
Papst Franziskus, bürgerlich Jorge Mario Bergoglio, war ein Ausnahmepapst, gleich in mehrfacher Hinsicht: Seit rund 600 Jahren der erste, dessen Vorgänger auf das Amt verzichtet hatte, der erste Papst aus Amerika und der erste aus dem Globalen Süden, der erste Jesuit und der erste, der den Namen Franziskus für sich wählte und sogleich eine erste programmatische Äußerung tat.
Er stellte sich in die Nachfolge von Franz von Assisi, der für sein einfaches Leben und seine Nähe zu Mensch und Natur verehrt wird – und dem Gott einer Überlieferung zufolge den Auftrag erteilte, seine Kirche wieder aufzubauen.
Nach seiner Ernennung zum Papst am 13. März 2013 begrüßte er so die Menschen auf dem Petersplatz: „Brüder und Schwestern, guten Abend! Ihr wisst, dass das Konklave entschieden hat, Rom einen neuen Bischof zu geben. Und es scheint, als seien meine Mitbrüder Kardinäle bis ans Ende der Welt gegangen, um ihn zu holen.“
Umgang mit Missbrauch
Mit einfachen Worten eroberte Franziskus schnell die Herzen vieler Gläubigen und demonstrierte einen ganz anderen Stil als sein Vorgänger Benedikt XVI. Was Benedikt zum Rücktritt veranlasst hatte, die desolaten Zustände an der römischen Kurie und zahlreiche Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, ging Franziskus offen an. Missbrauchsopfern gegenüber entschuldigte er sich nicht nur, sondern versprach bessere Prävention:
Im Dienst der Kirche gibt es keinen Platz für die Täter sexuellen Missbrauchs. Und ich verpflichte mich, keinen Schaden gegenüber einem Minderjährigen zu dulden, egal, welchen klerikalen Status der Täter hat. Wir müssen alles dafür tun, um sicherzustellen, dass sich solche Sünden in der Kirche nicht wiederholen.
Papst Franziskus
Doch im Laufe seines Pontifikats häuften sich nicht nur die Enthüllungen weiterer Skandale. Franziskus wurde vorgeworfen, zumindest bei zwei direkt des Missbrauchs beschuldigten Kardinälen, dem Australier George Pell und dem US-Amerikaner Theodore McCarrick, nicht schnell genug gehandelt zu haben. Konservative Kontrahenten nutzten das, um ihn zum Rücktritt aufzufordern. Auch sein Umgang mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, dem Fehler in der Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen vorgeworfen wurden, galt vielen als zu zögerlich.
Reform der Vatikanbank
In der von ihm oft gescholtenen Kurie lebte Franziskus selbst Veränderungen vor: Er verzichtete auf prunkvolle Gewänder, ging gern zu Fuß und wohnte lieber im Gästehaus Santa Marta als im Papstpalast oder in der Sommerresidenz Castel Gandolfo. Er blieb Mitglied seines argentinischen Fußballklubs San Lorenzo de Almagro und genoss häufig das Bad in der Menge, ohne gepanzertes Papamobil.
Durch Umstrukturierungen und Untersuchungskommissionen rüttelte er den Vatikan kräftig durch und machte sich damit nicht nur Freunde in der Kirchenhierarchie, zumal er Laien, darunter auch Frauen, einige einflussreiche Ämter zudachte. Die Vatikanbank, lange in dubiose Geschäfte verstrickt, säuberte er gründlich.
Dabei waren ihm all diese Reformen im Grunde doch nur Mittel zum Zweck, meinte der italienische Journalist und Papstkenner Antonio Spadaro. „Die größte Herausforderung für den Papst ist, verständlich zu machen, dass das Evangelium alle erreichen muss, jedermann, egal wie seine Lebensbedingungen sind."
Schnelle Kirchenkarriere
Als Sohn italienischer Einwanderer wurde Jorge Mario Bergoglio 1936 in Buenos Aires geboren. Das Älteste von fünf Kindern interessierte sich zunächst für Naturwissenschaften, trat aber nach einem Berufungserlebnis mit 20 Jahren ins Priesterseminar von Buenos Aires ein und wechselte später in das Seminar der Jesuiten. Kurz vor seinem 33. Geburtstag wurde er zum Priester geweiht.
Bergoglios kirchliche Karriere schritt schnell voran: Mit 37 Jahren wurde er der jesuitische Ordensobere von Argentinien, eine Rolle, in der er eher spaltend als versöhnend wirkte. Trotz seines Engagements für die Armen hielt er Distanz zu jenen Amtsbrüdern, die sich in den 1970er-Jahren linken Bewegungen anschlossen. Umstritten ist, ob er zur Festnahme zweier solcher Mitbrüder durch die Schergen der argentinischen Militärdiktatur beigetragen hat.
Mit 56 Jahren wurde Bergoglio Weihbischof von Buenos Aires, sechs Jahre später Erzbischof. Sein Vorvorgänger Johannes Paul II. nahm ihn 2001 ins Kardinalskollegium auf – für einen Jesuiten allesamt ungewöhnliche Weihen.
Dogmatische Revolutionen blieben aus
„Befreiungstheologie minus Marxismus plus Volksfrömmigkeit." Auf diese Formel brachte der Jesuit Klaus Mertes die Haltung von Papst Franziskus. Das Dogma der Kirche in Bezug auf Ehe und Sexualität stellte der konservativ Eingestellte trotz seines Werbens um die Jugend nicht grundsätzlich infrage, so bezeichnete er Abtreibung als Auftragsmord. Er berief aber Bischofssynoden zu diesen Themen ein und stellte in seinem Lehrschreiben Amoris Laetitia die Barmherzigkeit in den Vordergrund. Weil er darin vage andeutete, wiederverheiratete Geschiedene könnten in bestimmten Fällen die Kommunion empfangen, warfen ihm einige konservative Katholiken schlicht Häresie vor.
Auch beim Thema Homosexualität, das in der Kurie oft mit dem Gerücht einer sogenannten „Schwulen-Lobby“ im Vatikan verbunden wird, stellte Franziskus den Menschen in den Mittelpunkt: „Alle Seilschaften sind schlecht, aber wenn ein Mensch homosexuell ist und mit gutem Willen Gott sucht, wer bin ich, um darüber zu urteilen?“
Echte dogmatische Revolutionen, die viele von ihm erhofften, verwirklichte Franziskus nicht. Wohl auch, weil ihm die Synodalität, also der Austausch verschiedener Meinungen, und die Einheit der Kirche wichtiger waren. Zugleich zeigte er, dass ihm der unter dem Namen Synodaler Weg in Deutschland eingeschlagene Reformprozess zu weit ging. Man brauche dort keine zweite evangelische Kirche, so seine Worte. Die von ihm einberufene Bischofssynode zur Synodalität überraschte er 2024 damit, dass er deren Schlussdokument direkt zum lehramtlichen Schreiben erhob – ein Novum in der Geschichte der katholischen Kirche.
Gegen kapitalistische Ausbeutung
Fast zehn Jahre seiner Amtszeit war Franziskus nicht der einzige Mann in Weiß im Vatikan – sein Vorgänger Benedikt XVI. blieb trotz seines Rücktritts weiterhin präsent. Franziskus pflegte einen freundlichen Umgang mit ihm, ließ jedoch Benedikt-Getreue wie dessen Privatsekretär Georg Gänswein spüren, dass er andere Prioritäten setzte als sein deutscher Vorgänger.
Eines der Herzensthemen von Franziskus war die Bewahrung der Schöpfung. Nicht nur in seiner Enzyklika „Laudato Si“, sondern schon in seiner Antrittspredigt stellte er sich gegen eine kapitalistische Ausbeutungslogik. „Ich möchte alle, die Verantwortung auf wirtschaftlichem, politischem und sozialem Gebiete tragen, bitten, und alle Männer und Frauen guten Willens: Seien wir Beschützer der Schöpfung, des Planes Gottes, der in die Natur eingeschrieben ist. Beschützer des Nächsten, der Umwelt: Lassen wir niemals zu, dass die Zeichen der Zerstörung und des Todes die Entwicklung unserer Welt begleiten", so Franziskus.
Einsatz für den Frieden
Frieden war ein weiteres großes Anliegen dieses Papstes, der sich immer wieder als Vermittler im Ukraine-Krieg anbot. Seine Verurteilung des russischen Angriffskriegs blieb jedoch meist schwach. Auch seine Reaktion auf den Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 war vielen nicht deutlich genug - zumal sich der Papst häufiger solidarisch mit den Palästinensern und kritisch gegenüber Israel äußerte.
Der jüdisch-christliche Dialog lag ihm dagegen durchaus am Herzen. Ebenso bemühte er sich um Verständigung mit den protestantischen und orthodoxen Kirchen und unterzeichnete gemeinsame Erklärungen mit hochrangigen muslimischen Vertretern.
Seine Amtsvorgänger Johannes Paul II., Paul VI. und Johannes XXIII. hat Franziskus heiliggesprochen. Bei Benedikt riefen nur wenige danach. Gut möglich aber, dass jetzt nach Franziskus‘ Tod Rufe nach einer raschen Heiligsprechung von Jorge Mario Bergoglio laut werden. Denn das Kirchenvolk liebte diesen Papst, der oft als zugewandter, humorvoller Onkel erschien, über dessen konservative Ansichten auch Kirchenkritiker gerne hinwegsahen.
Auch nach seinem Tod wird Franziskus noch eine Ausnahme machen: Der Vatikan, so erklärte er in seiner Autobiografie, sei nicht sein Wohnort für die Ewigkeit – er wolle in der Kirche Santa Maria Maggiore in der Innenstadt Roms bestattet werden.