Geflüchtete bei Paralympics
Acht Athleten repräsentieren 120 Millionen Menschen

In Paris laufen die 17. Sommer-Paralympics. Unter den mehr als 4.400 Sportlerinnen und Sportlern sticht ein Team besonders hervor. Zum dritten Mal ist bei den Weltspielen nämlich auch eine Auswahl von Geflüchteten vertreten.

Von Ronny Blaschke |
Das Team der Geflüchteten läuft bei der Eröffnungsfeier der Paralympics 2024 in Paris ein.
Das Refugee-Team soll bei den Paralympics in Paris symbolisch alle Menschen auf der Flucht repräsentieren. (IMAGO / Xinhua / IMAGO / Cai Yang)
"Es ist eine unglaubliche Ehre, in Paris dabei zu sein. Und es zeigt, dass sich harte Arbeit und Geduld am Ende doch auszahlen." Es wirkt so, als könne Hadi Darvish nicht glauben, was er am Mittwoch erlebt hat. Während der Eröffnungsfeier der Paralympics bewegte er sich mit seinem Rollstuhl durch das Zentrum von Paris. Er blickte auf den Eiffelturm, lächelte Teamkollegen an, fotografierte die Maskottchen der Spiele.
Darvish ist im Iran aufgewachsen. Als Kind erkrankte er an Polio, er war zunehmend auf einen Rollstuhl angewiesen. Trotzdem ging er schwimmen und trainierte im Fitnessstudio. 2012 sah er im Fernsehen die vollen Stadien der Paralympics in London. Diese Begeisterung wollte er auch erleben.

Aus dem Iran nach Deutschland geflohen

Vor bald drei Jahren flohen Hadi Darvish, seine Frau und zwei Kinder aus dem Iran nach Deutschland. Sie beantragten Asyl. Darvish möchte nicht über die Fluchtursachen sprechen, sondern lieber über das Ankommen.
Er führt aus: "Wir mussten im Iran unseren Besitz verkaufen, um uns die Flüge leisten zu können. In Deutschland haben wir zwei Jahre in Flüchtlingsunterkünften gelebt, das war eine schwierige Zeit. Am Anfang wollte keine Bank für uns ein Konto eröffnen. Zum Glück habe ich dann schnell über den Sport Kontakte geknüpft."

Mails an Vereine und Verbände blieben unbeantwortet

Hadi Darvish hat mit seiner Familie in Königswinter eine Wohnung bezogen. Der Gewichtheber trainiert in einem Fitnessstudio sechs Mal pro Woche. Für seinen Wettkampf bei den Paralympics wähnt er sich in guter Form. Die eigentliche Herausforderung, sagt er, war der Weg dorthin:
"Nach meiner Ankunft in Deutschland wusste ich erst nicht, an wen ich mich wenden sollte. Ich habe Emails an Vereine und Verbände geschickt. Viele blieben unbeantwortet. Einige Leute haben gesagt, dass ich es mit meiner Behinderung nie auf ein Topniveau schaffen würde. Aber jetzt bin ich bei den Paralympics."

Sport als integrierende Kraft

Zum dritten Mal gibt es ein Team von Geflüchteten, in Paris besteht es auch acht Athleten. Sie sollen die mehr als 120 Millionen Menschen repräsentieren, die ihre Heimat aus politischen oder humanitären Gründen verlassen mussten, erläutert Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees IPC.
Er betont: "Viele geflüchtete Menschen beginnen ihr neues Leben mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen. Der Sport kann eine wichtige Rolle dabei spielen, dass sie sich in die Gesellschaft integrieren. Die paralympische Bewegung wird sich daher weiter mit Menschenrechtsorganisationen vernetzen."

Die Ursprünge der Paralympics

Damit kehren die Paralympics auch zu ihren Ursprüngen zurück. 1939 flüchtete der deutsch-jüdische Neurologe Ludwig Guttmann mit seiner Familie nach England. In einem Krankenhaus nordwestlich von London revolutionierte er die Behandlung für Querschnittsgelähmte. Guttmann animierte sie auch zu mehr Bewegung. Das stärkte ihr Immunsystem.
Im Juli 1948 organisierte der Flüchtling Guttmann einen Wettkampf im Bogenschießen für Kriegsversehrte. Diese Spiele von Stoke Mandeville begannen am selben Tag wie die Olympischen Spiele in London. Das Fundament für die späteren Paralympics, erinnert Andrew Parsons: "Ludwig Guttmann hatte nicht nur den einzelnen Patienten im Blick, sondern auch das Gemeinwesen. Mit Sport konnten die Patienten ihre Reha beschleunigen. Sie konnten wieder eine Arbeit aufnehmen, Steuern zahlen und damit das Gesundheitswesen und den Staat entlasten."

Weltweit 1,2 Millionen Menschen mit Behinderung

Heute leben weltweit 1,2 Millionen Menschen mit einer Behinderung, 80 Prozent von ihnen in einkommensschwachen Regionen. Diese Zahlen werden weiter steigen, angesichts von Kriegen und Umweltschäden. Und auch in Deutschland müssen sich Politik und Zivilgesellschaft mit den Konsequenzen beschäftigen.
"Gerade jetzt auch im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine hatten wir sehr viele Menschen, die geflüchtet waren, die behinderte Angehörige haben", erklärt Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen die Herausforderungen. "Die Frage der Barrierefreiheit im Bereich der Unterkunft. Die Frage der Barrierefreiheit, wenn es um Deutschkenntnisse geht. Also wie lernen blinde Kinder beispielsweise Deutsch? Wie kriegen die entsprechend die Unterstützung."
Auch der iranische Gewichtheber Hadi Darvish und seine Familie mussten sich nach ihrer Ankunft in Deutschland mit diesen Fragen befassen. Und jetzt startet er in Paris, bei den Paralympics.