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Parasiten als Schwimmlehrer

Bionik. - Der Erreger der Schlafkrankheit bewegt sich mithilfe einer Geißel im Blut seines menschlichen Wirts fort. Physiker der Technischen Universität Berlin benutzen studieren die Fortbewegungsweise der Einzeller, um Tipps für Mikromaschinen zu bekommen.

Von Philipp Hummel |
    Ein Mückenstich ist in Deutschland meist harmlos. Doch wenn man in Afrika von einem Insekt gepiekst wird, kann das den Tod bringen. Durch den Stich einer mit der Schlafkrankheit infizierten TseTse-Mücke zum Beispiel, strömen tausende einzellige Parasiten in die Blutbahn, sogenannte Trypanosome…

    "Wenn der Mensch von diesem Erreger infiziert wird, dann kriegt er zunächst einmal einfach Fieber und Kopfschmerzen und Jucken. Aber das Gefährliche ist eigentlich wenn dieses Trypanosom, dieser Erreger ins Gehirn eindringt. Dann kommt es zu Verwirrtheit, Koordinationsstörungen und schließlich zu Koma, was dann mit dem Tod endet."

    Die medizinischen Aspekte der vorwiegend im Kongo auftretenden Erkrankung interessieren Holger Stark beruflich allerdings kaum. Der Professor für Statistische Physik von der Technischen Universität Berlin will verstehen, wie sich der Auslöser der Schlafkrankheit in der Blutbahn fortbewegt. Kennt man die Schwimmtechnik dieses Parasiten, könnte man vielleicht winzige Maschinen bauen, die sie imitieren. Mikroschwimmer, die zum Beispiel gezielt Medikamente an eine bestimmte Stelle des Körpers bringen könnten. Ihr biologisches Vorbild, das Trypanosom, ist ähnlich aufgebaut wie ein Spermium. Stark:

    "Spermien haben am Kopf eine langgestreckte Geißel und die Wellenbewegung dieser Geißel drückt das Spermium voran. Und genau dieselbe Geißel, also vom selben prinzipiellen Aufbau hat auch das Trypanosom, nur ist diese Geißel jetzt wirklich fest verankert am spindelförmigen Körper dieses Trypanosoms. Das heißt also, wenn die Geißel anfängt ihre Wellenbewegung zu machen, dann muss der Körper irgendwie folgen und das führt zu einer sehr irregulären – das sieht man auch stark unterm Mikroskop – zu einer sehr irregulären Bewegung."

    Zusammen mit einer Forschergruppe vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen, haben die Physiker um Holger Stark ein Experiment durchgeführt, um die Bewegung des flinken Schwimmers genauer zu untersuchen. Sie injizierten Trypanosome in eine Messzelle. Die bestand aus zwei Glasplatten, die einen Abstand von wenigen Mikrometern hatten. Dazwischen befand sich eine Nährlösung. Der Spalt zwischen den zwei Platten war so schmal, dass sich die Trypanosome nicht frei in alle drei Raumrichtungen, sonder nur entlang der Glasplatten bewegen konnten. Die Schwimmpfade der Erreger zeichneten die Forscher, durch ein Mikroskop vergrößert, per Video-Kamera auf:

    "Wenn man dann solche Schwimmpfade, wie wir sagen, sich anschaut, dann sieht das aus wie eine Zick-Zack-Bewegung. Und auf dieser Zick-Zack-Bewegung ist dann eine etwas glattere Bewegung drübergegeben. Das heißt, wenn ich nicht so stark auflösen würde, würde ich merken, dass der Erreger eigentlich für eine relativ lange Zeit geradeaus schwimmen kann und dann geht er in eine andere Richtung weiter."

    Etwa 10 Sekunden bewegt sich das Trypanosom gerade aus, dann biegt es plötzlich in irgendeine Richtung ab. So geht das immer und immer wieder. Schaut man genau hin, erkennt man die Ursache: ein kleinteiliges, unregelmäßiges Zick-Zack, aus dem sich die Bewegung zusammensetzt. Einer der ständigen Richtungswechsel führt etwa alle zehn Sekunden zu einem neuen Kurs.

    "Das ist natürlich eine interessante Komponente eigentlich, dass letztendlich etwas Irreguläres dann doch wieder zu etwas Gerichtetem führt."

    Diese Art von Bewegung ist einzigartig in der Natur und deshalb auch für Physiker interessant. Nach dem sie die Video-Daten ausgewertet hatten, gelang es den Forschern die Schwimmpfade des Trypanosoms am Computer zu simulieren. Die grundlegenden Mechanismen seiner Mobilität sind damit bekannt. Holger Stark will keine falsche Hoffnung auf ein Medikament gegen den schwer zu bekämpfenden Trypanosom-Erreger wecken. Er denkt an eine andere Anwendung für die Ergebnisse seiner Forschung:

    "Die Vision ist schon Mikromaschinen zu generieren, die einen gewissen Antrieb haben, die man dann in den Blutkreislauf einschleust und dann Reparaturarbeiten am Körper ausführt. Dass man also mit einem Schwimmer gezielt auch Medikamente in einen Körper platzieren kann, das glaube ich schon, dass das irgendwann kommt."

    Die Energie für solche Mikroschwimmer könnte zum Beispiel aus dem Magnetfeld eines Magnetresonanz-Tomographen kommen, wie er heute in jedem Krankenhaus steht. Vielleicht kann - auf dem Umweg über einen Mikrotransporter für Medikamente - die Arbeit von Holger Stark also doch dazu führen, eines Tages eine wirksame Therapie gegen die Schlafkrankheit zu entwickeln.