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Papstbesuch in Deutschland: eine Bilanz

Vier Tage war Papst Benedikt der XVI. zu Besuch in Deutschland. Tausende kamen, um seinen Ansprachen zu lauschen. Ebenso viele boykottierten die Auftritte des katholischen Kirchenoberhaupts. Ihre Kritik: Antworten auf heikle Glaubensfragen der römisch-katholischen Kirche gebe der Pontifex nicht.

Von Friederike Schulz |
    "Sie kommen, Heiliger Vater, in Ihr Heimatland, Sie kommen nach Hause. Und Erzbischof Zollitsch für die Deutsche Bischofskonferenz und Deutschland freuen sich, dass Sie unsere Einladung angenommen haben. Und dass wir Sie in den kommenden Tagen in unserem Land haben. Willkommen zu Hause, Heiliger Vater!"

    Flughafen Berlin-Tegel, am Donnerstagmorgen, kurz nach zehn: Bundespräsident Christian Wulff begrüßt Papst Benedikt XVI. in Deutschland. Ein Besuch, der von großen Erwartungen begleitet wurde und der zur Stunde zu Ende geht. Ein Besuch, in einem Land, in dem im vergangenen Jahr 181.000 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten sind. Ein Land, das einen homosexuellen Außenminister und einen geschiedenen und wiederverheirateten katholischen Bundespräsidenten hat, der nicht mehr die Kommunion empfangen darf. Entsprechend deutlich formulierte Christian Wulff dann auch nach der Begrüßung seine Fragen an die katholische Kirche.

    "Wie barmherzig geht sie mit Brüchen in den Lebensgeschichten von Menschen um? Wie mit den Brüchen in ihrer eigenen Geschichte, und wie mit dem Fehlverhalten von Amtsträgern? Welchen Platz haben Laien neben Priestern, Frauen neben Männern? Was tut die Kirche, um ihre eigene Spaltung in katholisch, evangelisch und orthodox zu überwinden?"

    Mit diesen mahnenden Worten hatte der Bundespräsident gleich zu Beginn das ganze Spektrum der Kritik umrissen, die auch auf den zahlreichen Protestveranstaltungen zum Papstbesuch lautstark geäußert wurde.

    "Der deutsche Papst zum Bruder hat `nen Domspatz, der gern nach Schülern mit `nem Stuhle schmiss. Und dass er Kindesmissbrauch selbst vertuschte, die nackte Wahrheit macht dem Papst jetzt Schiss. Helau, Halleluja ... "

    Mehrere tausend Demonstranten waren es, die sich am Donnerstag in Berlin am Potsdamer Platz versammelt hatten, um gegen den Papstbesuch zu protestieren. Darunter waren auch Missbrauchsopfer katholischer Priester, die ihre Forderungen an den Papst formulierten. Einer von ihnen ist Matthias Katsch, der Sprecher der Selbsthilfegruppe "Eckiger Tisch". Er hatte als erster öffentlich über die Misshandlungen durch einen Jesuitenpater am Berliner Canisius-Colleg gesprochen.

    "Ich fände es wichtig, dass dieser deutsche Papst erklären würde, dass die Kirche, seine Kirche, Verantwortung übernehmen will für das, was von ihren Vertretern getan worden ist. Und zwar meine ich nicht nur die Taten selbst, sondern auch das ganze Drumherum – das Verheimlichen, das Vertuschen und das Zudecken. Und dass er bereit wäre, mit den Betroffenen zusammenzutreffen und zuzuhören, was deren Erwartungen und Hoffnungen sind an so einen Dialog."

    Der mutige Schritt von Matthias Katsch Ende 2009 war der Beginn für den größten Skandal der katholischen Kirche in der Nachkriegszeit. Immer mehr ehemalige Schüler, die missbraucht worden waren, meldeten sich zu Wort. Es folgte eine beispiellose Welle von Austritten und interner Kritik.

    "Im vergangenen Jahr sind so viele Christen wie nie zuvor aus der katholischen Kirche ausgezogen; sie haben der Kirchenleitung ihre Gefolgschaft gekündigt oder haben ihr Glaubensleben privatisiert, um es vor der Institution zu schützen. Die Kirche muss diese Zeichen verstehen und selbst aus verknöcherten Strukturen ausziehen, um neue Lebenskraft und Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen."

    Unter dem Motto "Kirche 2011 – ein notwendiger Aufbruch" veröffentlichten 311 katholische Theologen im Februar dieses Jahres ein kritisches Memorandum zum Zustand ihrer Kirche. Das ging weit über eine Stellungnahme zur mangelnden Aufarbeitung des Missbrauchsskandals hinaus. Auf der Wunschliste standen sämtliche Tabus: Die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften, die Möglichkeit zur Heirat für Priester, die Zulassung von Frauen zum Priesteramt, die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene. Die Theologen schrieben von "Grabesruhe" und "tiefer Krise". Die Deutsche Bischofskonferenz reagierte und initiierte einen Dialogprozess, dessen Aufgabe ihr Vorsitzender, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, so formulierte:

    "Viele Fragen treiben uns um: Wo stehen wir? Wofür stehen wir? Wohin gehen wir? Wir wollen darüber noch mehr ins Gespräch kommen, uns gegenseitig zuhören und von dem erzählen, was uns bewegt, was uns die Zuversicht nimmt, was uns Kraft gibt und Hoffnung schenkt."

    Ein erstes Treffen fand im Juli in Mannheim statt, das Motto "im Heute glauben". Der traurige Anlass des Missbrauchsskandals sollte genutzt werden, um wieder mehr miteinander über die Zukunft der Kirche zu sprechen. 300 Delegierte waren dafür von Gemeinden, Verbänden und Bistümern ausgewählt worden. Doch die wirklichen Konfliktthemen wie Pflichtzölibat, Weiheämter für Frauen oder der Sakramentenempfang wiederverheirateter Geschiedener waren gar nicht erst zur Diskussion zugelassen, wie das Netzwerk "Wir sind Kirche" beklagte. Die Begründung der Bischöfe: Dafür könne es keine deutsche "Sonderlösung" geben, sondern nur eine weltkirchliche Regelung. Trotzdem wertete der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Alois Glück, als Vertreter der Laien das Treffen als einen ersten wichtigen Schritt.

    "Ich bin sehr, sehr froh über diesen Start. Es ist für mich doch auch überraschend, wie weitgehend übereinstimmend die Situationsanalysen sind, die Beurteilungen sind und auch die Schlussfolgerungen im Hinblick auf notwendige Veränderungen."

    Der Dialogprozess ist insgesamt auf fünf Jahre angelegt – auf ihrer Herbstkonferenz wollen die deutschen Bischöfe über das weitere Vorgehen beraten. Anja Middelbeck-Varwick, Professorin für katholische Theologie an der Freien Universität Berlin und Mitunterzeichnerin des Memorandums Kirche 2011, freut sich über die Gesprächsbereitschaft. Vor allem bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals erkennt sie ein echtes Umdenken. Dies habe jetzt auch das Treffen des Papstes mit Betroffenen am Freitag in Erfurt gezeigt.

    "Ich denke, das ist auf jeden Fall eine gute Geste. Ich denke auch, dass es insgesamt angekommen ist, dass man sich diesem Thema zu stellen hat. Ich denke, dass man sich dessen bewusst ist, nicht nur seitens der deutschen Kirche, sondern auch seitens des Vatikans. Ich denke, insbesondere die Deutsche Bischofskonferenz hat hier vieles veranlasst. Es sind Kommissionen eingesetzt worden, es sind Kommissionen beauftragt worden, es sind Studien veranlasst worden. Ob das im Einzelfall immer jedem gerecht wird und ob Entschädigungszahlungen überhaupt so etwas wettmachen können? Das sind andere Fragen, die damit sicher auch im Zusammenhang stehen."

    Den Sprechern der Betroffenenverbände reicht das inoffizielle Treffen mit fünf ausgewählten Missbrauchsopfern hinter Klostermauern nicht. Sie kritisierten, der Vatikan habe bewusst nur Gesprächspartner eingeladen, die sich zuvor nicht in den Medien geäußert hätten. Zudem sei das Treffen im Vorfeld geheim gehalten worden und habe unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden.

    Der Begeisterung der mehreren tausend Gläubigen auf dem Erfurter Domplatz tat die Kontroverse keinen Abbruch. Sie feierten mit dem Papst die Messe und freuten sich über den Besuch des Kirchenoberhaupts in einer Stadt, die als Wiege des Protestantismus gilt.

    ""Ich habe mir schon lange gewünscht, daran teilzunehmen. Ich denke, in der eigenen Heimatstadt ist das schon ein Muss. Ein schönes Ereignis für die ganzen Gläubigen hier."

    Im Augustinerkloster Erfurt lebte einst Martin Luther, bevor er nach Wittenberg aufbrach. Ausgerechnet dort hat der Papst nun Vertreter der Evangelischen Kirche zum Dialog und zu einem gemeinsamen Gottesdienst getroffen. – Eine Geste, die im Vorfeld Hoffnungen auf eine Annäherung der beiden christlichen Kirchen geweckt hatte. Ins Gespräch kam man dann auch – rund eine halbe Stunde dauerte der Austausch mit der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland im Kapitelsaal. Beim gemeinsamen Wortgottesdienst machte der Papst allerdings deutlich, dass er die Hoffnung auf eine rasche inhaltliche Annäherung beider Kirchen nicht erfüllen werde.

    "Im Vorfeld meines Besuches war verschiedentlich von einem ökumenischen Gastgeschenk die Rede, das man sich von einem solchen Besuch erwartet. Dazu möchte ich sagen, dass dies ein politisches Missverständnis des Glaubens und der Ökumene darstellt. Wenn ein Staatsoberhaupt ein befreundetes Land besucht, gehen im Allgemeinen Kontakte zwischen den Instanzen voraus, die den Abschluss eines oder auch mehrerer Verträge zwischen den beiden vorbereiten. In der Abwägung zwischen beiden entsteht der Kompromiss, der schließlich für beide Seiten vorteilhaft erscheint, sodass dann das Vertragswerk unterschrieben werden kann. Aber der Glaube der Christen beruht nicht auf einer Abwägung unserer Vor- und Nachteile. Ein selbst gemachter Glaube ist wertlos."

    Dennoch: Die Vertreter der Evangelischen Kirche sind zufrieden mit dem gemeinsamen Gottesdienst und dem Gespräch. Sie loben vor allem die offene Atmosphäre. Ein erster Schritt in Richtung Ökumene sei gemacht, sagt die Vorsitzende der Synode der EKD, Katrin Göring-Eckardt:

    "Der Papst hat in seiner Ansprache dort ausdrücklich Martin Luther gewürdigt, er hat das ganze Wirken Luthers gewürdigt, also auch das des Reformationstheologen. Wir haben darüber gesprochen, Nikolaus Schneider hat das angesprochen, dass wir das Jahr 2017 gern gemeinsam vorbereiten wollen, also auch ökumenisch vorbereiten wollen. Darauf hat der Papst jetzt erstmal allgemein positiv reagiert. Insofern glaube ich auch, dass wir da tatsächlich einen gemeinsamen Weg beschreiten können. Allerdings ist es nicht so, dass es damit erledigt wäre, sondern eigentlich liegt die Arbeit da vor uns."

    Bei den konkreten Forderungen der protestantischen Seite kann auch sie allerdings keine Fortschritte erkennen: Vor allem hätte sie sich ein Signal in Richtung gemeinsamer Abendmahlfeiern von Ehepartnern unterschiedlicher Konfession gewünscht. Dabei verweist Katrin Göring-Eckardt auf den Alltag in den Gemeinden, in denen oft schon praktisch viel mehr Ökumene gelebt werde als offiziell zugestanden wird. Allein der Blick auf die Mitgliederzahlen beider Kirchen reicht nach Einschätzung der Vorsitzenden der EKD-Synode aus, um sich für ein engeres Miteinander stark zu machen. In Ostdeutschland gehören gerade noch insgesamt 25 Prozent der Bevölkerung einer der beiden Glaubensrichtungen an.

    "Da liegt viel vor uns, und ich habe da auch Hoffnung, aber ich bin weder zufrieden noch sage ich: Das wird auf jeden Fall funktionieren. Und ich glaube, dass wir in der Tat aus den Gemeinden eine ganz hohe Erwartung haben. Das ist auch in den Reaktionen deutlich geworden, die es auf dieses Gespräch gegeben hat. Einerseits Enttäuschung, andererseits wirklich viele Anstöße, jetzt tatsächlich miteinander ins Gespräch zu kommen und nicht nachzulassen. Gerade auch von vielen katholischen Gläubigen ist mir das auch ganz persönlich gesagt worden."

    Einen echten Erfolg konnte das Oberhaupt der katholischen Kirche dagegen im Dialog mit Vertretern der Muslime in Deutschland erzielen. Die waren nach dessen Regensburger Rede vor fünf Jahren verärgert – Benedikt XVI. hatte den byzantinischen Kaiser Manuel II. zitiert, der erklärt hatte, Mohammed habe nichts Gutes in die Welt gebracht. In Berlin äußerte sich der Papst nun lobend über die Integrationsbemühungen der Muslime und lobte ausdrücklich die Ausbildung von Imamen an der Universität Münster. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, war sichtlich begeistert und erklärte nach dem Treffen, die Rede von damals spiele keine Rolle mehr.

    "Ich habe für mich mitgenommen eine Inspiration, einen neuen Schub für den interreligiösen Dialog, für das Gespräch zwischen Christen und Muslimen. Das ist auch so empfunden worden bei den anwesenden Bischöfen. Überhaupt war das eine Atmosphäre, in der wir sagen können, jetzt können wir wieder eine neue Seite, eine gute Seite aufschlagen hier in Deutschland."

    Ähnlich zufrieden war der Zentralrat der Juden, mit dessen Vertretern der Papst ebenfalls in Berlin zusammentraf. Auch aus dieser Richtung hatte es zuvor Kritik gegeben – vor allem als der Pontifex die Exkommunikation des Pius-Bruders Richard Williams aufgehoben hatte. Eine Karfreitagsfürbitte, die als Gebet für die Konvertierung der Juden interpretiert wurde, hatte für weitere Irritationen gesorgt. In Berlin stellte der Papst die gemeinsame jüdisch-christliche Tradition in den Vordergrund. Dieter Graumann, der Vorsitzende des Zentralrats, dankte ihm für die Absage an die Judenmission und hält das Thema damit auch für erledigt.

    "Herr gib uns Frieden, Benedikt fort mit Dir!"

    Vor allem in Berlin machten die Gegner des Papstbesuchs ihrem Unmut Luft.

    Hauptkritikpunkte auf den Transparenten und Flugblättern: die Absage an gleichgeschlechtliche Partnerschaften und das Kondomverbot. Zu diesen Themen gab es wie zu erwarten keinen Kommentar von Seiten des Pontifex. Ebenso wenig gab es ein Signal zur Zulassung von Frauen für das Priesteramt oder in Richtung wiederverheirateter Geschiedener, wie es sich Bundespräsident Wulff und auch die Autoren des kritischen Memorandums "Kirche 2011" gewünscht hatten. Im Vorfeld des Besuchs hatte Professor Hans-Joachim Höhn, einer der Mitunterzeichner, im Deutschlandfunk noch einmal an die Einsicht Roms appelliert.

    "Wir haben in den letzten Tagen erlebt, dass ein sehr brennendes Thema wie etwa die Position von wiederverheirateten Geschiedenen in der katholischen Kirche durchaus wahrgenommen wird an der Spitze der Bischofskonferenz, und in keiner Weise wurde ja damit impliziert, dass da an der Unauflöslichkeit der Ehe gerüttelt wird. Sondern es geht um die Frage, wie man Menschen in einer Situation Barmherzigkeit schenken kann, die nicht ihr Versprechen gebrochen haben, sondern denen es schicksalhaft zerbrochen ist, unter den Händen kaputt gegangen ist, darum geht es."

    Solche Themen werden in Rom durchaus angesprochen, versichert dagegen Heiner Koch, Weihbischof im Erzbistum Köln. Auch auf Bischofssynoden hätte er schon mit Kollegen darüber diskutiert – ebenso wie über den Zölibat.

    "Es wird nicht auf die lange Bank geschoben, das Problem ist: Es sind andere Entscheidungen gefällt worden. Das ist der Punkt, an dem viele sagen: Das kann nicht sein. Aber dass das nicht diskutiert wird und nicht wahrgenommen wird und die unterschiedlichen Sichtweisen gekannt werden – das Memorandum hat ja im Grunde keine neuen Themen aufgebracht und auch keine neuen Argumentationen – das kann man zweifelsohne nicht sagen."

    Während am Potsdamer Platz die Demonstranten lautstark seinen Rücktritt forderten, hielt der Papst am Donnerstag im Bundestag auf Einladung der Abgeordneten seine Rede – eine Rede, über die schon Tage vorher vernehmlich gestritten worden war.

    "Er kann `ne Messe halten, auf'm Rasen irgendwo, in der Kirche oder meinetwegen auch im Olympiastadion, aber dass er im Deutschen Bundestag feierlich eine Rede hält als Heiliger Vater, das halte ich nicht für richtig. Er ist das geistliche Oberhaupt einer Kirche, die Trennung von Kirche und Staat ist eine der Grundlagen unserer verfassungsmäßigen Ordnung",

    meinte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. Etwa 80 Abgeordnete hatten erklärt, der Rede fernbleiben zu wollen, was wiederum für Diskussionen gesorgt hatte. Über den möglichen Inhalt war ebenfalls viel geredet worden: Volker Kauder von der CDU erhoffte sich Worte zur Ökumene und zur Rolle der Religion in Deutschland. Claudia Roth von den Grünen Anstöße zum Thema Armutsbekämpfung. Nichts von alledem wurde erfüllt. Stattdessen sprach Benedikt XVI. über die Grundlagen des Rechts und redete den Politikern ins Gewissen. Die wichtigste Aufgabe der Politik sei das Bemühen um Gerechtigkeit, betonte der Papst.

    "Natürlich wird ein Politiker den Erfolg suchen, ohne den er überhaupt nicht die Möglichkeit politischer Gestaltung hätte. Aber der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet."

    Die Reaktionen waren im Anschluss überraschend einhellig positiv. Nur Gregor Gysi von der Linken meinte, er hätte sich einen Kommentar zur zunehmenden Armut in der Welt und einen Appell für den Frieden gewünscht. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte dagegen, es sei eine Rede zum Hinhören gewesen mit vielen Botschaften zwischen den Zeilen – Lob kam auch von der FDP. Vor allem die Grünen waren zufrieden – schließlich hatte der Papst die Ökobewegung in Deutschland gewürdigt, meinte Katrin Göring-Eckardt, die Vizepräsidentin des Bundestags.

    "Natürlich, wenn man sich vorher vorgestellt hat, es werde viel über Europa geredet, dann hätte er vielleicht mehr über die europäische Krise, über die Wirtschaftskrise sprechen können, vielleicht auch über die Flüchtlingspolitik, also Sachen, die uns ganz aktuell unter den Nägeln brennen. Aber da hat er eine andere Entscheidung getroffen. Man kann sich ja auch nicht eine Rede bestellen, das ist ja absurd, wenn man einen Gast einlädt. Insofern würde ich schon sagen: Das ist was sehr Positives gewesen für den deutschen Bundestag."

    Nach der Messe auf dem Freiburger Flugplatz und dem Treffen mit den Bundesverfassungsrichtern reist der Papst in diesen Minuten zurück nach Rom – ein Besuch mit vielen Begegnungen und zufriedenen Gesprächspartnern. Mit den wirklich Unzufriedenen hat Benedikt XVI. allerdings auch bewusst nicht gesprochen. Ein Großteil der Themen, die sich der Bundespräsident zu Beginn gewünscht hatte, wurde nicht diskutiert. Eine Antwort auf die seit Jahrzehnten heiklen Glaubensfragen der römisch-katholischen Kirche hatte aber wohl auch Christian Wulff nicht wirklich erwartet.


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