"Im Slalom geht es ganz schnell, da sagt er ´und hopp` und ich sag ´ja hab, hab`, also da geht´s dauerhaft, da hat man eigentlich kaum Zeit mehr zu sagen, außer vielleicht mal ´und Eis und Kuppe`, aber viel mehr geht da nicht."
Schnelle Ansagen, darauf muss sich die sehbehinderte Noemi Ristau verlassen, wenn sie mit fast 80 km/h die Piste hinunter düst. Direkt vor ihr: Guide Lucien Gerkau. Er ist ehemaliger Skirennfahrer und gewann letztes Jahr mit der Sportlerin eine Bronzemedaille bei der WM. Ristau hat seit einer Augenkrankheit mit 14 nur noch 2% ihrer Sehfähigkeit.
"Man muss auf jeden Fall mutig und verrückt sein, um das zu machen."
Wenn sie die Tore mit hoher Geschwindigkeit umfährt, ist sie auf ihren Guide angewiesen. Vertrauen ist also das A und O. Aber der Begleitläufer ist weit mehr als nur ein ‚Vorfahrer‘.
"Wenn ich mal ‘nen Fehler mache oder ich hinfalle, was auch schon passiert ist, dann haben wir verloren und wenn die Noemi halt ‘nen Bock schießt, dann haben wir auch verloren, also es muss schon bei uns beiden gut laufen."
Profi-Para-Sport im Sehbehindertenbereich ist also vor allem eins: Teamsache. Nur fair also, dass auch die Guides behandelt werden, wie alle anderen Athleten des paralympischen Teams. Konkret - auch sie stehen immer für Dopingkontrollen bereit und bekommen eine Medaille und die entsprechende Prämie ausgezahlt. Bei den Paralympics ist die genauso hoch, wie bei den Olympischen Spielen auch.
Drei Stunden Training pro Tag
Und doch: "Das Begleitläuferdasein ist ´nen Ehrenamt, da gibt´s dann nur ´ne Aufwandsentschädigung, also da gehört dann schon auch viel Idealismus dazu."
Sagt Lutz Klausmann, er ist Begleitläufer von Nico Messinger und studiert noch. Unterstützung bekommt er von der deutschen Sporthilfe. Die macht in ihrer Förderung keinen Unterschied zwischen Athleten und ihren Begleitläufern - was der Athlet bekommt, bekommt der Guide auch. In den letzten zwölf Monaten vor Pyeongchang waren das im Schnitt rund 535 Euro im Monat. Als Student hat Klausmann es in gewisser Weise leichter als andere Begleitläufer, die voll im Berufsleben stehen. Er schreibt gerade seine Masterarbeit und hat keine Anwesenheitspflicht. Seit einem Jahr haben der Student und Nico Messinger fast drei Stunden täglich trainiert, um sich auf ihre ersten Paralympics vorzubereiten. Klausmann zog dafür extra aus München zurück nach Freiburg, wo der paralympische Ski Nordisch Stützpunkt ist. Vor allem an der Gleichstellung mit dem Nichtbehinderten-Sport müsse noch gearbeitet werden, denn:
"Es werden dieselben Leistungen gefordert und gerade der Fernsehzuschauer will auch die Deutschen vorne sehen und da sind die Osteuropäer vor allem denk ich ein Stück weit voraus, das sind auch im Behindertensport alles Berufssportler und da wird einfach viel mehr Geld zur Verfügung gestellt."
Es mangelt an Sponsoren und fitten Begleitern
Sechs sehbehinderte Athleten und ihre Guides sind derzeit im deutschen Kader, sowohl im Winter- als auch im Sommersport. Es mangelt an Sponsoren. Eine vielleicht noch größere Schwierigkeit: Einen Guide zu finden, der auf diesem Niveau mitlaufen kann. Schließlich muss "der Begleitläufer für blinde Athleten richtig fit sein, weil der tatsächlich selber für den Athlet guckt, für sich selber guckt, reden muss, vielleicht so laut brüllen, dass er andere Begleitläufer noch überbrüllen kann oder die Zuschauer im Stadion, also das muss schon ´nen richtig fitter, multitasking-fähiger Begleitläufer sein."
Sagt Verena Bentele, sie ist Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und 12-fache Paralympics-Siegerin. Wenn ein Para-Athlet im Leistungssportbereich einen Guide sucht, wird der Deutsche Behindertensportverband aktiv. Er spricht oft gezielt Athleten an, die am Ende ihrer eigenen Profisport-Laufbahn stehen, aber den hohen Anforderungen noch gerecht werden können.
Die Vermittlung von Guide und Sportler verläuft aber informell, eine offizielle Plattform, für blinde Athletinnen und Athleten und Begleitläufer gibt es nicht. Vor allem im Freizeit- und Breitensport sind es daher oft Familienmitglieder oder Freunde, die sehbehinderte Sportler begleiten.
Ein Problem: Die Wahrnehmung. Viele nichtbehinderte Sportlerinnen und Sportler wüssten gar nicht, wie und dass man Guide werden könnte. Lutz Klausmann kann die Tätigkeit jedem empfehlen:
"Weil´s einfach mega Spaß macht, weil man den Sport, den man mag, weiterhin ausüben kann, weil man, wenn es gut läuft, in der Welt rumkommt und das einfach ´ne ganz tolle, große Familie ist."