Georg Ehring: Der Papst äußert sich zum Klimaschutz. Heute wird in Rom die Enzyklika "Laudato Si" vorgestellt. Der vorab durchgesickerten Fassung zufolge ruft das Oberhaupt der Katholischen Kirche darin dazu auf, die Atmosphäre zu schützen und die globale Erwärmung zu stoppen. Die Wissenschaft ist seit Jahren nahezu einig, dass der Mensch die Erwärmung durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas verursacht. Jetzt kommt für die eine Milliarde Katholiken auf der Welt die päpstliche Autorität dazu.
Was kann so ein kirchlicher Aufruf für das Klima bedeuten? Darüber möchte ich jetzt mit Felix Ekardt sprechen. Er ist Professor an der Uni Rostock und leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik. Guten Tag, Herr Professor Ekardt.
Felix Ekardt: Schönen guten Tag.
Ehring: Die Kirche ruft seit Jahren, seit Ewigkeiten dazu auf, die Sünde zu unterlassen, bekanntlich ohne durchschlagenden Erfolg. Welchen Einfluss wird denn die Enzyklika auf den Klimaschutz haben?
Ekardt: Die Enzyklika als solche ist erst mal sehr bemerkenswert, weil historisch steht der christliche Glaube häufig eher mit Umweltnutzung als mit Umweltschutz in Verbindung. "Macht euch die Erde untertan" ist ein beflügeltes Wort aus der Genesis, dem ersten Buch der Bibel, und ist auch tatsächlich ursächlich mit zentralen Gedanken wie Wachstum und Fortschritt, die ehr für Umweltverbrauch als Umweltschutz stehen, verbunden. Insofern markiert die Enzyklika, auch wenn in der Kirche seit Langem über dieses Thema natürlich schon geredet wird, schon eine gewisse Kehrtwende. Die Grundfrage ist nur allerdings, welche konkreten Wirkungen hat das jetzt, wenn der Papst sich in dieser Weise äußert. Man fragt sich beispielsweise, wird der Vatikan seine Investmentpolitik überdenken. Der Vatikan ist ja reich, der hat Aktienpakete, auch an fossilen Brennstoffen. Heißt jetzt diese verbale Deklaration des Papstes, dass sich das ändert? Das werden wir erst mal abwarten müssen.
"Interessant, wie katholisches Polen reagiert"
Ehring: Die Europäische Union betreibt ja Klimapolitik auch mit moralischem Anspruch und der CDU-Abgeordnete Peter Liese sagte, die Enzyklika werde durchaus Einfluss auf die Klimapolitik der EU haben. Glauben Sie das auch?
Ekardt: Ich bin mir da nicht so sicher. Generell herrscht ja kein Mangel an wohlmeinenden Erklärungen im Umwelt- und Klimabereich. Die Enzyklika des Papstes ist schlicht eine weitere. Wir hatten den G7-Gipfel in Elmau, auch dort hatten wir wohlmeinende Erklärungen, die aber vom Sankt-Nimmerleins-Tag, nämlich vom Jahr 2100 handelten, wenn sie von der Dekarbonisierung der Wirtschaft geredet haben. Es gibt ein grundsätzliches Auseinanderfallen häufig, gerade aber nicht nur im Umweltbereich zwischen Reden und Handeln oder, theoretischer ausgedrückt, Einstellung und Verhalten. Man ist auf einer Einstellungsebene für alles Mögliche. Wenn man dann aber ans reale Verhalten geht und die Zielkonflikte wahrnimmt, wenn man zum Beispiel sieht, dass vielleicht ewiges Wirtschaftswachstum und immer weiter ansteigender Reichtum und ein konsequenter Umweltschutz nicht unbedingt vereinbar sind, dann wird die Skepsis doch häufig sehr viel größer.
Unabhängig davon muss man natürlich sagen, der Papst ist eine moralische Autorität, mindestens für sehr viele Katholiken, und ich würde sagen, außerhalb Deutschlands noch sehr viel stärker als jetzt innerhalb Deutschlands, wo wir relativ säkularisiert sind. Insofern wird das schon interessant sein zu beobachten, was passiert zum Beispiel in einem so katholischen Land wie Polen, wo der Papst normalerweise eine hohe Autorität genießt und wenn in diesem Land traditionell auf Braunkohle gesetzt wird, auf den klimaschädlichsten Energieträger, wird das jetzt infrage gestellt oder nicht? Das werden sicherlich sehr spannende Prozesse sein, die sich da potenziell ereignen.
Ehring: Erwarten Sie denn jetzt unter dem Strich, dass sich tatsächlich etwas ändert, oder ist es wirklich nur ein moralischer Appell unter vielen?
Ekardt: Gesellschaftlicher Wandel ist ja wahnsinnig zäh, und das nicht nur, weil die Welt komplex ist und wir sieben Milliarden Menschen sind. Ein einzelner Mensch, eine einzelne Erklärung verändern natürlich nicht grundlegend Dinge. Das mit dem Klimaschutz geht ja unheimlich langsam seit Jahrzehnten, seit 25 Jahren letzten Endes. Es geht tatsächlich grundlegend darum, anders zu leben und zu wirtschaften. Wir müssen bei Strom, Wärme, Treibstoff und auch bei stofflichen Nutzungen wie Mineraldünger raus aus den fossilen Brennstoffen und eben nicht erst in 100 oder 200 Jahren, sondern in wenigen Jahrzehnten. Das sind große Herausforderungen, technische, aber auch gesellschaftliche Herausforderungen. Es geht darum, wie man eigentlich zukünftig leben wird, und da spielt es natürlich eine Rolle, wenn eine wichtige Autorität wie der Papst sich jetzt positioniert. Das ist ein weiterer Baustein. Das nimmt uns aber in keiner Weise das alltägliche politische oder auch in den Unternehmen stattfindende Handeln ab.
Ehring: Was sorgt denn dafür, dass Staaten sich bewegen, wenn es der Papst, sagen wir mal, nur begrenzt ist?
Ekardt: Staatliche Entscheider sind ja Menschen und Menschen, seien es jetzt Bürger, seien es Entscheidungsträger in Unternehmen oder Politiker, werden eigentlich immer von ähnlichen Dingen getrieben. Da ist nicht allein naturwissenschaftliches Wissen die zentrale handlungsleitende Ressource. Es geht auch um handfeste Eigennutzen-Erwägungen: Ein Politiker will wiedergewählt werden, ein Unternehmer will seine Produkte verkaufen und wir alle wollen wenig Stress haben. Es geht aber auch um menschliche Gefühle. Der Klimawandel ist vom Bauch her weit weg. Ich merke nicht, wenn ich ins Auto steige, dass das vielleicht zum Ansteigen des Meeresspiegels und zum Verschwinden von Bangladesch beiträgt, und solche Komplexitäten können Menschen vom Bauch her einfach schwer verarbeiten, zumal wir im Verdrängen häufig recht gut sind.
Was eine solche Enzyklika im Grunde zunächst mal bewirkt ist, dass das Thema im Bewusstsein ist. Aber Bewusstsein und Handeln, sie sagten es schon, sind häufig weit auseinander. Insofern muss es eigentlich am Ende darum gehen, dass wir im Alltag, aber auch in der Politik viel stärker unsere Normalitätsvorstellung thematisieren. Eine Welt, in der es normal ist, ständig in Urlaub zu fliegen, jeden Tag viel Fleisch zu essen und jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, wird klimapolitisch massive Probleme kriegen. Das alleine wird eine Papst-Enzyklika nicht ändern können.
"Gesellschaft muss bereit sein, anders zu leben"
Ehring: Das heißt, Sie setzen dann auch auf Konsumverzicht, von dem der Einzelne überzeugt werden muss?
Ekardt: Ich würde generell sagen, gesellschaftlicher Wandel geschieht in einem Pingpong. Wir brauchen bessere politische Rahmenbedingungen, die fossilen Brennstoffe müssen beispielsweise schrittweise einfach teurer werden, damit wir umsteigen auf erneuerbare Energien, nicht nur beim Strom, auch bei Wärme oder bei Mobilität. Wir müssen aber auch individuell uns verändern. Eine andere Politik kommt nämlich nur zustande, wenn aus der Gesellschaft Impulse und Bereitschaften da sind, anders zu leben, und da ist tatsächlich bisher doch eher Rhetorik da. Es gibt einzelne Leute, die über ihr Essen, ihre Mobilität und so weiter nachdenken. Es sind aber nicht beliebig viele. Und natürlich ist die Debatte dominiert von technischen Ansätzen. Über erneuerbare Energien statt fossile Energien kann man zumindest noch reden. Aber wenn man denn merkt, dass tatsächlich eine deutliche Senkung der Treibhausgas-Emissionen zwar Technik erfordert, aber nicht allein Technik, sondern auch tatsächlich anderes Leben - ich würde nicht Verzicht dazu sagen, sondern besser leben, ein gesünderes Leben, weniger Fleisch zum Beispiel -, dann wird die Debatte sensibel, weil sie an die Punkte stößt, bei denen wir gerade waren. Unsere Normalitätsvorstellungen sind die einer fossilen Welt und da rauszukommen, das wird ein langer, langer Prozess.
Ehring: Der Papst und das Klima - herzlichen Dank für dieses Interview an Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik.
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