnde Kommunikation der Behörden über Regional- und Sprachgrenzen hinweg, die zu frühe Aufhebung der Beschränkungen nach der Sommerpause."
Dazu verringerten unsinnige Regelungen wie die flächendeckende Maskenpflicht draußen die Akzeptanz der notwendigen Maßnahmen, viele Belgier hätten aus dem Umgehen von Regelungen einen Volkssport gemacht. "Brüssel ist außerdem eine sehr internationale Stadt, auch Belgien ein Land mit viel Durchreise in Westeuropa."
Belgien reagierte mit scharfen Maßnahmen: ein mehrwöchiger Lockdown, der weit über die Regelungen in Deutschland hinausgeht. Alle "nicht-essenziellen" Geschäfte waren bis zum 1. Dezember geschlossen. Andere Maßnahmen bleiben bis Mitte Januar bestehen: Alle Kultur- und Sporteinrichtungen sind geschlossen, ebenso alle Gaststätten, einige bieten Take-away an. Zu Hause darf nur eine einzige Person empfangen werden, die nicht zum Haushalt gehört, zu Weihnachten gibt es eine Ausnahme. Homeoffice ist verpflichtend, sofern möglich. Es gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Die Maßnahmen zeigen Wirkung: die Neuinfektionen und Krankenhauseinweisungen sinken deutlich.
Der Tiroler Skiort Ischgl war Anfang des Jahres einer der ersten Corona-Hotspots in Europa: Rund 11.000 Urlauber hatten sich in den überfüllten Après-Ski-Bars unbemerkt angesteckt und das Virus weltweit verbreitet. Den Verantwortlichen wird vorgeworfen, zu spät und fehlerhaft auf den Ausbruch reagiert zu haben. Im März kam es zum ersten Lockdown.
Die Infektionszahlen sind weiterhin hoch, Österreich liegt gemessen an den Neuinfektionen pro Kopf im europäischen Spitzenfeld. Bisher sind über 3.500 Menschen an den Folgen des Virus gestorben. Darauf reagierte man Anfang November mit dem zweiten Lockdown - mit scharfen Maßnahmen wie Ausgangssperren von 20 Uhr bis 6 Uhr morgens. Diese gelten noch immer. Hotels und Gastronomie sind noch mindestens bis zum 7. Januar geschlossen. Nur langsam fährt das Land das Alltagsleben wieder hoch, Schulen, Handel und Friseursalons dürfen wieder öffnen, freiwillige Corona-Massentests werden durchgeführt.
Skifahren soll ab dem 24. Dezember möglich sein - allerdings wohl nur für Österreicher: Denn zum Start der Wintersportsaison wurde eine zehntägige Quarantänepflicht für alle Einreisenden aus Corona-Risikogebieten (mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen 14 Tagen) verhängt. Diese Maßnahme gelte bis zum 10. Januar. Es seien alle Nachbarländer betroffen, sagte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Im Gegensatz zu Österreich lässt die Schweiz ihre Skipisten für alle offen. Bisher reagierte die Regierung in Bern in der Coronakrise eher zurückhaltend und überließ die Entscheidung den Kantonen. Angesichts der anhaltend hohen Zahlen der Coronavirus-Infektionen werden die Maßnahmen nun vereinheitlicht und verschärft. Geplant ist, dass gastronomische Einrichtungen, Geschäfte, Märkte und Sportbetriebe bereits um 19 Uhr schließen und sonntags geschlossen bleiben. Für private Treffen soll abgesehen von den Weihnachtstagen eine Höchstzahl von fünf Personen aus zwei Haushalten gelten. Die meisten öffentliche Veranstaltungen und alle kulturellen Aktivitäten sollen verboten werden. Auch der Zugverkehr nach Italien soll eingestellt werden.
Auch in Neuseeland waren die Infektionszahlen im April steil angestiegen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Neuseeland hat ungefähr ein Drittel der Einwohnerzahl von Belgien. Die Strategie der Regierung: COVID-19 ganz aus dem Land herauszudrängen, das Virus komplett zu eliminieren, was durch die Insellage erleichtert wird. Im März gab es drastische Beschränkungen. Die Landesgrenze wurde für die meisten Besucher geschlossen und eine weitgehende Ausgangssperre verhängt. Bei den persönlichen Kontakten folgte das Land dem Ansatz der sozialen Blase: nur Kontakt zu einer kleinen Gruppe von Personen, deren Zusammensetzung sich nicht ändert.
All diese Maßnahmen zeigten Wirkung. Anfang Mai waren die Neuinfektionen wieder nahezu bei null. Mitte August kam es dann in Auckland erneut zu einem größeren Ausbruch, auch Mitte Oktober gab es ein paar mehr Ansteckungen. Insgesamt scheint Neuseeland dennoch durch die harten Maßnahmen zu Beginn der Pandemie die Seuche unter Kontrolle zu haben.
Island hat den Vorteil, dass dort das private Unternehmen DeCODE Genetics ansässig ist, das sich auf Genom-Analysen spezialisiert hat. Diese Firma begann frühzeitig mit Massentests, nachdem die ersten infizierten Reisenden aus Italien auf die Insel zurückkehrten. Getestet wurde großflächig, mit oder ohne Symptome. Dadurch konnten Infektionsketten nachverfolgt und Betroffene isoliert werden. Zudem gab es Kontaktbeschränkungen, Einreiseverbote und Verbote von Großveranstaltungen.
Diese Maßnahmen halfen dabei, die Infektionen wieder deutlich zu senken. Die Grenzen wurden wieder für Touristen geöffnet. Mitte September stiegen die Infektionszahlen schlagartig wieder an, sogar höher als im Frühjahr. Doch mit den bewährten Mitteln gelang es den Isländern schließlich, die Zahlen wieder zu senken. Das Ganze auf insgesamt niedrigem Gesamtniveau - bei einer Bevölkerungszahl, die nur etwas größer ist als die der Einwohner von Bonn.
Die Gesundheitsbehörden in Taiwan registrierten bis Anfang November nur 600 Infektionen und sieben Todesfälle in Zusammenhang mit der Viruserkrankung. Dabei kam Taiwans Strategie weitgehend ohne Zwangsmaßnahmen aus. Allerdings reagierte der Inselstaat auch sehr früh. Schon Ende Januar gab es einen Einreisestopp für Menschen aus Wuhan, später aus ganz China.
Zudem führte man Fieberkontrollen und umfassende Quarantänevorschriften für Einreisende ein. Auch hier half die Insellage. Hygieneregeln lernt man bereits in der Grundschule und einen Mundschutz trägt man in Taiwan schon bei kleineren Infekten oder einem schwachen Immunsystem. Disziplin und Akzeptanz bei der Umsetzung der Maßnahmen sind in der Bevölkerung sehr hoch.
Volle Fußballstadien mit Zuschauern in Südkorea, gut gefüllte Geschäfte, normaler Alltag: Nur an den Flughäfen sei die Pandemie in vielen ostasiatischen Ländern noch zu spüren, berichtet Journalistin Vanessa Vu bei Deutschlandfunk Nova. Die Infektionszahlen sind deutlich niedriger als in Europa, große Veranstaltungen wieder möglich. Diese Länder hätten stark aus vergangenen Pandemien gelernt, erklärt Vanessa Vu, beispielsweise 2002 und 2003 durch Sars. Weil Fahrplankataloge und Maßnahmen schon bereitstanden, politische Entscheidungen bereits getroffen waren, konnte man viel früher reagieren.
Zudem gebe es härtere Quarantäne-Regeln, erklärt Vu: "Das ist anders als bei uns, wo man gebeten wird, doch Zuhause zu bleiben, bis das Testergebnis kommt. Dort wird man in gesonderte Einrichtungen gebracht." Das können Hotels sein, die leerstehen, aber auch zu Hause ist eine streng überwachte Quarantäne möglich. Auch die Einstellung der Menschen zur Pandemie-Bekämpfung unterscheide sich deutlich. Eine Leugner-Bewegung gebe es nicht, sondern zum Beispiel Händewasch-Challenges auf Tiktok oder App-Entwicklungen in der Crowd. Es herrsche laut Vu eher eine "gewisse Freude in dieser Pandemie-Bekämpfung - während hier alle mit zusammengebissenen Zähnen sitzen und schauen, dass alles vorbei geht".
In Schweden dagegen gibt es nach wie vor keinen Lockdown. Seit Beginn der Coronakrise geht Schweden seinen eigenen Weg. Es setzt dabei auf die Vernunft seiner Bürger, auf Abstands- und Hygieneregeln und lässt Kitas, Schulen, Restaurants und Geschäfte geöffnet. Es gibt bis heute keine Pflicht oder Empfehlung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Allerdings wurde die Besucherzahl bei Sport- oder Großveranstaltungen gesenkt.
Nach stark steigenden Coronazahlen traten im November dann erstmals doch strengere Vorschriften in Kraft: unter anderem die Beschränkung auf acht Personen in der Öffentlichkeit und ein Alkohol-Verkaufsverbot in Gaststätten nach 22 Uhr. Auch Kinos, Schwimmbäder und Museen müssen schließen.
Insgesamt gab es Anfang Dezember in Schweden mehr als 260.000 Infektionen und rund 6.800 Tote im Zuge der Corona-Pandemie - ein Vielfaches im Vergleich zu den skandinavischen Nachbarn. Und gemessen an der Einwohnerzahl Schwedens - rund 10 Millionen - deutlich mehr als in den meisten europäischen Ländern.
(Quelle: Arndt Reuning, Bettina Klein, Dietrich Karl Mäurer, Olivia Gerstenberger, mit afp, dpa)