Saint-Eustache im Pariser Hallenviertel ist ein geschichtsträchtiger Ort. Hier, in der größten Renaissance-Kirche Frankreichs empfing Ludwig XIV. seine erste Kommunion, Molière wurde hier getauft und La Fontaine bestattet. Auch das Grabmal von Colbert, dem Finanzminister des Sonnenkönigs, befindet sich hier.
Zur Zeit der Französischen Revolution allerdings musste Colberts Mausoleum umziehen. Darauf weist jetzt eine Tafel hin, die zur Louvre-Ausstellung "Un musée révolutionnaire" in Saint-Eustache angebracht wurde. In den 1790er-Jahren wurde die opulente Grabskulptur ausgelagert ins "Musée des monuments français". Denn die Revolutionäre machten bekanntlich Tabula rasa: Saint-Eustache wurde vom katholischen Gotteshaus umgewidmet zum "Tempel der Landwirtschaft".
Viele Schätze aus Kirchen und Schlössern wurden zerstört in dieser Zeit, dass vieles – wie eben das Grab Colberts – aber auch erhalten blieb, ist einem gewissen Alexandre Lenoir zu verdanken, dem Gründer des "Musée des monuments français".
Vom düsteren Mittelalter zum Licht der Aufklärung
Lenoir, selbst Künstler, war ein sehr engagierter Kunst- und Kulturretter, sagt Béatrice de Chancel-Bardelot, eine der beiden Kuratorinnen der Ausstellung:
"Lenoir war in Saint-Denis, als die Revolutionäre die königlichen Gräber öffneten und er sorgte dafür, dass die Grabfiguren gerettet und in sein Museum transportiert wurden. Er erzählte auch gerne, wie er sich in der Sorbonne dem Pöbel entgegen stellte, um die Grabstätte von Richelieu zu retten. Alexandre Lenoir hatte zwar einen gewissen Hang zur Eigenwerbung, aber seine Leistung ist nicht zu leugnen."
Im Louvre haben die Kuratorinnen diese Leistung Alexandre Lenoirs nun sichtbar gemacht. Sein "Museum der französischen Monumente" lebt wieder auf in der Ausstellung, die sowohl virtuell, mit einer 3D-Animation, aber auch ganz real die Installationen von Lenoir nachvollzieht. Denn es sind tatsächlich ziemlich fantasievolle Raum-Installationen, die der Museumsgründer zusammenstellte in dem Gebäude, das heute übrigens die Pariser Kunstakademie, die Ecole des Beaux-Arts beherbergt.
Aus Fragmenten unterschiedlichster Herkunft – Säulen, Statuen, Steinreliefs – komponierte Lenoir beeindruckende dreidimensionale Puzzles, um Königsgräber oder Porträtbüsten berühmter Männer zu präsentieren. Es ging ihm vor allem um szenische Effekte, sagt Kuratorin Geneviève Bresc-Bautier:
"Er arbeitete wie ein Opernausstatter alter Schule, der einen historischen Kontext inszeniert. Sein Museum führt vom 13. bis ins 18. Jahrhundert, die damalige Gegenwart. Vom düsteren Mittelalter zum Licht der Aufklärung. Besonders die Atmosphäre des Mittelalters war im wichtig: ein dunkelblau gestalteter Raum mit kleinen Sternen an der Decke. Es ging ihm ums Atmosphärische, um Emotionen."
Kritik an mangelnder Genauigkeit des Museumsgründers
Doch Alexandre Lenoir hatte nicht nur Bewunderer. Manche warfen ihm mangelnde kunsthistorische Genauigkeit bei der Gestaltung seiner Epochenräume vor. Und als Anfang des 19. Jahrhunderts im Kaiserreich Napoleons auch die katholische Kirche wieder eine gewisse Anerkennung erfuhr, sah man es auch zunehmend kritisch, dass er Grabkunst in ungeweihten Hallen zeigte, getrennt von den sterblichen Überresten derer, die mit der Kunst geehrt wurden.
"Dass er im Museumsgarten manche Gräber auch vollständig rekonstruierte, änderte nichts an der Kritik. Alexandre Lenoirs Museum hat eine zwiespältige Rezeptionsgeschichte. Einerseits wurde sein Werk sehr bewundert, andererseits nahm man ihm seine sehr freien Kompositionen übel. Anfang des 20. Jahrhunderts erschien sogar ein Buch mit dem Titel: 'Die Betrügereien des Alexandre Lenoir'."
Der fantasiebegabte Alexandre Lenoir – fast erscheint er uns in dieser Louvre-Ausstellung wie ein Kurator von heute. Ein Schöpfer von Themenausstellungen, der – hätte er 200 Jahre später gelebt - womöglich erfolgreich internationale Kunstbiennalen verantworten würde. Zu seiner Zeit aber blieb ihm nichts anderes übrig, als 1816 nach der Schließung 'seines' Pariser Museums einen Posten in der Kathedrale von Saint-Denis anzunehmen. Als Verwalter der Königsgräber, die wieder in die Kirche zurückgekehrt waren.