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Paralympischer Sport
Vanessa Low kehrt Deutschland den Rücken

Bei den Paralympics 2016 startete sie richtig durch: Vanessa Low holte Gold im Weitsprung und Silber im Sprint. 2020 in Tokio geht sie für Australien auf Medaillenjagd. Beim deutschen Verband und ihrem bisherigen Verein Bayer Leverkusen herrscht Wehmut über den Verlust des Aushängeschilds. Ein Weggang, der nur wegen nicht mehr zeitgemäße Regeln nötig wurde.

Von Daniela Müllenborn |
    Die deutsche Behindertensportlerin Vanessa Low beim Weitsprungfinale der Paralympics in Rio de Janeiro 2016.
    Die deutsche Behindertensportlerin Vanessa Low beim Weitsprungfinale der Paralympics in Rio de Janeiro 2016. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    "Die Goldmedaillengewinnerin, letztes Jahr, in Rio. Wir freuen uns auf Bahn 4: Vanessa Low."
    Es ist ihr letzter Start für Bayer Leverkusen.
    "Auf die Plätze..."
    Vorlauf über 100-Meter der Frauen.
    "..fertig. "
    Gekommen um Tschüss zu sagen
    Vanessa Low wird bei diesem Sprint Letzte. Die 26jährige Oberschenkelamputierte Läuferin laboriert an einer langwierigen Rückenverletzung. Ist erst seit einigen Wochen wieder im Training und diesmal nicht gekommen um zu siegen, sondern um Tschüss zu sagen:
    "Ja, es waren acht wunderschöne Jahre. Leverkusen hat mich aufgegriffen, als noch niemand so wirklich an mich geglaubt hat. Und ich glaube es war für meinen Werdegang wichtig einfach so 'nen Rückhalt zu haben…" Ein bisschen Wehmut ist schon dabei, als Vanessa Low zu den Zuschauern im Leverkusener Leichtathletik-Stadion spricht.
    Mit glühenden Augen für die Leichtathletik
    Hier, gleich nebenan, in der großen Halle, diesem Leichtathletik-Tempel des TSV Bayer Leverkusen, hat sie Karriere gemacht. Die junge Frau, mit den langen blonden Haaren, die mit 15 bei einem Zugunglück beide Beine verlor und vier Jahre später bei Jörg Frischmann auftauchte, dem Chef der Leverkusener Behindertensportabteilung:
    "Vanessa hat ihre ersten Schritte in der Leichtathletik hier gemacht, ist damals hier her gekommen, da hab ich zu ihr gesagt, geh schwimmen, mach Sitzvolleyball, aber sie hat gesagt, ich will laufen und dann hab ich ihre Augen gesehen und gewusst, da kannste mit Schwimmen nichts machen, mit Sitzvolleyball nicht, diese Frau will laufen. Und das hat sie dann knallhart durchgezogen und es ist einfach beeindruckend, was man mit einer doppelten Oberschenkelamputation alles leisten kann."
    Ihr Freund trainiert in Australien
    Paralympisches Gold und Silber hat sie geholt. In Rio. Danach zog sie zu ihrem Freund, einem australischen Paralympics-Athleten. Um auch in Australien auf Spitzenniveau trainieren zu können, muss die Weitsprung-Weltrekordlerin nun auch für Australien starten.
    "Es gibt eine Regelung, dass Sportler anderer Nationen auf den offiziellen Sportanlagen, wo Nationalmannschaften auftreten, ne bestimmte Zeit trainieren dürfen, aber nicht dauerhaft. Und zu meiner Überraschung, das muss ich gestehen, hab ich erst jetzt gehört, das ist in Deutschland genauso."
    Wenig zeitgemäße Regelung
    Für Friedhelm Julius Beucher, den Chef des deutschen Behindertensportverbandes, eine wenig zeitgemäße Regelung. "Ich wünschte mir bei den internationalen Verbänden, dass wir da weiter sind. Dass hier Amerikaner starten dürfen, dass in Australien Deutsche starten dürfen, aber so weit ist die Weltengemeinschaft noch nicht. Da ist der Sport mir ein bisschen eng. Aber es ist so wie es ist. Und ich wünsche ihr alles, alles Gute, und freue mich, wenn ich sie in den nächsten Jahren wo auch immer auf dieser Welt wiedertreffe. Sie ist ein tolles Mädchen, eine beispielhafte Sportlerin und sie hat vielen jungen Leuten Mut gegeben, wenn man denkt, da geht nichts mehr wenn auf einmal zwei Beine fehlen."


    Und so lässt der deutsche Behindertensport Vanessa Low ziehen. Schweren Herzens zwar. Legt ihr aber keine Steine in den Weg. Auch wenn er eine Ausnahmeathletin verliert. Und ein Aushängeschild. Denn das war sie, betonen ihre bisherigen Mannschaftskollegen: Die Prothesen-Weitsprung-Stars Heinrich Popow und Markus Rehm: "Ja, ist schade, Vanessa ist ne Vorzeigeathletin, hat tolle Erfolge gefeiert."
    Friedhelm Julius Beucher: Präsident der Deutschen Behindertensportverbands
    Friedhelm Julius Beucher: Der Präsident der Deutschen Behindertensportverbands bedauert den Weggang von Vanessa Low. (dpa/Julian Stratenschulte)
    Deutschland verliert ein Aushängeschild
    "Ich hab das schon mal gesagt, der paralympische Sport ist an einem Punkt angekommen, dass er sexy ist. Wir haben Vorzeigeathleten, die sehen gut aus, die sind sportlich und Vanessa gehörte mit dazu. Und deshalb ist es schade, so ein Gesicht zu verlieren. Und Australien kann sich glücklich schätzen, dieses Gesicht zu bekommen."
    Und vielleicht ja auch weitere Erfolge. 2020, bei den Paralympics in Tokio jedenfalls will Vanessa Low noch mal an den Start gehen.
    "Ich hoffe natürlich noch mal Medaillen zu gewinnen, deshalb bin ich ja auch noch dabei. Ist natürlich erst mal alles neu für mich, aber ich hoffe, ich werde es genießen."
    Stadionsprecher: "Alles Gute, Vanessa Low."
    "Danke schön"