Archiv

Park und Bibliothek "Oodi" fertig
Ein Wohnzimmer für Helsinki

Eines der faszinierendsten Neubauprojekte Europas ist fertig: die neue Zentralbibliothek von Finnlands Hauptstadt Helsinki "Oodi" samt neuem Park. "Oodi" bedeutet so viel wie "Ode" und ist gerichtet an die gesamte Stadtgesellschaft. Nimmt sie ihr neues Wohnzimmer an?

Von Laura Weißmüller |
Ein Lesesaal in Helsinkis neuer Zentralbibliothek Oodi
Ein Lesesaal in Helsinkis neuer Zentralbibliothek Oodi (AFP / Markku Ulander / Lehtikuva)
Oodi ist gedacht genauso für Bewohner wie Besucher, für Alt und Jung. Auch einer der größten Spielplätze der Stadt ist dort entstanden. Dass der Anspruch, der kompletten Stadtgesellschaft ein neues Wohnzimmer zu bieten, mehr ist als ein Lippenbekenntnis, wird ganz handfest sichtbar: Im Untergeschoss der Bibliothek finden sich etwa viele Toiletten. Die Bibliothek wurde geradezu dafür angelegt, Großveranstaltungen im Park oder unter ihrem mondän geschwungenen Vordach die nötige Infrastruktur zu bieten.
Eintritt in die Welt der Bildung
Park und Bibliothek Oodi schaffen damit an einer der schönsten Stellen der Stadt einen Ort, der allen zugänglich ist und an dem sie sich aufhalten können, ohne etwas zu konsumieren. Das ist in Zeiten, in denen private Firmen immer gieriger am öffentlichen Raum knappern, keine Selbstverständlichkeit. Wer zum Beispiel in Shopping Malls nichts kauft, hat dort auch nichts verloren.
Im Herzen der Stadt
Der Standort der Bibliothek macht deutlich, welche Bedeutungen die Bibliothek hat. Oodi steht im Herzen der Stadt, gegenüber dem Parlament, in direkter Nähe zum Konzerthaus, dem Kunstmuseum Kiasma, dem Verlagsgebäude der größten finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat und unweit Alvar Aaltos imposanter Finlandia Hall. Die zentrale Lage entspricht dem Stellenwert, den in Finnland Bibliotheken entgegengebracht werden. Es ist eine der populärsten Dienstleistung der öffentlichen Hand – und es gibt sogar ein eigenes Gesetz, das erklärt, dass Bibliotheken dazu da sind, den Menschen zu helfen, Teil der Gesellschaft zu sein.
Teilhabe durch Technik
Dass es dabei nicht nur ums Lesen geht, zeigt gerade Oodi. Zwar gibt es im obersten Stock einen 45.000 Quadratmeter großen, lichtdurchfluteten, offenen Raum, wo Menschen lesen können. Sie tun das auch, sie tun dort aber auch ganz andere Dinge: Kaffee trinken zum Beispiel, sich treffen, herumtollen (vor allem die Kinder), Karten spielen, Selfies machen, oder auf der riesigen Dachterrasse den Ausblick auf die Stadt genießen. Obwohl der Saal stets gut besucht ist, vollbringt die weiße leicht gewellte Akustikdecke ein wahres Wunder. Jedenfalls kann, wer will, auch hier lesen.
Siegerentwurf vom finnischen Büro ALA
Viele der Zehntausend Menschen, die täglich ins Oodi strömen, wollen aber etwas ganz anderes. 3-D-Drucken zum Beispiel, oder den Lasercutter benützen oder das vollausgestattete Tonstudio. Andere benutzen die dort vorhandenen Nähmaschinen, benutzen die Computer um Spiele zu zocken oder ihre Steuererklärung zu machen. Oder sie buchen sich für wenig Geld einen Raum, um dort ihrem Job als Freelancer nachzugehen, Radiointerviews zu führen, Fotoshootings zu machen, Geschäftskunden zu treffen.
Makerspace wird das mittlere Stockwerk genannt, das optisch passender Weise einem Maschinenraum gleicht, und wo die Mitarbeiter dazu da sind, den Menschen die neue Technologien, die längst unseren Alltag bestimmen, beizubringen. Die Mitarbeiter im Oodi sehen darin einen Beitrag, eine gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen. Das klingt zwar staatstragend - auch angesichts der bienenstockartigen Atmosphäre, die in der Bibliothek herrscht. Es stimmt aber. Nur wer bei dem technischen Fortschritt mitgehen kann, besitzt die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe.