Paralympics
Para-Sprinterin Irmgard Bensusan: Auf Kurs Richtung Paris

Ende August beginnen die Paralympics in Paris. Der Wettkampf in Leverkusen war die letzte Chance für die Para-Leichtathleten, die Qualifikation zu schaffen. Für Para-Sprinterin Irmgard Bensusan ist es vor allem ein Test, ob sie konkurrenzfähig ist.

Von Sabine Lerche |
Para-Sprinterin Irmgard Bensusan in Aktion bei den einem Wettkampf in Leverkusen.
Sprinterin Irmgard Bensusan zählt zu den Top-Para-Leichtathleten der Welt. Bei den Paralympics in Paris strebt sie die nächste Medaille an. (Oliver Heuser / TSV Bayer 04 Leverkusen)
Para-Sprinterin Irmgard Bensusan ist eine der ersten Läuferinnen, die zum Startbereich kommen. Sie schaut konzentriert. Blick auf die Uhr, Schluck aus der Trinkflasche. Sie ist früh dran, noch sind die 100 m-Sprints der Männer.
Der Leichtathletik-Wettkampf in Leverkusen ist der letzte vor den Paralympics Ende August, bei dem die Para-Athlet*innen noch die Qualifikationszeit für die Spiele schaffen können. Die Fritz-Jacobi-Anlage in Leverkusen Manfort ist kein großes Stadion. Die Atmosphäre wirkt familiär, auf der Tribüne ist wenig los, dafür umso mehr auf der Gegengeraden, wo die Zuschauer ganz nah an der Bande neben den Sprintern stehen und anfeuern.

Pflichtwettkampf für deutsche Mannschaft

Irmgard Bensusan hat ihre Qualifikationsleistungen über 100 m und 200 m schon geschafft. Für sie geht es in Leverkusen um Leistungskontrolle:
„Das ist halt ein Pflichtwettkampf für die deutsche Mannschaft, wenn man nominiert sein will. Und klar, das ist nicht so, dass man was gewinnt, sondern das ist einfach, damit wir unsere beste Zeit laufen und das Beste rausnehmen kann, was man kann.“

Mentale Vorbereitung auf den Lauf und Beten

Sie tigert angespannt um die Hochsprungmatte, setzt sich, steht wieder auf, macht ein paar schnelle Sprintschritte.
„Ja, ich mache so kleine Sprünge vor dem Start. Ich versuche, meinen Lauf vor dem Lauf in meinem Kopf durchzulaufen. Auch vor den 200 versuche ich die Kurve zu laufen wirklich in meinem Kopf. Und klar, ich versuche auch Abläufe zu machen und so kleine Skippings, das ist alles, um mich warm zu behalten.“
Und Bensusan hat noch ein Ritual: Sie betet an Wettkampftagen: „Das ist mir auch sehr wichtig, weil ich mach das abends oder morgens vor meinem Lauf und dann, wenn ich mich warmmache. Und direkt, bevor ich ins Stadion gehe, sage ich so zwei, drei Sätze. Dann sag ich: Die und die und die – hilf mir!“
Bensusan ist im ersten 100 m-Lauf der Frauen, Startbahn drei. Mit einem pinken Maßband stellt sie ihren Startblock ein. Einmal testen, dann noch ein paar letzte Hinweise von ihrem Trainer Erik Schneider. Bensusan klatscht sich mit den Händen auf die Wangen, trommelt sich mit der Faust auf die Brust, schüttelt die Beine aus.

"Auf dem richtigen Weg nach Paris"

Sitzt die Orthese? Bensusan hat eine Teillähmung im rechten Unterschenkel. Ohne Orthese, eine Beinschiene zur Stabilisierung und Unterstützung, schlappt ihr Fuß nur mit. Sie zieht die Klettverschlüsse nochmal fest.
Bensusan kommt als Vierte ins Ziel. 13,09 Sekunden zeigt die Uhr. Später im zweiten Lauf kann sie sich sogar nochmal steigern: 12,68 Sekunden – aber der Rückenwind hat ordentlich angeschoben.
„Auch wenn der Wind zu viel war, war es trotzdem eine gute Zeit für mich, weil es so bedeutet, was ich laufen kann und wo ich jetzt bin, dass wir auf dem richtigen Weg sind, auf dem Weg nach Paris.“

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Leistungsdruck vor Paris wächst
Obwohl Bensusan mit mehreren WM- und Paralympics-Medaillen eine erfahrene Athletin ist, merkt auch sie den Leistungsdruck jetzt vor Paris:
„So meine große Angst, muss ich ehrlich sagen: Ich will nicht hinterherlaufen. Und ich weiß, der Rest ist schneller. Klar, meine Zeit in dieser Saison war nicht so optimal, wie ich es haben wollte. Aber das kommt jetzt mehr ran, wo ich mir meine Zeit wünsche. Und Hauptsache: konkurrenzfähig zu sein.“
Nach dem Lauf wirkt Bensusan gelöst, sie lacht und geht entspannt barfuß über die Wiese zurück zum Start. Dort wartet noch ein Laktat-Test.
Dr. Argiris Vassiliadis vom Olympia-Stützpunkt Rheinland/NRW nimmt von allen Para-Athleten und -Athletinnen während des Wettkampfs Blutproben. Er untersucht nicht nur die Laktatwerte, sondern auch den Blutzucker, die Dickflüssigkeit des Bluts und den Gehalt des C-reaktiven Proteins, das ihm Aufschluss über die Gesamtbelastung und das Abwehrsystem der Para-Athleten gibt.

"Die letzte Strecke bis Paris"

Die Werte geben eine Rückmeldung über die Intensität des bisherigen Trainings und helfen den Trainern bei der Leistungsoptimierung. Es sind noch sieben Wochen, bis die Paralympics starten. Zielgerade sozusagen.
„Für mich ist immer die letzte sechs Wochen sehr wichtig, weil in den letzten sechs Wochen ist auch wirklich für Ernährung, also ich verzichte auf ganz viele Sachen. Ich esse sehr gerne Eis, das ist mein Hobby, Eis essen. Und ich verzichte normalerweise ganz viel auf Eisessen.“
Und Bensusan versucht, im Training alles rauszuholen - ohne dabei eine Verletzung oder Krankheit zu riskieren.
„Das ist wirklich die letzte Strecke bis Paris und ich freue mich auf Paris, ich freue mich darauf, eine gute Zeit zu haben und ja, ich habe jetzt schon Schmetterlinge.“

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„Heimspiel“ auch für die gebürtige Südafrikanerin Bensusan
Auch über die 200 m schafft Bensusan am späten Nachmittag noch eine gute Zeit. Jetzt hat sie endlich auch die Ruhe, sich mit Freunden und Bekannten im Publikum zu unterhalten. Seit 2014 trainiert sie beim TSV Bayer 04 Leverkusen. Der Wettkampf ist als Heimspiel ausgeschrieben.
„Für mich ist auf jeden Fall Heimspiel. Klar, ich ziehe um, Ende des Jahres.“
Denn Bensusan kehrt zu ihrer Familie nach Südafrika zurück.
„Das ist mir wirklich so ein tränendes Auge, dass ich sage, das ist mein letztes Heimspiel. Ich muss sagen, das hat mir wirklich Spaß gemacht. Das ist: Man sieht die ganze Leute, das ist hier große Unterstützung und es ist hier so familiär. Und das ist einfach ein sehr guter Para-Wettkampf – so Wettkämpfe findet man nicht häufig.“