Peter Kapern: Einst war Joseph Ratzinger der Titel des Panzerkardinals verliehen worden – sicherlich kein schmeichelhaftes Attribut, mit dem seine theologische Unnachgiebigkeit gekennzeichnet wurde. Aber vielleicht immer noch besser als der Beiname, den er jetzt zum Ende seines Pontifikats manchmal erhält, in dessen Verlauf er ja Holocaust-Leugner hofierte, Muslime verprellte und den Apparat der Kurie nicht in den Griff bekam: Benedikt der Glücklose.
Vor zehn Minuten habe ich mit Präses Nikolaus Schneider gesprochen, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, und zunächst habe ich ihn gefragt, was er an erster Stelle mit dem heute aus dem Amt scheidenden Papst verbindet.
Nikolaus Schneider: Damit verbinde ich, dass ein Gelehrter auf dem Thron des Papstes in Rom nun sein Pontifikat beendet. Er hat beeindruckende Schriften verfasst, er hat sich ganz am Anfang seines Pontifikats zur Liebe geäußert, und zwar deutlich gemacht, dass die Liebe der Klarheit bedarf. Ich hätte gerne noch ergänzt, die Klarheit bedarf auch der Liebe, hätte das gerne dialektisch verbunden, aber das war seine erste Schrift, und die hat deutlich gemacht, dass ihm die Zuwendung Gottes zu den Menschen und ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden, dass ihm dies doch wichtig ist, und in dieser Hinsicht hat er sich ja auch immer ganz klar geäußert.
Andererseits verbinde ich sein Pontifikat damit, dass er auch deutlich Abgrenzendes oder zum Teil auch Brüskierendes in Richtung der Kirchen der Reformation gesagt hat.
Kapern: Was genau geht Ihnen da durch den Kopf?
Schneider: Da geht mir durch den Kopf, dass er bei dem Besuch in Erfurt im Gottesdienst geäußert hat, dass er keine Gastgeschenke mitgebracht habe und dass es zwischen den Kirchen nicht zugehen könne wie zwischen politischen Parteien, und gerade Letzteres ist uns natürlich klar. Das ist eine Sicht der Kirchen der Reformation, die schon verletzend ist.
Kapern: Ist es besonders gravierend, dass solche Dinge ausgesprochen werden, ausgerechnet von einem Papst, der aus Deutschland kommt, also aus dem Heimatland der Reformation?
Schneider: Papst Benedikt kennt natürlich die deutschen Verhältnisse sehr gut und insofern erlangt das auch eine erhöhte Aufmerksamkeit und insofern ist auch die Enttäuschung entsprechend.
Kapern: Was denken Sie, mit welchen Gefühlen denn die protestantischen Gläubigen diesen Papst heute aus dem Amt scheiden sehen werden?
Schneider: Es wird eine Mischung aus Gefühlen sein, so ähnlich wie ich das eben auch ausgedrückt habe: wirklich Respekt und Hochachtung vor der Gelehrsamkeit dieses Menschen, Respekt vor der Klarheit, in der er sein Amt ausgeführt hat. Etwa bei der Aufdeckung der Fälle von sexueller Gewalt in der Weltkirche hat er ja ganz klare und deutliche Positionen bezogen. Das muss man ihm hoch anrechnen.
Und ich glaube, sie werden es auch damit verbinden, dass es ein Papst ist, der eine weitere ökumenische Annäherung eben nicht möglich gemacht hat und der das Zweite Vatikanische Konzil eher, er sagt selber, in einer Hermeneutik der Tradition des Bewahrens auslegt. Wenn man es etwas böse formuliert, könnte man sagen, dass er es vorkonziliar interpretieren möchte.
Kapern: Bleiben wir noch mal bei dem Treffen von Erfurt im Herbst 2011, das Sie eben angesprochen haben. Präses Schneider, was wäre denn eigentlich möglich gewesen an Signal damals? Was wäre an ökumenischer Bewegung möglich gewesen im Verlaufe dieses Pontifikats?
Schneider: Ja es wäre schön gewesen, wenn der Papst das, was ich atmosphärisch persönlich mit ihm erlebt habe, wenn er das umgesetzt hätte auch in Vorschläge für weiteres gemeinsames Leben. Er war nämlich äußerst zugewandt, freundlich und demütig, nicht von oben herab, sondern das war wirklich Brüderlichkeit auf Augenhöhe. Und dann einige Reflexionen darüber, wie unsere Kirchen nun weiter zusammenwachsen können, wie sie auch am Tisch des Herrn zusammenkommen können, das wäre wirklich hilfreich und gut gewesen.
Kapern: Das heißt, Benedikt XVI. agierte Ihnen gegenüber jedenfalls hinter verschlossenen Türen anders als in der Öffentlichkeit?
Schneider: Ja, er agierte auch in öffentlichen Auftritten mir persönlich gegenüber in gleicher Weise herzlich und freundlich. Das kann ich nicht beklagen. Nur die Worte waren schroffer im Gottesdienst als bei unserer Begegnung der Delegationen. Auch das war ja quasi öffentlich, weil die Texte alle veröffentlicht wurden.
Nur es gab eben keine Bilder, denn in dem Treffen der Delegationen hat Papst Benedikt Luther ausgesprochen positiv gewürdigt und auch seine Suche nach Gott, seine Frage nach Gott als etwas bezeichnet, was ihn zutiefst bewegt und was er für ganz wesentlich auch für unsere Zeit hält, und er hat uns auch auf Augenhöhe dort angesprochen. Das hatte eine gewisse Öffentlichkeit, aber eben nicht die Wirkung, die der vom Fernsehen übertragene Gottesdienst hatte.
Kapern: Was, Präses Schneider, würden Sie denn dem nächsten Papst, wenn Sie es könnten, konkret auf den ökumenischen Wunschzettel schreiben?
Schneider: Ich würde ihm auf den Wunschzettel schreiben, dass er das Gespräch mit den Kirchen der Reformation weiter sucht und dass wir gern mit ihm darüber ins Gespräch kommen möchten, dass es beim Abendmahl darum geht, dass Jesus Christus selber einlädt, er ist Gabe und Geber zugleich, und dass wir Wege finden müssen, dass diese Einladung Christi auch alle Gläubigen erreicht.
Kapern: Ihr primäres Ziel ist es also, das gemeinsame Abendmahl zu ermöglichen?
Schneider: Das gemeinsame Abendmahl wäre ein wichtiges Ziel, und wir könnten anfangen damit in den Ehen, die schon konfessionsverbindend leben und in beiden Kirchengemeinden vor Ort zuhause sind.
Kapern: Glauben Sie, dass solche Ziele, wie Sie sie gerade definiert haben, mit einem Papst, der nicht aus Europa kommt, leichter zu erreichen wären als mit einem europäischen Nachfolger?
Schneider: Das ist ganz schwer einzuschätzen. Dass ein Nachfolger, der nicht aus Europa kommt, Verständnis für die deutsche Problematik hat, ist nicht zunächst zu erwarten. Das muss man erläutern. Andererseits kann ein frischer Blick von außen auch weiterhelfen.
Kapern: Präses Schneider, die letzten öffentlichen Auftritte des Papstes haben ja eine enorme Aufmerksamkeit gefunden. Gestern waren noch einmal mehr als 100.000 Menschen auf dem Petersplatz versammelt, heute wird das italienische Fernsehen rund um die Uhr quasi live übertragen. Stehen Sie solchem Rummel eigentlich mit Befremden gegenüber? Fällt das für Sie unter die Überschrift des Personenkults?
Schneider: Befremden ist vielleicht zu stark, aber es rührt mich schon merkwürdig an, weil ich denke, die eigene Person und das eigene Amt darf Christus nicht verdecken.
Kapern: Präses Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, heute Morgen im Deutschlandfunk. Das Gespräch haben wir vor einer halben Stunde aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Vor zehn Minuten habe ich mit Präses Nikolaus Schneider gesprochen, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, und zunächst habe ich ihn gefragt, was er an erster Stelle mit dem heute aus dem Amt scheidenden Papst verbindet.
Nikolaus Schneider: Damit verbinde ich, dass ein Gelehrter auf dem Thron des Papstes in Rom nun sein Pontifikat beendet. Er hat beeindruckende Schriften verfasst, er hat sich ganz am Anfang seines Pontifikats zur Liebe geäußert, und zwar deutlich gemacht, dass die Liebe der Klarheit bedarf. Ich hätte gerne noch ergänzt, die Klarheit bedarf auch der Liebe, hätte das gerne dialektisch verbunden, aber das war seine erste Schrift, und die hat deutlich gemacht, dass ihm die Zuwendung Gottes zu den Menschen und ein Leben in Gerechtigkeit und Frieden, dass ihm dies doch wichtig ist, und in dieser Hinsicht hat er sich ja auch immer ganz klar geäußert.
Andererseits verbinde ich sein Pontifikat damit, dass er auch deutlich Abgrenzendes oder zum Teil auch Brüskierendes in Richtung der Kirchen der Reformation gesagt hat.
Kapern: Was genau geht Ihnen da durch den Kopf?
Schneider: Da geht mir durch den Kopf, dass er bei dem Besuch in Erfurt im Gottesdienst geäußert hat, dass er keine Gastgeschenke mitgebracht habe und dass es zwischen den Kirchen nicht zugehen könne wie zwischen politischen Parteien, und gerade Letzteres ist uns natürlich klar. Das ist eine Sicht der Kirchen der Reformation, die schon verletzend ist.
Kapern: Ist es besonders gravierend, dass solche Dinge ausgesprochen werden, ausgerechnet von einem Papst, der aus Deutschland kommt, also aus dem Heimatland der Reformation?
Schneider: Papst Benedikt kennt natürlich die deutschen Verhältnisse sehr gut und insofern erlangt das auch eine erhöhte Aufmerksamkeit und insofern ist auch die Enttäuschung entsprechend.
Kapern: Was denken Sie, mit welchen Gefühlen denn die protestantischen Gläubigen diesen Papst heute aus dem Amt scheiden sehen werden?
Schneider: Es wird eine Mischung aus Gefühlen sein, so ähnlich wie ich das eben auch ausgedrückt habe: wirklich Respekt und Hochachtung vor der Gelehrsamkeit dieses Menschen, Respekt vor der Klarheit, in der er sein Amt ausgeführt hat. Etwa bei der Aufdeckung der Fälle von sexueller Gewalt in der Weltkirche hat er ja ganz klare und deutliche Positionen bezogen. Das muss man ihm hoch anrechnen.
Und ich glaube, sie werden es auch damit verbinden, dass es ein Papst ist, der eine weitere ökumenische Annäherung eben nicht möglich gemacht hat und der das Zweite Vatikanische Konzil eher, er sagt selber, in einer Hermeneutik der Tradition des Bewahrens auslegt. Wenn man es etwas böse formuliert, könnte man sagen, dass er es vorkonziliar interpretieren möchte.
Kapern: Bleiben wir noch mal bei dem Treffen von Erfurt im Herbst 2011, das Sie eben angesprochen haben. Präses Schneider, was wäre denn eigentlich möglich gewesen an Signal damals? Was wäre an ökumenischer Bewegung möglich gewesen im Verlaufe dieses Pontifikats?
Schneider: Ja es wäre schön gewesen, wenn der Papst das, was ich atmosphärisch persönlich mit ihm erlebt habe, wenn er das umgesetzt hätte auch in Vorschläge für weiteres gemeinsames Leben. Er war nämlich äußerst zugewandt, freundlich und demütig, nicht von oben herab, sondern das war wirklich Brüderlichkeit auf Augenhöhe. Und dann einige Reflexionen darüber, wie unsere Kirchen nun weiter zusammenwachsen können, wie sie auch am Tisch des Herrn zusammenkommen können, das wäre wirklich hilfreich und gut gewesen.
Kapern: Das heißt, Benedikt XVI. agierte Ihnen gegenüber jedenfalls hinter verschlossenen Türen anders als in der Öffentlichkeit?
Schneider: Ja, er agierte auch in öffentlichen Auftritten mir persönlich gegenüber in gleicher Weise herzlich und freundlich. Das kann ich nicht beklagen. Nur die Worte waren schroffer im Gottesdienst als bei unserer Begegnung der Delegationen. Auch das war ja quasi öffentlich, weil die Texte alle veröffentlicht wurden.
Nur es gab eben keine Bilder, denn in dem Treffen der Delegationen hat Papst Benedikt Luther ausgesprochen positiv gewürdigt und auch seine Suche nach Gott, seine Frage nach Gott als etwas bezeichnet, was ihn zutiefst bewegt und was er für ganz wesentlich auch für unsere Zeit hält, und er hat uns auch auf Augenhöhe dort angesprochen. Das hatte eine gewisse Öffentlichkeit, aber eben nicht die Wirkung, die der vom Fernsehen übertragene Gottesdienst hatte.
Kapern: Was, Präses Schneider, würden Sie denn dem nächsten Papst, wenn Sie es könnten, konkret auf den ökumenischen Wunschzettel schreiben?
Schneider: Ich würde ihm auf den Wunschzettel schreiben, dass er das Gespräch mit den Kirchen der Reformation weiter sucht und dass wir gern mit ihm darüber ins Gespräch kommen möchten, dass es beim Abendmahl darum geht, dass Jesus Christus selber einlädt, er ist Gabe und Geber zugleich, und dass wir Wege finden müssen, dass diese Einladung Christi auch alle Gläubigen erreicht.
Kapern: Ihr primäres Ziel ist es also, das gemeinsame Abendmahl zu ermöglichen?
Schneider: Das gemeinsame Abendmahl wäre ein wichtiges Ziel, und wir könnten anfangen damit in den Ehen, die schon konfessionsverbindend leben und in beiden Kirchengemeinden vor Ort zuhause sind.
Kapern: Glauben Sie, dass solche Ziele, wie Sie sie gerade definiert haben, mit einem Papst, der nicht aus Europa kommt, leichter zu erreichen wären als mit einem europäischen Nachfolger?
Schneider: Das ist ganz schwer einzuschätzen. Dass ein Nachfolger, der nicht aus Europa kommt, Verständnis für die deutsche Problematik hat, ist nicht zunächst zu erwarten. Das muss man erläutern. Andererseits kann ein frischer Blick von außen auch weiterhelfen.
Kapern: Präses Schneider, die letzten öffentlichen Auftritte des Papstes haben ja eine enorme Aufmerksamkeit gefunden. Gestern waren noch einmal mehr als 100.000 Menschen auf dem Petersplatz versammelt, heute wird das italienische Fernsehen rund um die Uhr quasi live übertragen. Stehen Sie solchem Rummel eigentlich mit Befremden gegenüber? Fällt das für Sie unter die Überschrift des Personenkults?
Schneider: Befremden ist vielleicht zu stark, aber es rührt mich schon merkwürdig an, weil ich denke, die eigene Person und das eigene Amt darf Christus nicht verdecken.
Kapern: Präses Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, heute Morgen im Deutschlandfunk. Das Gespräch haben wir vor einer halben Stunde aufgezeichnet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.