Klaas Reese: Frau Schaffelhuber, es sind mittlerweile Ihre dritten Paralympischen Winterspiele nach Vancouver und Sotschi. Wenn Sie die drei jetzt vergleichen: Wie fallen die Vor- und Nachteile der Spiele in Pyeongchang aus?
Anna Schaffelhuber: Es waren alles drei sehr unterschiedliche Spiele und ich tue mich sehr schwer, die zu vergleichen. Ich glaube zum einen ist für mich die Ausgangsposition vor allen Spielen ein bisschen anders gewesen. Klar, Vancouver waren meine ersten Spiele, da ist alles irgendwie ganz neu und groß. Russland – da finde ich persönlich, dass es sehr gut organisiert war und einfach auch, ja, das ist für mich so geprägt von Zuschauermassen. Und klar, das waren meine überragenden Spiele. Das glaube ich war natürlich das ganz große Highlight. Das ist einfach hier jetzt in Korea schon wieder eine ganz andere Kultur und da tue ich mich wirklich sehr schwer die zu vergleichen, weil einfach alle Spiele sehr eigen waren.
Reese: Und wie fällt Ihre sportliche persönliche Bilanz aus für diese Spiele?
Schaffelhuber: Ehrlich gesagt bin ich megamäßig zufrieden, wie es jetzt hier gelaufen ist. Ich hab mittlerweile zwei goldene und eine Silbermedaille, das ist wirklich total cool. Und ich glaube, es kann sich ja kein Mensch wirklich vorstellen, wie krass für mich die vier Jahre von Sotschi bis hierher waren. Ich sag eigentlich immer, es ist extrem schwer nach ganz vorn zu fahren, aber es ist einfach hundertmal schwieriger, da ganz vorn zu bleiben. Und ich hatte wirklich vier wunderschöne Jahre bis hierher, aber auch extrem viel Druck, der auf mir lag und dass ich das nochmal geschafft habe, dass ich einfach wieder nach ganz vorn gefahren bin und diesem Druck Stand gehalten habe - das ist für mich wirklich ein ganz besonderer Sieg und von daher bin ich echt total glücklich.
"Es lastet extrem viel auf einem"
Reese: Sie haben gesagt dass Sie nach Ihrer ersten Goldmedaille befreit waren. Druck ist dieser Tage auch in Deutschland ein großes Thema nach den Aussagen von Per Mertesacker. Wie haben Sie denn den Druck von außen und den, den Sie sich selber gemacht haben, erlebt?
Schaffelhuber: Ja, ich glaube ich habe vor den Spielen für mich selber einen ganz guten Weg gefunden, wie ich mir das selbst mehr oder weniger schönreden konnte. Und zwar hab ich mir gesagt, na gut, ich hab ja im Endeffekt schon alle Medaillen zu Hause und die nimmt mir keiner mehr. Aber man merkt es einfach, dass das ganze Umfeld schon irgendwie erwartet, dass du jetzt wieder nach ganz vorn fährst und wieder Gold holst. Und mit Sotschi haben einfach sehr viele die Goldmedaille von mir als Selbstläufer gesehen und das ist sie einfach absolut nicht. Das ist schon ein ganz krasses Ding. Das ist sehr schwer zu beschreiben. Aber das lastet dann doch schon extrem viel auf einem.
Reese: In der Abfahrt waren in Ihrer Klasse zum Beispiel nur sieben Starterinnen dabei, vier kamen ins Ziel. In der Kombination sind von sieben auch nur vier ins Ziel gekommen. Ärgert es Sie eigentlich manchmal, dass nur so wenige Konkurrentinnen mit ihnen am Start sind?
Schaffelhuber: Ja, natürlich wäre es schön, wenn es noch deutlich mehr wären, wenn die Breite vielmehr hier ist. Auf der anderen Seite ist einfach das Leistungsniveau aber sehr hoch. Wenn ich das vergleiche mit den Männerzeiten - ich meine, ich kann zum Beispiel bei den Männerzeiten mitfahren – da sage ich dann: Die Leistung ist da und nicht so, dass du sagst du fährst zu fünft und es können nur zwei gewinnen. So ist es überhaupt nicht. Von daher wäre es natürlich für die Breite und für die Zukunft schön, wenn es noch mehr sind, aber ich glaube das tut der Leistung trotzdem keinen Abbruch.
Absolut vergleichbar mit olympischem Sport
Reese: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat ja auch gesagt, dass er sich für diese Leistung mehr Aufmerksamkeit für den Para-Sport gewünscht hätte und auch für die Zukunft wünscht und zwar dieselbe wie für die Sportlerinnen und Sportler bei Olympischen Spielen. Wie erleben Sie diese Tage in Pyeongchang - ist das Interesse an ihrem Sport groß genug?
Schaffelhuber: Ja ich denke schon, dass es die nächsten Jahre und in Zukunft definitiv noch mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Wie man sieht, ist die Leistung einfach sehr hoch und ähnlich bis absolut vergleichbar mit dem Nichtbehinderten-Leistungssport. Von daher denke ich, dass in der nächsten diese Aufmerksamkeit noch mehr da sein sollte. Hier jetzt in Pyeongchang bin ich tatsächlich eher überrascht gewesen, vor allem von unserem Speed-Wochenende. Da war die Tribüne wirklich so gut wie voll, das ist wirklich cool. Aber ich glaube der Bundespräsident hat da vor allem auch die Strukturen und auch das Umfeld in Deutschland gemeint. Und ich glaube, dass da definitiv schon ein Schritt in die richtige Richtung gegangen worden ist. Aber da kann man auch noch ein bisschen mehr tun.
Reese: Sonntag sind die Paralympics dann ja vorbei, dann wird auch die Aufmerksamkeit in den Medien für den paralympischen Wintersport bis zu den nächsten Paralympics wieder deutlich absinken wahrscheinlich. Was muss denn getan werden und was können auch Sie als Sportlerin tun, damit es mehr Aufmerksamkeit für ihren Sport gibt?
Schaffelhuber: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass du einfach voran gehst, dass du einfach jede Möglichkeit nutzt, die sich dir bietet. Ich habe immer gesagt, vor allem nach Sotschi, wenn ich irgendwo bin, egal ob es eine Talksendung ist oder woanders, dann ist da genauso der Sport präsent. Das ist meiner Meinung nach einfach sehr wichtig, um das irgendwo nach außen und in die Gesellschaft zu tragen. Ich glaube, dass es ich da schon ziemlich an dem bin, was man eigentlich machen kann, indem man wirklich rausgeht und den Sport in die Gesellschaft bringt. Und dann denke ich sind aber auch die die Medien gefordert, dass sie dem aber auch eine Anerkennung beimessen und auch mehr kommen und davon berichten.
Reese: Am Sonntag sind die Paralympics vorbei. Was haben Sie sich bis dahin noch vorgenommen?
Schaffelhuber: Ich habe jetzt noch den Slalom, der ist jetzt am Sonntag. Und da will ich natürlich alles zeigen und einfach noch einmal ein richtig gutes Rennen machen. Und dann glaube ich, dass ich auf jeden Fall heute schon sagen kann, dass ich zufrieden heimfliege.
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