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Paradise Papers
"Steuervermeidung ist etwas völlig Normales"

Geschäfte so zu gestalten, dass ein Unternehmen möglichst wenig Steuern zahlt, sei allzu menschlich, sagte der Steueranwalt Thomas Wenzler im Dlf. Derjenige, der Regeln nutze, um Steuern zu vermeiden, halte sich im rechtlichen Rahmen. Wer die Regeln breche, sei ein Straftäter.

Thomas Wenzler im Gespräch mit Sina Fröhndrich |
    Strand auf den Cayman Islands
    Die Cayman-Islands gelten nicht nur als beliebtes Urlaubsziel sondern auch als Steueroase. Für Unternehmen sei Steueroptimierung aber ganz normal, sagt Steueranwalt Thomas Wenzler. (dpa / Maxppp / Kyodo)
    Sina Fröhndrich: Die Paradise Papers machen mal wieder konkret, wie auf Teufel komm raus Steuern vermieden werden. Legal. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Steueranwälte, mit einem habe ich gesprochen, Thomas Wenzler, er selbst hilft nicht bei der Steuervermeidung, aber er verteidigt Steuerhinterzieher. Herr Wenzler, bei Apple, Hamilton und Co handelt es sich um Steuervermeidung, also eigentlich nichts Illegales, ist das denn im Umkehrschluss ehrlicher als Steuerhinterziehung - also die Fälle bei denen ermittelt und auch verurteilt wird?
    Thomas Wenzler: Steuervermeidung ist etwas völlig Normales. Das ist nicht eigentlich legal; das ist legal. Es ist auch allzu menschlich, dass ich natürlich gucke, dass ich mein Unternehmen, meine Geschäfte so gestalte, dass möglichst wenig Steuern anfallen. Der, der Steuern hinterzieht, indem er die Regeln bricht, der ist ein Straftäter, und derjenige, der die Regeln nutzt, um Steuern zu vermeiden, der tut sich selbst was Gutes, aber er hält sich im rechtlichen Rahmen.
    Höhere Steuern führen zu steigenden Produktpreisen
    Fröhndrich: Jetzt könnte man aber ja moralisch sagen, dass gerade große Konzerne oder auch reichere Personen, die über ziemlich viel Geld verfügen, dass es ja eigentlich moralisch nur in Ordnung wäre, wenn sie auch einen großen Batzen davon an die Gemeinschaft zurückgeben.
    Wenzler: Da habe ich Schwierigkeiten mit dieser Argumentation. Da bin ich ehrlich. Bei Unternehmen ist es ja häufig so, gerade bei den ganz großen: Das sind dann Aktiengesellschaften. Die haben ganz viele Aktionäre. Wenn die ganz viel Steuern zahlen, kriegen die Aktionäre, die sich am Unternehmen beteiligt haben, weniger raus.
    Fröhndrich: Wobei wir in Deutschland jetzt nicht so eine verbreitete Aktienkultur haben und häufig ausländische Investoren Aktien halten.
    Wenzler: Gut. Aber das ist nun mal in einer globalisierten Welt so und das kann man den ausländischen Investoren ja nicht vorwerfen, wenn die Deutschen keine Aktien kaufen.
    Im Übrigen muss man ja auch eins sehen: Die Steuern, die ein Unternehmen zahlt, die werden ja auch bei der Preisbildung für ein Produkt berücksichtigt. Sind die Steuern höher oder muss das Unternehmen mehr Steuern zahlen, wird aller Voraussicht nach auch der Preis fürs Produkt steigen.
    "Gestaltungsberatung ist ein großer Geschäftszweig"
    Fröhndrich: Das heißt, wenn jetzt auf EU-Ebene darüber gesprochen wird, diesen Steuerwettbewerb zu begrenzen oder gegen Steuervermeidung in großem Ausmaß vorzugehen, das wäre gar nicht nötig? Oder sehen Sie da schon doch auch Handlungsbedarf?
    Wenzler: Natürlich ist es sinnvoll, wenn wir auf der EU-Ebene zu einer Vereinheitlichung der Regeln kommen und beispielsweise dahin kommen, dass da, wo die Leistung erbracht wird, oder das Produkt verkauft wird, auch die Steuern gezahlt werden müssen. Das ist natürlich sinnvoll. Aber das wird schwierig, weil jedes Land hat erst mal sein eigenes Steuerrecht und seine eigenen Vorstellungen. Und es wird schwierig sein, Irland zu sagen, das und das und das, das darfst Du alles nicht mehr.
    Fröhndrich: Jetzt werden da ja auch Steueranwälte genannt, die den Unternehmen helfen, Steuern zu vermeiden. Bringt das Ihre Zunft – Sie sind selber Steueranwalt – ein bisschen in Verruf?
    Wenzler: Ich sehe nicht, dass das die Leute in Verruf bringt. Das ist ein ganz übliches Geschäft. Gestaltungsberatung ist ein großer Geschäftszweig. Und was die Leute hier tun, meine Kollegen: Die nutzen die Regeln halt, wie sie sind, und sagen, auf dem Weg sind die Steuern halt nur so hoch, und wenn Du diesen anderen Weg gehst, sind sie viel höher.
    "Steuerhinterziehung, das ist ein Volkssport"
    Fröhndrich: Sie selbst haben sich aber dagegen entschieden, bei der Steuergestaltung mitzumachen.
    Wenzler: Nein, nicht dagegen entschieden. Ich habe mich bewusst für etwas anderes entschieden, weil mir das einfach mehr Freude bereitet. Für eine Gestaltungsberatung brauchen Sie auch erheblich mehr Manpower als eine Einzelkanzlei.
    Fröhndrich: Jetzt haben Sie auch mit Steuerhinterziehern immer mal wieder zu tun, vertreten die. Welchen Effekt haben denn solche Enthüllungen auf den kleinen Steuerzahler? Leidet die Moral?
    Wenzler: Gibt es eine Steuermoral? Das frage ich jetzt mal etwas überspitzt. Denn ich kann Ihnen aus meiner Praxis heraus sagen: Die Großen hinterziehen größere Summen und die Kleinen hinterziehen kleinere Summen. Ich habe das auch schon vor Jahren mal gesagt: Steuerhinterziehung, das ist ein Volkssport. Und wenn Sie schon mit den Kilometern zwischen Wohnung und Arbeitsplatz schummeln, 15 statt 10. Das wird oft gar nicht verfolgt, weil es nicht auffällt, und wenn es mal auffällt, wird es mit so gut wie keiner Sanktion belegt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.