Fazit zu den Paralympics 2024
Was bleibt nachhaltig für den Para-Sport?

Die Paralympics in Paris sind mit viel Lob zu Ende gegangen. Aber welche weiterreichenden Wirkungen können die Wettkämpfe auf Themen wie finanzielle Unterstützung, Präsenz und Inklusion im Para-Sport haben?

Von Sabine Lerche |
    Die Flagge von Frankreich und von den Paralympics bei der Abschluss-Zeremonie der Paralympics in Paris 2024.
    Bei den Eröffnungs- und Abschlussfeiern der Olympischen und Paralympischen Spiele haben die Organisatoren versucht, in ihre Inszenierung auch Diversität und Inklusion zu weben. (IMAGO / Kyodo News / IMAGO)
    Mit der Abschlussfeier der Paralympics geht für Paris ein über einen Monat dauernder Sportsommer zu Ende. Auch wenn es im Nachgang viel Lob gibt, stellt sich die Frage, ob gerade die Paralympics auch nachhaltige Effekte haben – gerade bei Fragen nach Inklusion in der Gesellschaft.
    Sportliche Bilanz
    Medaillen-Prämien in Deutschland
    Paris nach dem Sportsommer
    Nachhaltige Veränderungen
    Große Medien-Präsenz

    Sportliche Bilanz: Mehr Medaillen für deutsche Para-Athleten als Olympioniken

    Insgesamt hat das deutsche Paralympics-Team 49 Medaillen geholt. Die 148 Athleten und Athletinnen sammelten zehnmal Gold, 14-mal Silber und 25-mal Bronze. Damit belegte Deutschland im Medaillen-Ranking auf Platz elf.
    Für Karl Quade, den Leiter des deutschen Paralympics-Teams, entspricht das den Erwartungen. Man wollte rund um den zehnten Platz landen. Positiv sei, dass in drei Sportarten, in denen bei den vorherigen Spielen in Tokio noch keine Medaillen geholt werden konnten, das deutsche Team diesmal in Paris mit auf dem Podest war.
    Bei den Olympischen Spielen holte das deutsche Team mit 454 Athletinnen und Athleten insgesamt 33 Medaillen – zwölfmal Gold, 13-mal Silber und achtmal Bronze. Das hat in Deutschland wieder mal zu Diskussionen über den Wert des Leistungssports und die geringe Medaillenausbeute geführt.
    Den deutschen Para-Sport plagen nach den Paralympics hingegen eher Geldsorgen. Denn im geplanten Bundeshaushalt für das nächste Jahr sollen dem Para-Sport 700.000 Euro gekürzt werden. Vor allem im Bereich Personal, was zu Entlassungen von Trainerinnen und Trainern, auch im Nachwuchsbereich, führen könnte.
    Eine deutsche Austragung von Olympischen und Paralympischen Spielen könnte da viel bewegen, denkt Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbands: „Olympische und paralympische Spiele als der Höhepunkt einer Sportlaufbahn, einer Sportentwicklung, setzen so viel mehr frei an Sport, an Bewusstsein, an Bewegung, aber auch an Geld.“
    Dass sich eine Austragung Paralympischer Spiele auch auf den Medaillenspiegel auswirkt, zeigt auch die aktuelle Bilanz nach Paris: Sechs Nationen, die in den letzten Jahren Gastgeber waren oder es in den kommenden werden, sind im Medaillenspiegel unter den besten acht Nationen.

    Gleiche Prämienhöhe für Olympia- wie Paralympics-Medaillen

    Die Deutsche Sporthilfe ist die wichtigste private Sportförderinitiative in Deutschland für Nachwuchs- und Spitzenathletinnen und -athleten. Sie ist auch für die Honorierung der Medaillenerfolge in Deutschland zuständig. Medaillengewinner werden bei den Olympischen und Paralympischen Spielen gleich honoriert:
    Für Gold wird eine Prämie von 20.000 Euro ausgeschüttet, für Silber gibt es 15.000 Euro, für Bronze 10.000 Euro – dabei werden jeweils die größten Erfolge der Athleten und Athletinnen berücksichtigt. Auch die Plätze vier bis acht werden honoriert.
    „Die Prämien werden – im Unterschied zu Ländern, in denen diese oft vom Staat gezahlt werden – von der Sporthilfe als Stiftung privat und ohne öffentliche Mittel erwirtschaftet“, betont Thomas Berlemann, Vorstandsvorsitzender der Sporthilfe.
    Für die 148 deutschen Paralympics-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer gibt die Sportstiftung eine Gesamtfördersumme von 8,4 Millionen Euro über mehrere Jahre hinweg an. 700.000 Euro an Prämien gehen an paralympische Medaillengewinnerinnen und -gewinner. Alle Sportlerinnen und Sportler, die bei den Paralympics in Paris teilgenommen haben, werden auch von der Sporthilfe unterstützt, im Schnitt seit acht Jahren.
    Von den 454 deutschen Olympia-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern werden 95 Prozent von der Sporthilfe unterstützt, die übrigen fünf Prozent erhalten aufgrund anderer guter Verdienstmöglichkeiten keine Unterstützung durch die Sporthilfe.
    Die Gesamtfördersumme für die Olympia-Starterinnen und -Starter ist mehr als dreimal so hoch wie bei dem zahlenmäßig kleineren Paralympics-Team: über die Jahre hinweg rund 20,8 Millionen Euro. Den deutschen Olympionikinnen und Olympioniken zahlte die Sporthilfe 1,6 Millionen Euro an Prämien für Medaillengewinne oder die Plätze vier bis acht.

    Prämien in anderen Ländern deutlich höher

    Andere Nationen zahlen wesentlich mehr für einen Podestplatz: Vor dem Start der Olympischen Spiele in Paris hat das US-Magazin "Forbes" dazu recherchiert. Die Befragung ergab, dass 15 Länder für einen Olympiasieg mehr als 100.000 US-Dollar zahlen – auch europäische Länder gehören dazu, etwa Italien, Spanien, Ungarn oder Tschechien.
    Von den Weltsportverbänden und auch vom Internationen Olympischen Komitee (IOC) gibt es für Medaillen bei den Olympischen bzw. Paralympischen Spielen keine Preisgelder. Erste Ausnahme in diesem Jahr: der Welt-Leichtathletik-Verband. Er zahlt pro Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 50.000 Dollar, Silber- und Bronze-Gewinnerinnen und -Gewinner erhalten keine Prämien. Das soll sich zu den nächsten Olympischen Spielen in Los Angeles 2028 aber ändern.

    Paris nach dem Sportsommer

    Schon einen Tag nach Ende des Sportsommers in Paris, der in vielen Aspekten als Erfolg verbucht wurde, scheint sich die Atmosphäre in Paris zu entzaubern: Denn es gibt einen Konflikt zwischen der Stadt Paris und den Eiffel-Nachfahren um die Olympischen Ringe, die an den Eiffelturm montiert sind.
    Während sich Paris‘ Bürgermeisterin Anne Hidalgo dafür einsetzt, dass die Ringe bis mindestens 2028 in einer neuen, leichteren Version am Eiffelturm bleiben, möchte der Verein der Eiffel-Nachfahren die Ringe bis Ende des Jahres abmontiert sehen. Ihre Argumentation: Sie würden sowohl das Aussehen des Eiffelturms stören als auch seine Neutralität und seine Bedeutung als Wahrzeichen.
    Frankreichs frühere Sportministerin Roxana Mărăcineanu hofft, dass zumindest etwas von dem einenden Gefühl erhalten bleibt, das sie während der Spiele in der französischen Bevölkerung erkannt hat. Gerade Sportlerinnen und Sportler sollen sich weiterhin in der öffentlichen Debatte einbringen und ein gutes Vorbild sein, wie man einander respektvoll begegnen kann: „Ihnen in all ihrer Diversität eine Bühne zu geben, war gut. Und ich hoffe wirklich, dass sie sich weiter in die öffentliche Debatte einbringen.“
    Zumindest ein konkretes Erbe bleibt nach den Spielen in Paris: In deren Vorbereitung war vor zwei Jahren ein Gesetz verabschiedet worden, das nationalen und regionalen Sportverbänden in ihren Führungsebenen eine Parität zwischen Männern und Frauen vorschreibt. Ebenso hatten die Olympischen Spiele zum ersten Mal in ihrer Geschichte gleich viele männliche wie weibliche Teilnehmende.

    Was die Spiele nachhaltig verändern können

    Dass nach den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris auch nachhaltig etwas für die Stadt und ihre Bevölkerung erhalten bleibt, hatten die Organisatoren als Ziel ausgeschrieben. Indem bereits bei den Sportstätten darauf geachtet wurde, vorhandene zu nutzen oder andere nur temporär aufzubauen, wurden Kosten gespart und Leerbauten nach den Spielen verhindert.
    Viele alte Sportanlagen wurden im Zuge der Spiele saniert und auch neue Radwege in der Stadt gebaut. Trotzdem hinkt Paris den Ansprüchen einer Großstadt beim Thema Barrierefreiheit hinterher. Beispielsweise ist nur eine Linie der historischen Metro barrierefrei. Dennoch ist die Stadt auch inklusiver geworden: Beispielsweise sind viele Sportanlagen jetzt barrierefrei zugänglich oder sollen es bis 2026 noch werden.
    Ob die Präsenz der Paralympics auch allgemein etwas für die Inklusion in Vereinen und der Gesellschaft tut, ist aber fraglich. Wie in Deutschland gibt es auch in Frankreich nur wenige Sportvereine mit inklusiven Angeboten.
    In Paris gibt es nur 40 Para-Abteilungen bei über 2.000 Vereinen. In Deutschland bieten nur sieben Prozent der knapp 90.000 Sportvereine Sport für Menschen mit Behinderung an.

    Mehr Medien-Präsenz heißt nicht automatisch mehr Inklusion

    Zwar sind die Paralympics in Paris in den Medien über TV-Übertragungen und Live-Streams präsent gewesen, für ein Umdenken hin zu mehr Inklusion reiche das aber nicht, sagt Medienwissenschaftler Christoph Bertling im Deutschlandfunk:
    „Dieses Öffentlichkeitfenster, das man in diesem Moment öffnet, reicht für mich nicht aus, um Inklusion voranzutreiben, auch im Sport und in Sportvereinen. Da müsste in Deutschland noch viel mehr geschehen, damit Sportvereine viel inklusiver vorgehen.“
    Insgesamt gab es 60 Stunden Live-Programm im freien Fernsehen und 130 Stunden zusätzliche Livestreams in Mediatheken. ARD und ZDF ziehen nach den Paralympics ein positives Fazit, 28,9 Millionen Menschen hätten die paralympischen Spiele verfolgt, damit habe man 36,9 Prozent der Bevölkerung erreicht.
    Bei den Olympischen Spielen bilanzierten ARD und ZDF, mit ihren Übertragungen im Fernsehen insgesamt 53,4 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht zu haben.
    Obwohl die Zahlen hoch und die Übertragungsangebote bei den Paralympics zahlreich waren, glaubt Medienwissenschaftler Christoph Bertling nicht, dass sie auch Nachhaltigkeit zeigen. Der Sport für Menschen mit Einschränkungen verblasse schnell wieder und die Akteurinnen und Akteure müssten über die Spiele hinaus versuchen, mit ihren eigenen Kanälen weiterhin Präsenz zu zeigen.