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Machtverhältnisse im Weltfußball
"Europa hat sich nicht strategisch gewappnet"

Der europäische Fußball brauche eine Strategie, um im Weltverband FIFA Einfluss nehmen zu können, sagt der österreichische Fußballfunktionär Georg Pangl im Dlf. Präsident Gianni Infantino habe mit eingehaltenen Wahlversprechen und einem großen Netzwerk viele nationale Verbände hinter sich gebracht.

Georg Pangl im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Der FIFA-Präsident Gianni Infantino
FIFA-Präsident Gianni Infantino hat bei der Wahl im kommenden Jahr keinen Gegenkandidaten (imago images / photonews.at)
Seit 2016 ist Gianni Infantino Präsident der FIFA. Und er wird es sehr wahrscheinlich auch bleiben. Im März stellt sich der Schweizer zur Wiederwahl, einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Das liege auch daran, weil Infantino seine Wahlversprechen eingehalten habe, meint der österreichische Fußballfunktionär Georg Pangl. Pangl arbeitete zu Beginn der 2000-er-Jahre wie Infantino für den europäischen Verband UEFA.
Im Wahlkampf für die FIFA-Präsidentschaftswahl 2016 habe Infantino Entwicklungsprogramme und Geld für viele der 211 Nationalverbände zugesagt, erzählt Pangl: "Da hat er versprochen. Dann liefert er. Und er ist auch ein begnadeter Netzwerker, der rund um die Welt fliegt und dort eben viele Freundschaften und Beziehungen nicht nur schmiedet, sondern sie auch pflegt."
Das deutsche Einknicken im Streit um die "One-Love"-Kapitänsbinde sieht Pangl auch in der Unerfahrenheit einiger Entscheidungsträger in den nationalen Verbänden begründet. Die europäischen Verbände hätten mit ihrer Abreise drohen sollen, als für das Tragen der Binde Strafen angedroht wurden:
"Wenn ich da mit Trolley in Richtung Flughafen unterwegs bin als DFB und als Präsident, dann hätte ich schon gern die Gesichter gesehen vom Infantino und von allen Anderen. Also ich will nicht neunmalklug klingen, aber meistens spielt halt auch den Regierungsbehörden im Fußball in die Hände, dass sehr viele Präsidenten und Agierende oft erst relativ kurz mit dabei sind. Dass die auch lernen müssen, wie das alles funktioniert."

"Kritik an der FIFA wird neutralisiert"

Kritik könne in der FIFA nicht aufkommen. Die beeindruckende Rede der norwegischen Verbandspräsidentin Lise Klaveness mit Kritik zur Durchführung der WM in Katar sei durch einen Vertreter eines anderen Verbandes gekontert worden. Das sei die Politik der FIFA, meint Pangl, kritische Stimmen würden durch einen Gegenpart schnell neutralisiert.
Um mehr Einfluss zu gewinnen, müsse es klare Gespräche und klare Positionen geben, meint Pangl. Als Beispiel nennt er die engere Zusammenarbeit der UEFA mit dem südamerikanischen Verband. Dadurch könnten immerhin 65 Nationalverbände ihren Einfluss vereinen. Das habe die eigene Position gestärkt. Allerdings hat sich auch der südamerikanische Verband inzwischen hinter Infantino gestellt.
Die UEFA habe es nicht leicht, international Verbündete zu finden, meint Pangl: "Da hat die Uefa augenscheinlich in der Vergangenheit nicht sehr glücklich agiert, indem sie versäumt hat hier offener und mit offenen Armen gegenüber diesen anderen Verbänden aufzutreten."
"Bis jetzt habe ich das Gefühl, dass fast alles einstimmig geht", sagt Pangl über Entscheidungen in der FIFA. Europa habe bei der kommenden WM nur noch ein Drittel der 48 Startplätze, im Gegensatz zu mehr als der Hälfte in den 70-er Jahren.
"Da hat eine Entwicklung eingesetzt, wo man sich möglicherweise als UEFA, als Europa nicht zeitgerecht strategisch gewappnet hat. Jetzt ist es natürlich schwierig, aber man müsste die Strategien entwickeln." Und am Ende des Tages gehe es ohnehin immer wieder ums Geld. Pangl glaubt, dass die UEFA die Lage nun erkannt habe und sehr viel daransetzen werde, sich nun so zu positionieren, dass die eigene Stellung mit den besten Vereinen und Spielern weltweit ausgenutzt werden könne.

Infantino und DFB-Präsident Neuendorf werden keine "Best Friends" mehr

Nun komme es darauf an, ob die UEFA und die europäischen Nationalverbände wirklich eine Strategie entwickelten oder doch wieder vom Tagesgeschäft eingeholt werden. "Jetzt muss der DFB-Präsident wieder seine seine Baustellen intern bearbeiten und lösen. Ob dann die Zeit bleibt für solche strategische Fragen, das ist genau die Frage. Man weiß, glaube ich schon, dass der UEFA-Präsident und der Fifa-Präsident sicher nicht mehr 'Best Friends' werden."
Eine Abtrennung von der FIFA sieht Pangl als Option für den europäischen Fußball kritisch: "Will man jetzt Zustände, wie es vielleicht im Boxen oder im Basketball der Fall ist, wo man mehrere Verbände und Ligen hat? Das wird sicherlich nicht das große Ziel sein." Eine Austrittsdrohung könnte höchstens ein Zeichen sein, dass gewisse Grenzen überschritten worden seien.
Stattdessen müsse man strategisch einen Gegenkandidaten zu Gianni Infantino aufbauen. Und dann gehe es ans Eingemachte: Man müsse versuchen, die 50 zusätzlich nötigen Stimmen zu denen aus Südamerika und Europa zu bekommen.
Infantinos Taktik für die Wahl 2016 - den Verbänden mehr Geld für Entwicklungsprojekte zu geben, könne man nicht überbieten. Der Fußball werfe nicht mehr so viel Geld ab. Deswegen werde es sehr schwierig, die nationalen Verbände von einem anderen Präsidenten zu überzeugen.