In der Grenzregion zwischen den Niederlanden, Deutschland und Belgien sorgen die beiden pannenanfälligen belgischen Atommeiler Tihange und Doel seit Jahren für Unruhe und Ängste. Vor allem auf der deutschen und niederländischen Seite – in Aachen etwa sind die Atomkraftwerke ein Dauerthema. In vielen Geschäften liegen Protestlisten aus, hängen Anti-AKW-Poster in den Schaufenstern. Thiange ist nur rund 70 Kilometer von Aachen entfernt, ein Störfall würde die Stadt unmittelbar betreffen:
"Es gibt wieder ein Bewusstsein, das es 20 Jahre lang nicht gab. Dass es solche Unfälle – oder dass generell eine atomare Gefahr eine Rolle im Alltag der Menschen eine Rolle spielen könnte".
Bürger in Aachen haben Angst
Beschreibt Oberbürgermeister Marcel Philipp, CDU die Sorgen vieler Aachener. Das zeigt sich auch an anderer Stelle. Die Nachfrage nach Jodtabletten, die bei einem atomaren Unfall die Speicherung von radioaktivem Jod in der Schilddrüse verhindern sollen, ist ungebrochen, sagt Apothekerin Karen Radtke von der altehrwürdigen Ratsapotheke:
"Das hängt immer davon ab, was in der Zeitung steht. Wenn wieder ein Artikel erscheint, haben wir wieder eine hohe Nachfrage. Wir haben aufgrund dieser ganzen Lage Jodtabletten extra angeschafft. Das sind ja besondere Jodtabletten. Das sind nicht Jodtabletten, die man immer auf Lager hat. Die sind sehr hoch dosiert – die bekommt man sonst nicht".
Jodtabletten sind gefragt
Aber auch Aachener Wissenschaftler sind jetzt aktiv geworden. Aus Sorge um die Sicherheit der beiden belgischen Atomkraftwerke wird derzeit in der Region ein Netzwerk von privat betriebenen Sensorstationen aufgebaut, mit dem wiederum die atmosphärische Radioaktivität gemessen wird. Getragen wird das Projekt "Tihange Doel Radiation Monitoring" nicht zuletzt durch das Forum Informatik für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, zu dem auch der Wissenschaftler Dietrich Meyer-Ebrecht gehört:
"Wir möchten, dass die Bevölkerung Strahlung als etwas Konkretes wahrnimmt. Man kann Strahlung nicht sehen, man kann sie nicht fühlen oder anfassen. Wir machen sozusagen mit diesem Netz Strahlung sichtbar. Man kann sich dann halt darunter etwas vorstellen unter den Messwerten und kann sie in Relation setzen zu den publizierten Grenzwerten".
Schnelle Abschaltung nicht in Sicht
Bereits zwölf Stationen hat das Bündnis in Betrieb genommen, davon drei in direkter Nähe zum AKW Tihange. Weitere sollen folgen, auch in Doel. Es geht dabei um Information für Interessierte – auf der Grundlage von eigenem Datenmaterial. Womit auch deutlich wird, dass die Projektgruppe den offiziellen Angaben von belgischer Seite nur bedingt über den Weg traut. Aber es gebe auch ganz praktische Gründe für die privaten Sensorstationen, erklärt Wissenschaftler Meyer-Ebrecht:
"Die Messwerte von den offiziellen Messnetzen, die bekommen wir eben erst mit Stunden Verspätung. Wenn man sich jetzt betrachtet, welche gesundheitlichen Maßnahmen man ergreifen muss im Falle eines Störfalls, dann ist es ganz wichtig, dass wir sozusagen unverzüglich von außergewöhnlichen Ereignissen wissen".
Eigene Warnmeldungen wird die Projektgruppe allerdings nicht veröffentlichen, zumal das Netz ohnehin noch große Lücken aufweist. Doch letztlich sind das alles nur Notlösungen, die zugleich die eigene Hilflosigkeit entlarven. Die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC hat immer wieder betont, dass die Meiler sicher seien. Und sie hat bei der Betriebserlaubnis das letzte und damit entscheidende Wort. So aber läuft die Forderung nach einer schnellen Abschaltung der beiden Atomkraftwerke Tihange und Doel weiter ins Leere.