Parkinsonpatienten können ihre Bewegungen nur schwer steuern. Entweder zittern ihre Hände und Füße unwillkürlich, oder sie erstarren und können sich gar nicht mehr rühren. Ihnen fehlt es an dem Botenstoff Dopamin, der Bewegungsbefehle freischaltet. Die direkte Ursache ist bekannt: Die zuständigen Nerven sterben ab. Gleichzeitig finden sich im Innern der Nerven Klümpchen und Fasern aus Eiweißen. Victoria Lee von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia kennt diese Klümpchen nur zu gut:
"Alpha-Synuclein ist der Baustein dieser Schädigung im Gehirn von Parkinsonpatienten."
Seit einiger Zeit schon ist bekannt: Es handelt sich nicht um das ganz normale Alpha-Synuclein, wie es in gesunden Nerven vorkommt. In den Fasern liegt das Eiweiß in einer krankhaft verdrehten Form vor. Das hat Parkinson-Forscher hellhörig werden lassen: Der Rinderwahnsinn BSE zum Beispiel geht auf eine solche Eiweiß-Fehlfaltung zurück. Nun haben Virginia Lee und ihre Mitarbeiter die verdächtigen Eiweiß-Fasern mit Hilfe von Bakterien hergestellt und erstmals in das Gehirn normaler Versuchsmäuse injiziert. Und zwar in die Region, bei der sich bei Parkinsonpatienten die ersten Anzeichen der Klümpchen und Fasern finden. Lee:
"Tatsächlich traten die ersten Schäden an der Injektionsstelle auf, aber dann setzten sie sich entlang der Nervenkontakte fort bis zu den Dopaminnerven."
Die Krankheitszeichen breiten sich also von Nerv zu Nerv aus, fast wie bei einer Infektion. Auslöser waren aber weder Viren noch Bakterien, sondern allein die verdrehte Form des Alpha-Synucleins. Damit verhält sich Alpha-Synuclein genauso wie das Prionprotein bei BSE. Auch das existiert in einer normalen und einer verdrehten Form.
"Die schlechte Form des Prions zwingt die benachbarten normalen Prionproteine ebenfalls in die schlechte Faltung. Mit anderen Worten, es korrumpiert, es rekrutiert, es breitet sich aus. Genau das gleiche sehen wir bei vielen neurodegenerativen Krankheiten und auch bei Parkinson."
Das verdrehte Alpha-Synuclein benötigt den direkten Kontakt zu der gesunden Variante, um ihre Fehlfaltung weiterzugeben. Deshalb breite sich der Krankheitsprozess auch entlang der Nervenfasern aus. Die Schadensmuster in den Versuchsmäusen sind ein klarer Beleg für diesen Prion-Mechanismus. Die Vorstellung, dass der Prion-Prozess auch hinter Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Huntington steckt, wird unter Hirnforschern gerade intensiv diskutiert. Die Experimente von Virginia Lee schlagen dabei eine Brücke von den verdrehten Eiweißen, über absterbende Nerven, bis zu den Symptomen von Parkinson.
"Nach und nach entwickeln die Mäuse Bewegungsstörungen, weil ihnen das Dopamin fehlt. Ihr Balance lässt nach, ihre Pfoten packen nicht mehr so kräftig zu. Das zeigt, sie leiden an ganz ähnlichen Problemen, wie die Parkinsonpatienten."
Zum ersten Mal ist es damit gelungen, den Verlauf von Parkinson in normalen Mäusen nachzubilden. Virginia Lee will neuartige Behandlungsansätze in diesem Tiermodell erproben, zum Beispiel Antikörper gegen das verdrehte Alpha-Synuclein.
"Die Übertragung von Zelle zu Zelle eröffnet vielleicht eine Chance. Das verdrehte Eiweiß muss von den Neuronen freigesetzt werden. Wenn wir es dabei abfangen, verhindern wir, dass es die nächste Zelle erreicht. So könnten wir die Ausbreitung der Schäden im Gehirn von Parkinsonpatienten blockieren."
Das aber ist Zukunftsmusik. Bevor es an menschliche Parkinsonpatienten geht, muss das Konzept in dem neuen Tiermodell umfassend erprobt werden. Fest steht aber nun endgültig: auch Parkinson lässt sich als Prion-Krankheit verstehen, ebenso wie Alzheimer und viele andere neurodegenerative Krankheiten.
Hinweis: Am kommenden Sonntag, 18.11., 16:30 Uhr, sendet der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Das Prion-Prinzip zum Thema.
"Alpha-Synuclein ist der Baustein dieser Schädigung im Gehirn von Parkinsonpatienten."
Seit einiger Zeit schon ist bekannt: Es handelt sich nicht um das ganz normale Alpha-Synuclein, wie es in gesunden Nerven vorkommt. In den Fasern liegt das Eiweiß in einer krankhaft verdrehten Form vor. Das hat Parkinson-Forscher hellhörig werden lassen: Der Rinderwahnsinn BSE zum Beispiel geht auf eine solche Eiweiß-Fehlfaltung zurück. Nun haben Virginia Lee und ihre Mitarbeiter die verdächtigen Eiweiß-Fasern mit Hilfe von Bakterien hergestellt und erstmals in das Gehirn normaler Versuchsmäuse injiziert. Und zwar in die Region, bei der sich bei Parkinsonpatienten die ersten Anzeichen der Klümpchen und Fasern finden. Lee:
"Tatsächlich traten die ersten Schäden an der Injektionsstelle auf, aber dann setzten sie sich entlang der Nervenkontakte fort bis zu den Dopaminnerven."
Die Krankheitszeichen breiten sich also von Nerv zu Nerv aus, fast wie bei einer Infektion. Auslöser waren aber weder Viren noch Bakterien, sondern allein die verdrehte Form des Alpha-Synucleins. Damit verhält sich Alpha-Synuclein genauso wie das Prionprotein bei BSE. Auch das existiert in einer normalen und einer verdrehten Form.
"Die schlechte Form des Prions zwingt die benachbarten normalen Prionproteine ebenfalls in die schlechte Faltung. Mit anderen Worten, es korrumpiert, es rekrutiert, es breitet sich aus. Genau das gleiche sehen wir bei vielen neurodegenerativen Krankheiten und auch bei Parkinson."
Das verdrehte Alpha-Synuclein benötigt den direkten Kontakt zu der gesunden Variante, um ihre Fehlfaltung weiterzugeben. Deshalb breite sich der Krankheitsprozess auch entlang der Nervenfasern aus. Die Schadensmuster in den Versuchsmäusen sind ein klarer Beleg für diesen Prion-Mechanismus. Die Vorstellung, dass der Prion-Prozess auch hinter Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer oder Huntington steckt, wird unter Hirnforschern gerade intensiv diskutiert. Die Experimente von Virginia Lee schlagen dabei eine Brücke von den verdrehten Eiweißen, über absterbende Nerven, bis zu den Symptomen von Parkinson.
"Nach und nach entwickeln die Mäuse Bewegungsstörungen, weil ihnen das Dopamin fehlt. Ihr Balance lässt nach, ihre Pfoten packen nicht mehr so kräftig zu. Das zeigt, sie leiden an ganz ähnlichen Problemen, wie die Parkinsonpatienten."
Zum ersten Mal ist es damit gelungen, den Verlauf von Parkinson in normalen Mäusen nachzubilden. Virginia Lee will neuartige Behandlungsansätze in diesem Tiermodell erproben, zum Beispiel Antikörper gegen das verdrehte Alpha-Synuclein.
"Die Übertragung von Zelle zu Zelle eröffnet vielleicht eine Chance. Das verdrehte Eiweiß muss von den Neuronen freigesetzt werden. Wenn wir es dabei abfangen, verhindern wir, dass es die nächste Zelle erreicht. So könnten wir die Ausbreitung der Schäden im Gehirn von Parkinsonpatienten blockieren."
Das aber ist Zukunftsmusik. Bevor es an menschliche Parkinsonpatienten geht, muss das Konzept in dem neuen Tiermodell umfassend erprobt werden. Fest steht aber nun endgültig: auch Parkinson lässt sich als Prion-Krankheit verstehen, ebenso wie Alzheimer und viele andere neurodegenerative Krankheiten.
Hinweis: Am kommenden Sonntag, 18.11., 16:30 Uhr, sendet der Deutschlandfunk in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Das Prion-Prinzip zum Thema.